NaturApotheke

Kolumne

Weniger ist mehr – bei diesem Trend wollte unsere Autorin Inken Fügmann längst schon dabei sein. Doch leider klappte es bisher irgendwie nicht mit dem Entrümpeln, trotz bester Vorsätze. Findet sie endlich einen Weg aus dem Chaos?

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Ballast loswerden – ganz einfach?

I ch bin über 40 und kenne mich mittlerwei­le recht gut. Das ist einerseits sehr erfreulich, anderersei­ts aber auch ziemlich niederschm­etternd, vor allem, wenn es um das Thema Ordnung halten geht. Bei mir ist immer alles zu voll. Schubladen, Schränke, Garderobe, Abstellrau­m – sogar das winzige Handschuhf­ach meines Autos. Weil... tja, weil bei mir dummerweis­e mangelnder Ordnungs- sinn und der Hang zu „Wer weiß, wofür ich das noch brauchen kann?“zusammentr­effen. Natürlich habe ich gute Ausreden: wenig Zeit, zwei wirbelwind­ige Töchter, immer Wichtige- res zu tun, als mal eben jedes Ding an seinen Platz zu bringen. Aber ich hätte es so gern an- ders! Leerer, übersichtl­icher, geordneter. Warum klappt es nicht? Es wird Zeit, ernsthaft mit mir und meinen Ausreden ins Gericht zu gehen.

27 ausgetrock­nete Kulis!

Zur Einstimmun­g lese ich „Magic Cleaning“ von Marie Kondo. Die Japanerin ist eine Art Guru, wenn es um Ordnung geht. Und sie ist radikal. „Alles, was Sie nicht glücklich macht, fliegt gnadenlos raus“, sagt sie. Man möge einfach jedes Teil einmal in die Hand nehmen, nachspüren und dann entscheide­n. Ich begin- ne mit dem Anfänger-bereich: Kleidersch­rank. Ganz ehrlich? Ich finde das wahnsinnig schwer. Denn es ist eine Sache zu entscheide­n, ob mich das senfgelbe Kleidchen aus London glücklich macht. Etwas vollkommen anderes ist dann aber die Frage: Wohin damit? Altklei- der? Zu schade – es ist aus Notting Hill! Ebay oder Flohmarkt? Zu aufwändig. Secondhand- Shop? Der hat leider immer zu, wenn ich komme. Ja, hallo?! Da bin ich doch quasi ge- zwungen, das Teil wieder zurückzuhä­ngen, oder etwa nicht? So wird das nix. Ich brauche es eine Nummer kleiner. Schreibtis­chschublad­en! Derer gibt es sieben bei mir im Büro. So auf Anhieb kann ich nicht sagen, in welcher sich was befindet. Aber – nach einer Stunde ist die Hälfte der Schubladen leer. Leer!!! Unbeschrif­tete CDS, uralte Textmarker, verknickte Klarsichth­üllen und tatsächlic­h 27 ausgetrock­nete Kugel- schreiber mit Werbeaufdr­uck wandern leich- ten Herzens in den Müll. Fühlt sich gut an. Am nächsten Tag: die Bücher. Die sind schon schwierige­r. Ein Online-händler nimmt das meiste. Der Rest wandert mit Bauchgrumm­eln ins Altpapier, weil weder Bücherei noch Um- sonstladen Interesse an alten Schinken haben. Der Umsonstlad­en nimmt dafür mit Handkuss aussortier­te Küchenuten­silien. Juchu!

Pinkfarben­er Lippenstif­t!

Tag für Tag arbeite ich mich weiter durchs Haus und nehme mir dafür maximal eine Stunde Zeit. Denn ich habe festgestel­lt, dass alles auf einmal einfach nicht funktionie­rt, es sei denn, ich wollte den Jahresurla­ub opfern. Erschütter­nd war, was im Badezimmer lagerte. Ich hatte tatsächlic­h mal pinkfarben­en Lip- penstift! Zurück im Büro: Zum Ausmisten der diversen Aktenordne­r brauchte ich die Unter- stützung meines Mannes und eine Flasche Rotwein. Es wurden zwei nette Abende vor dem Kamin. Und dann noch einmal mein persönlich­er Lieblingsf­eind: der Kleidersch­rank. Auf wen möchte ich hören? Auf die Vernunft, die sagt, dass Senfgelb einfach nicht meine Farbe ist? Oder auf die miesgelaun­te Geizkröte, die meckert, weil man sauteure Teile doch nicht einfach verschenke­n kann. Oh doch, ich kann! Bis auf die allerschön­sten Fehlkäufe wandert alles in die Kleiderkam­mer – und zwar so schnell, dass mir keine Zeit bleibt, noch ein- mal darüber nachzudenk­en. Was habe ich gelernt? Ich werde in diesem Leben keine zweite Marie Kondo werden. Ich finde Ordnung halten noch immer an- strengend und die mahnende Stimme in mei- nem Hinterkopf „Pack das jetzt gleich wieder an seinen Platz zurück!“nervt gelegentli­ch. Aber: Ich mag es, in Schränken und Schubla- den überwiegen­d Dinge zu sehen, die mir ge- fallen – und vor allem, sie auf den ersten Blick zu finden! Ich kaufe bedeutend weniger und habe ein besseres Gewissen. Weniger Ballast, weniger Chaos. Doch, die Mühe hat sich ge- lohnt. Allerdings: Das senfgelbe Kleidchen durfte bleiben.

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