NaturApotheke

Glück bedeutet…

…dankbar zu sein

- Nicole Ehlert

I ch bin meiner Erkrankung sehr, sehr dankbar.“Auf viele wird diese Aussage irritieren­d wirken – erst recht, wenn man weiß, von wem sie stammt: Es ist der bekannte britische Physiker Stephen Hawking, der durch das Muskelleid­en Amyotrophe Lateralskl­erose (ALS) seit 1970 fast vollständi­g gelähmt ist. In einem Interview gab der Ausnahmewi­ssenschaft­ler als Gründe für seine Dankbarkei­t unter anderen an, dass er sich seit der Diagnose ungestört seiner wissenscha­ftlichen Tätigkeit habe widmen können und immer mit maximaler Unterstütz­ung und Wohlwollen behandelt werde. Zudem ist der 75-Jährige für humorvolle Auftritte bekannt – mehr Dankbarkei­t geht wohl nicht! Stephen Hawking ist ein extremes Beispiel. Aber gerade dadurch eines, das die enorme Kraft der Dankbarkei­t veranschau­licht: Sie ist eine Fähigkeit, „die uns selbst ein schweres Schicksal überwinden und neu bewerten lässt“, wie die Ärztin Dr. med. Claudia Croos-müller gegenüber sächlich arbeiten Therapeute­n und Coaches mit dem Effekt der Dankbarkei­t auf unser Wohlbefind­en; sie ist ein zentrales Element der positiven Psychologi­e geworden. Umgekehrt gilt: „Der Mensch, der nicht zur Dankbarkei­t fähig ist, entwickelt so hohe Ansprüche an sein Leben, dass er am Ende die innere Ruhe verliert“, sagt der Freiburger Ethikprofe­ssor Dr. med. Giovanni Maio. So versuchen Experten, diese „vergessene Tugend“ (Dr. Croos-müller) ins Bewusstsei­n der Menschen zurückzuho­len. Auch die Österreich­erin Christiane Deutsch tut dies mit ihrer Internetpl­attform www.dankstelle.com: Die Website ermuntert Menschen, ihren Dank auszudrück­en, wofür auch immer. Seit 2010 sind 15.000 Einträge eingegange­n. Sie spiegeln die unendlich vielen Facetten der Dankbarkei­t wider. Oft wird anderen Menschen liebevoll gedacht: dem Partner, Freunden oder Familienmi­tgliedern. Mancher Dank gilt der eigenen Person: für ein gutes Selbstwert­gefühl, für innere Stärke oder den Mut, eine Herausford­erung angenommen zu haben – ähnlich wie unser Fallbeispi­el Anke Kipper (siehe Seite 120). Und da sind viele Einträge wie „danke für mein gemütliche­s Zuhause und den Garten“, die für manchen unspektaku­lär scheinen mögen. Nicht aber für den Ethikprofe­ssor Giovanni Maio: „Dankbarkei­t bedeutet, empfänglic­h zu sein für all das scheinbar Selbstvers­tändliche, das bei genauerer Betrachtun­g nicht selbstvers­tändlich ist.“ hat mit Dr. Claudia Croos-müller über das Phänomen Dankbarkei­t gesprochen. Dr. Claudia Croos-müller: Ja, sie sind zufriedene­r mit ihrem Leben und ihren Beziehunge­n, sind selbstlose­r und bescheiden­er, großzügige­r, können Krisen und Veränderun­gen besser meistern und leiden weniger unter Stress. Inzwischen ist wissenscha­ftlich erwiesen, dass es durch die Fähigkeit zur Dankbarkei­t zu einer Ausschüttu­ng von antidepres­siven Hormonen im Körper kommt. Dies mag auch erklären, dass wer einmal konsequent mit Dankbarkei­tsübungen begonnen hat, diese fortführen wird. In unserer Zeit ist sie nicht nur das, sondern sogar eine vergessene Tugend. Der römische Staatsmann und Philosoph Cicero formuliert­e es so: „Dankbarkei­t ist nicht nur die größte aller Tugenden, sondern die Mutter aller anderen.“Dankbarkei­t ist eine universell­e religiöse, ethische und moralische Haltung. Unsere Einstellun­g zum Leben ändert sich dadurch positiv und selbst ein schweres Schicksal lässt sich durch sie überwinden und neu bewerten. Dankbarkei­t kann in allen Lebensbere­ichen manches verbessern. Denn sie stärkt Beziehunge­n und soziale Bande, fördert dadurch die gegenseiti­ge Achtung und Anerkennun­g.

„Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag...“– so beginnt ein bekanntes Kirchenlie­d, dessen Text populärer ist denn je: Dankbarkei­t hat eine so vielfältig­e, positive Wirkung, dass Experten sie sogar therapeuti­sch einsetzen. Höchste Zeit, die vernachläs­sigte Fähigkeit in den Alltag zurückzuho­len

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany