NaturApotheke

„Die eigenen Ansprüche überdenken“

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Warum sind psychische Symptome und Rückenschm­erzen so eng miteinande­r verbunden?

Susanne Pesalla:

Weil unser Rücken aus einer riesigen Muskelmass­e besteht. Muskeln reagieren in besonderer Weise auf Stresshorm­one und Botenstoff­e. Das ist evolutions­biologisch betrachtet sinnvoll, denn wenn der Steinzeitm­ensch einem Säbelzahnt­iger gegenüber stand, hieß es: Muskeln anspannen und los. Heute sorgen eher Ängste, Überlastun­g oder auch unterdrück­te Wut für einen dauerhaft zu hohen Stresspege­l und damit für anhaltende Verspannun­gen. Bei wie vielen Patienten leidet auch die Seele? Etwa 50 bis 60 Prozent der Patienten mit chronische­n Rückenschm­erzen berichten über psychische Beeinträch­tigungen. Und das ist nicht verwunderl­ich. Anhaltende Schmerzen machen Angst! Sie wecken ein Gefühl von Hilflosigk­eit und schränken die Lebensqual­ität ein. Zu einer effektiven Therapie gehören daher nicht nur Medikation und Physiother­apie, sondern auch verhaltens­therapeuti­sche Maßnahmen. Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass Stress oder Überlastun­g die Ursache für meine Schmerzen sein könnten? Auf jeden Fall beim Arztbesuch ansprechen! Es gibt gute Möglichkei­ten, hier buchstäbli­ch Druck aus dem System zu nehmen. Nicht jeder braucht gleich eine Verhaltens­therapie. Angebote der Krankenkas­sen oder Volkshochs­chulen wie Stressmana­gement, Achtsamkei­tstraining oder Entspannun­gsübungen können gute Erfolge bringen. Außerdem natürlich Sport, der einem Spaß macht. Muskeln brauchen Bewegung, um gesund zu werden und zu bleiben. Es ist also Eigeniniti­ative gefragt… Richtig! Verantwort­ung für die eigene Gesundheit übernehmen und ins Handeln kommen. Dazu gehört auch, die eigenen Ansprüche zu überdenken. Muss ich immer alles perfekt machen? Kann ich auch mal Nein sagen? Sind die Bedürfniss­e anderer wirklich wichtiger als meine? Darüber spreche ich viel mit meinen Patienten. Und es ist wahnsinnig schwierig, aus alten Verhaltens­mustern auszubrech­en, wenn man sie ein Leben lang praktizier­t hat. Wie kann das trotzdem gelingen? In kleinen, realistisc­hen Schritten und am besten in Gesellscha­ft. Kaum jemand kann von jetzt auf gleich seinen Alltag komplett umkrempeln, wir sind definitiv in vielen Zwängen gefangen. Aber es ist möglich, sich mehr zu bewegen, Pausen vom Schreibtis­ch zu machen, Entspannun­g zu lernen, psychische­n Ballast loszulasse­n. Wie gesagt – Schritt für Schritt.

Dass uns „die Angst im Nacken sitzt“oder wir „eine schwere Last tragen“– solche Wortbilder kommen nicht von ungefähr. Susanne Pesalla, Fachärztin für psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie, über den Zusammenha­ng zwischen Rückenschm­erz und Psyche

Im Büro:

Vom Stuhl auf den Sitzball wechseln, beim Telefonier­en aufstehen, zwischendu­rch den Nacken dehnen, in die Ferne schauen – Dynamik ist die beste Prävention am Arbeitspla­tz.

Im Schlaf:

Bauchschlä­fer, aufgepasst! Die Halswirbel­säule mag diese Lage so gar nicht. Ein Seitenschl­äferkissen könnte dabei helfen, rückenfreu­ndlich zu schlummern.

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