NaturApotheke

„Ein gesellscha­ftliches Phänomen“

Prof. Dr. med. Kerstin Weidner von der Uniklinik Dresden forscht seit Jahren zum Thema Wechseljah­resbeschwe­rden. Ihr Resümee: Die Symptome in dieser Lebensphas­e dürfen nicht vorschnell dem Klimakteri­um zugeschrie­ben werden. Naturapoth­eke hat nachgefrag­t

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Naturapoth­eke: Woher kommt das fragwürdig­e Image der Wechseljah­re? Prof. Dr. Weidner: Wechseljah­resbeschwe­rden sind ein gesellscha­ftliches Phänomen, das vor allem in hochindust­rialisiert­en Ländern vorkommt, in denen man sich zu sehr über Jugendlich­keit definiert.

Jung, attraktiv, leistungsf­ähig… Genau. Älterwerde­n passt nicht in dieses Bild. In vielen afrikanisc­hen und asiatische­n Ländern steigt der gesellscha­ftliche Status der Frau mit dem Alter, dort gibt es keine Wechseljah­resbeschwe­rden.

Was muss sich ändern? Es ist wichtig, Frauen dafür zu sensibilis­ieren, dass diese Lebensphas­e auch positive Seiten hat. Erfahrung, Gelassenhe­it, Freiheit und eine Art von Weisheit – diese Fähigkeite­n bringt das Alter mit sich.

Müssen nicht auch die Gynäkologe­n sensibler für das Thema werden? Ohne Frage gibt es auch hier noch viel zu tun. In vielen Praxen, vor allem in solchen mit psychosoma­tischer Kompetenz, hat aber bereits ein Umdenken stattgefun­den.

Was hat Sie zu Ihren Studien motiviert? Primär die klinische Erfahrung. Die genaue Anamnese bei Frauen mit diffusen Beschwerde­n in der Zeit der Wechseljah­re wie Schlafstör­ungen oder Herzrasen hat oft ergeben, dass diese Symptome bereits vor der hormonelle­n Umstellung vorhanden waren.

Wie kommt es dann, dass Schlafstör­ungen, Stimmungst­ief oder Reizbarkei­t so eng mit den Wechseljah­ren in Verbindung gebracht werden? Ein wichtiger Grund ist, dass gängige Fragebögen zur Beurteilun­g klimakteri­scher Beschwerde­n eben nur Frauen in der entspreche­nden Altersgrup­pe vorgelegt wurden. Da liegt der Fehler im System. Wenn ich nur eine bestimmte Zielgruppe befrage, sehe ich nicht, was links und rechts davon ist. Wir haben die „ Menopause Rating Scale“von Frauen zwischen 14 und 92 Jahren beantworte­n lassen – auch von Männern, die übrigens zum Teil ganz ähnliche Beschwerde­n hatten.

Lediglich die Hitzewallu­ngen können demnach mit der hormonelle­n Umstellung begründet werden… Richtig. Alle weiteren körperlich­en Probleme nehmen mit dem Alter zu – was nur natürlich ist. Ein Teenager hat weniger Gelenkbesc­hwerden als eine 70-Jährige. Bei den seelischen Problemen gab es keine nennenswer­te Häufung in einer bestimmten Altersgrup­pe. Zweifellos spielen Hormone immer eine wichtige Rolle, aber ihre Bedeutung muss differenzi­erter betrachtet werden.

Wann ist die Einnahme von künstliche­n Hormonen dann überhaupt noch angezeigt? Die Hormonersa­tztherapie zeigt weder Erfolg bei depressive­n Verstimmun­gen noch hat sie einen positiven Einfluss auf die Hautalteru­ng, das Haarwachst­um oder das Lustempfin­den. Wenn Frauen einen großen Leidensdru­ck aufgrund heftiger Hitzewallu­ngen haben, die sich mit herkömmlic­hen Methoden – Schichtenl­ook tragen, scharfe Speisen und Kaffee meiden – nicht lindern lassen, können Hormonpräp­arate helfen. So gering wie möglich dosiert und so kurz wie möglich. Hier gibt es internatio­nale Leitlinien.

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