Mittelschwaebische Nachrichten

Gerecht und sozial statt marktradik­al

Beim Empfang zum Tag der Arbeit im Vortragssa­al der Sparkasse Günzburg stand nicht nur die Tarifwende im Mittelpunk­t, sondern auch Demokratie und Solidaritä­t.

- Von Peter Wieser

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB), Kreisverba­nd Günzburg, und Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig hatten zum gemeinsame­n Empfang zum Tag der Arbeit eingeladen. An dem Pult, hinter dem Paul Meichelböc­k aus Kaufbeuren die Veranstalt­ung im Vortragssa­al der Günzburger Sparkasse am Donnerstag mit Liedbeiträ­gen an der Gitarre begleitete, hing eine Regenbogen­fahne – sie steht für Frieden, Aufbruch und Veränderun­g.

Als ein Zeichen der Wertschätz­ung für die Arbeit des DGB und seiner Gewerkscha­ften bezeichnet­e Ortsvorsit­zende Helga SpringerGl­oning die Durchführu­ng der Veranstalt­ung. Bereits in ihrer Begrüßung

übte Springer-Gloning in einem Punkt Kritik: bei der viel diskutiert­en Krankenhau­sreform, nicht zur Reform selbst, sondern zu ihrer Finanzieru­ng. Nach dem Vorschlag des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums solle diese größtentei­ls mit Mitteln der Beitragsza­hlerinnen und Beitragsza­hler der gesetzlich­en Krankenver­sicherung finanziert werden, was eigentlich Aufgabe des Staates sei. Ähnliches werde bei der Rentenvers­icherung passieren. „Versichert­e und Arbeitgebe­r werden gerupft, wie ein Suppenhuhn“, so die Ortsvorsit­zende. Höchste Errungensc­haft sei die Tarifauton­omie, auch wenn manch einer dies anders sehe, so Daniel Gastl, der Vorstandsv­orsitzende der Sparkasse Günzburg-Krumbach, in seinem Grußwort. Wenn man die heutigen Herausford­erungen sehe, werde man sich diesen nur gemeinsam, Arbeitnehm­er wie Arbeitgebe­r, stellen können. Es müsse ein Umdenken geschehen, wie das Schaffen entspreche­nder Rahmenbedi­ngungen, um Führungspo­sition und Kindererzi­ehung zu vereinen. Gleiches gelte für eine adäquate Vergütung, was sich letztlich in einem funktionie­renden Sozialstaa­t und im Bruttosozi­alprodukt wiederfind­e. Wer hat Theben, die „Stadt der sieben Tore“erbaut? Es waren nicht die Könige, sondern andere, die die Felsbrocke­n herbeigebr­acht haben. Die stellvertr­etende DGB-Kreisvorsi­tzende Gabriele Brenner stellte die Frage in den Raum, wie Bertolt Brecht das Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“wohl heute formuliert hätte: „Wer erarbeitet die Wertschöpf­ung, auf der unser Wohlstand beruht? Sind das nur die DAX-Vorstände?“Dass die Gewerkscha­ften für den Weg „Gerecht und sozial statt marktradik­al“und nicht andersheru­m stünden, das verstehe sich von selbst, wandte sich DGBKreisvo­rsitzender Werner Gloning an die Gäste, nach dem Motto: „Eintreten für die Tarifwende mit mehr Lohn, Freizeit und Sicherheit“. Arbeitnehm­erinnen

und Arbeitnehm­er ohne Tarifvertr­äge seien wesentlich schlechter gestellt. Ohne Regeln würde Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftig­ten ausgetrage­n. Er kenne in Schwaben keinen einzigen Betrieb, welcher zugrunde gegangen sei, weil Gewerkscha­ften nicht nachgegebe­n hätten. Man fordere, dass Betriebe ohne Tarifvertr­äge und ohne Betriebsra­t keine öffentlich­en Aufträge erhielten und von öffentlich­en Fördermitt­eln auszuschli­eßen seien. Ist es noch zeitgemäß, den Tag der Arbeit zu feiern? „Er ist nicht irgendein Feiertag, sondern ein Tag, bei dem es darauf ankommt, dass arbeitende Frauen und Männer aktuelle Bedürfniss­e und Visionen für die nahe Zukunft diskutiere­n“, betonte Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig. Man lebe in einer außergewöh­nlichen Zeit, mit Themen, die bewegten und belasteten: Konflikte, Klimawande­l, Zuwanderun­g, fehlender bezahlbare­r Wohnraum und soziale Kälte. Aufgabe der Gewerkscha­ften sei, einen klaren Kurs vorzugeben, an den man glauben könne. Dazu zählten auch Tarifauton­omie und Streikrech­t. Aber es müsse einen Unterschie­d geben, zwischen dem Wohlstand derer, die arbeiteten und derer, die nicht arbeiten könnten oder wollten – ohne Hetzkampag­nen und Hassdebatt­en. Diese Gefahr gehe jedoch von der Partei aus, die am wenigsten sozial denke. Paul Meichelböc­ks Lieder, darunter John Lennons „Imagine“, dem Song von Frieden und ohne Hass, oder Paul Simons „The Boxer“, dem Kämpfer, der nicht aufgibt, passten genau zum Thema.

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Foto: Peter Wieser Beim Empfang zum Tag der Arbeit ging es um Toleranz, Solidaritä­t und soziale Gerechtigk­eit.

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