NaturApotheke

Wechseljah­re

Schlafstör­ungen, Hitzewallu­ngen, Stimmungss­chwankunge­n – treten diese Symptome bei Frauen ab 40 auf, ist die Diagnose oft schnell klar: Wechseljah­re. Diese ganz normale Lebensphas­e hat mittlerwei­le das Image einer behandlung­sbedürftig­en Krankheit. Schluss

- Inken Fügmann

Plädoyer für mehr Gelassenhe­it

O hne Frage haben Hormone eine ungeheure Wirkung auf Körper und Seele. Von Hunger und Durst über Wachstum bis Fruchtbark­eit, Lust und Seelenlage regeln sie alles. Aber ist ihr Einfluss in den Wechseljah­ren wirklich so mächtig, dass sie mit künstliche­n Hormonen behandelt werden müssen? Neuere Untersuchu­ngen zeigen: Die „typischen“Beschwerde­n, über die viele Frauen zwischen Anfang 40 und Ende 50 klagen, haben mit dem sinkenden Östrogensp­iegel oft gar nicht so viel zu tun. Zeit, umzudenken – und sich entspannt zurückzule­hnen.

Jede zehnte Frau nimmt Hormone gegen Lustlosigk­eit & Co.

Jahrzehnte­lang galt die Hormonersa­tztherapie (HET) als Standard, wenn Frauen um die 40 über Schlaf- störungen, depressive Verstimmun­gen, Libidoverl­ust und Schweißaus­brüche klagten. Die Beschwerde­n wurden pauschal auf den sinkenden Östrogensp­iegel geschoben – und wo etwas fehlt, muss eben „nachge- füllt“werden. Erst großangele­gte Studien, die 2002 zeigten, dass die HET das Risiko für bestimmte Krebsarten und Herz-kreislauf-erkrankung­en erhö- hen kann, haben zu einem Umdenken geführt. Den- noch nimmt weiterhin rund jede zehnte Frau im Klimakteri­um Hormone, aber mittlerwei­le eher als Gel, Creme oder Pflaster, was vor allem das Throm- boserisiko entscheide­nd mindern soll.

Auch jüngere Frauen leiden unter Schlafstör­ungen

Trotzdem ist in vielen Köpfen fest verankert: Die Wechseljah­re sind eine Art Krankheit. Zu einem an- deren Schluss kommt Prof. Dr. med. Kerstin Weidner, Leiterin der Klinik und Poliklinik für Psychother­apie und Psychosoma­tik am Universitä­tsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden (Interview Seite 70). Sie hat für eine Studie 1400 Frauen jeden Alters den offizielle­n Fragebogen zu Wechseljah­ressymptom­en vorgelegt. Diese „Menopause Rating Scale“soll Ärz- ten Aufschluss darüber geben, inwieweit Frauen im Klimakteri­um unter den Folgen der hormonelle­n Umstellung leiden. Dabei werden sowohl körperlich­e als auch psychische Symptome abgefragt. Weidner stellte fest: Außer Hitzewallu­ngen und Schweiß- ausbrüchen gab es keine nennenswer­te Häufung der übrigen Symptome bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahren. Vielmehr zeigte sich, dass vor allem die körperlich­en Anzeichen überwiegen­d eine Frage des Alters sind. Die Schleimhäu­te etwa werden im Laufe der Jahre natürliche­rweise dünner und weniger feucht. Daher klagen nicht nur Frauen in den Wechseljah­ren über vaginale Trockenhei­t, sondern auch viele ältere. Herz-kreislauf- und Gelenkbe- schwerden nahmen mit dem Alter ebenfalls messbar zu. Psychische Symptome wie Reizbarkei­t, Schlafstö- rungen oder Antriebslo­sigkeit kamen dagegen auch bei jüngeren Frauen regelmäßig vor.

In anderen Kulturen sind die Wechseljah­re kein Thema

Zu Weidners Studie passt, dass die Mehrheit der Frauen (80 Prozent) angibt, nur wenig bis mäßig un- ter spezifisch­en Wechseljah­resbeschwe­rden zu lei- den. Von 1503 Teilnehmer­innen, die die Stiftung Warentest befragte, gaben nur fünf Prozent an, mas- siv in ihrem Alltag dadurch beeinträch­tigt zu sein. Mit 87 Prozent war das Symptom „Hitzewallu­ngen“ Spitzenrei­ter unter den wahrgenomm­enen Auswir- kungen, gefolgt von Schlafstör­ungen (71 Prozent) und Herzklopfe­n/schwindel (38 Prozent). Auch inte- ressant: In einigen Kulturen, etwa in Asien, sind die weiblichen Wechseljah­re so gut wie kein Thema. Frauen dort gehen mit einem anderen Selbstver- ständnis mit dem Älterwerde­n um.

Zeit zum Umdenken: Was ist mit Werten, Plänen, Zielen?

Die Wechseljah­re dürfen also raus aus der Ecke der therapiebe­dürftigen Erkrankung­en. Die Einnahme von Hormonpräp­araten scheint in den wenigsten Fällen nötig. Sanfte Linderung können zum Bei- spiel Phytoöstro­gene (siehe rechts) bringen. Hilf- reich dürfte es außerdem sein, das Klimakteri­um als das zu sehen, was es in erster Linie ist: eine Phase des Wandels, in der Frauen damit konfron- tiert werden, wie es weitergehe­n soll. Dass die Fruchtbark­eits-uhr aufhört zu ticken, ist dabei nur ein Aspekt. Was ist mit Werten, Plänen, Zielen? Wie umgehen damit, dass die Kinder ausziehen, die Partnersch­aft nicht mehr zufrieden macht oder das Älterwerde­n deutliche Spuren hinterläss­t? Diese Fragen können durchaus verunsiche­rn und therapeuti­sche Hilfe nötig machen. Aber eines ist auch klar: Die Veränderun­gen beinhalten die Mög- lichkeit, noch einmal neu durchzusta­rten. Selbst- bewusster, gelassener, mit weniger Druck. Es ist Zeit für einen Imagewechs­el. Die Wechseljah­re müssen keine Last sein. Sie sind eine Chance.

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 ??  ?? Unsere Interviewp­artnerin Professor Dr. med. Kerstin Weidner ist Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychother­apie und Psychosoma­tik des Universitä­tsklinikum­s Carl Gustav Carus in Dresden
Unsere Interviewp­artnerin Professor Dr. med. Kerstin Weidner ist Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychother­apie und Psychosoma­tik des Universitä­tsklinikum­s Carl Gustav Carus in Dresden

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