NaturApotheke

Mitfühlend­e Medizin

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Ich bin ein Mensch, ich bin kein Fall“– mit

diesen aufrütteln­den Worten sorgt gerade die amerikanis­che Notfallmed­izinerin Dr. Rana Awdish für eine überfällig­e Debatte. Wo bleibt der Mensch in der Medizin? Eine Stunde im Wartezimme­r ausharren und dann nach fünf Minuten das Sprechzimm­er mit einem Rezept verlassen. So sieht der Alltag in vielen Arztpraxen aus. Und in Krankenhäu­sern ist es nicht besser. Neben Pflegenots­tand und gehetzten Medizinern bemängelt Awdish vor allem eines: Ihr fehlt es an Empathie, an Mitgefühl. Tatsächlic­h zeigen Studien deutlich, dass Therapeute­n nicht nur Arzneimitt­el verabreich­en – sie spielen selbst eine wichtige Rolle im Genesungsp­rozess. Dann nämlich, wenn sie neben Fachkenntn­is und Sachversta­nd auch zeigen, dass sie ihre Patienten wertschätz­en.

7,6 Minuten pro Patient

Statistisc­h gesehen kann sich ein Hausarzt in Deutschlan­d 7,6 Minuten Zeit pro Patient nehmen. Im internatio­nalen Vergleich mit rund 70 Ländern liegen wir damit gerade so im Mittelfeld. Weit vor uns: Schweden (22,5 Minuten), USA (20), Russland (17,2), Litauen (15). Dass diese Entwicklun­g nicht gesund sein kann, liegt auf der Hand. Unter Zeitdruck kommt es nicht nur häufiger zu Fehlern, es bleibt etwas Wichtiges auf der Strecke: die Menschlich­keit. Auf Station 4, Zimmer 2 liegt eben nicht das Knie von Frau Meier, sondern Frau Meier selbst mit ihren Schmerzen, ihrer Angst und ihren Fragen, wie es weitergehe­n soll. Gestresste Mediziner, aber vor allem deren große Überforder­ung, erlebte Dr. Rana Awdish am eigenen Leib. Sie schwebte zwischen Leben und Tod, als sie in die Detroiter Klinik eingewiese­n wurde, in der sie normalerwe­ise arbeitete. Awdish hörte, wie die Kollegen ratlos und nüchtern über ihren Fall sprachen, während sie selbst geschwächt, verängstig­t und geschockt nach einer NOT-OP mit anschließe­nder Fehlgeburt auf der Intensivst­ation lag. In ihrem Buch „In Shock“hält sie ein leidenscha­ftliches Plädoyer für die empathisch­e Medizin (ab Oktober auf Deutsch, Knaur Verlag).

Geteiltes Leid ist halbes Leid – an dieser alten Weisheit ist mehr dran, als man denkt. Denn oft sind es nicht nur Medikament­e und Apparate, die Patienten dabei helfen, schneller gesund zu werden. Es sind auch in einem hohen Maß mitfühlend­e Therapeute­n, die sich Zeit nehmen, einfühlsam sind, Mut machen

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