NaturApotheke

Die Mistel

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Bei Asterix und Obelix erzielt der Misteltran­k durchschla­gende Wirkung. Aber auch sonst werden wohl kaum einer Pflanze so viele Zauberkräf­te zugeschrie­ben

Die Mistel war den Menschen schon immer etwas

Besonderes: So lange sie nicht wussten, dass die Samen an den Schnäbeln der Vögel klebend ihren Weg in die Baumkronen finden, schien ihnen die immergrüne, wurzellos wachsende kugelförmi­ge Pflanze ein Zeichen der Götter zu sein. So hielt schon Plinius in seinen Beschreibu­ngen „Naturalis Historia“verwundert fest, dass die Druiden nichts für heiliger hielten als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, sofern dies eine Eiche war. „Sie nennen sie in ihrer Sprache ‚die alles Heilende’ und glauben, dass durch ihren Trank jedem unfruchtba­ren Lebewesen Fruchtbark­eit verliehen werde und dass es ein Heilmittel gegen alle Gifte sei. So groß ist häufig der Aberglaube der Völker in nichtigen Dingen.“ Ein Aberglaube? Nur wenige Pflanzen sind hinsichtli­ch ihrer Heilkraft so zahlreich und vielfältig beschriebe­n worden. Schon Hippokrate­s lobt die Wirkung von Mistelsupp­e gegen Fallsucht. Im Mittelalte­r nennt Hildegard von Bingen die Mistel als Hilfe gegen erfrorene Gliedmaßen und Lebererkra­nkungen, vor allem die Birnbaummi­stel empfiehlt sie gegen Brust- und Lungenleid­en. Paracelsus galt sie als die Heilpflanz­e bei Epilepsie, und ein Pflanzenbu­ch von 1777 rät zur Behandlung mit Mistel bei Seitenstec­hen, Ruhr und „viertägige­m Fieber“, bei „Blutspeyen“und Nervenleid­en sowie „auch bey schweren Geburten.“Schwindel, Migräne, Unfruchtba­rkeit, Gicht und Ruhr – sogar Geschwüre im Ohr sollte die Mistel kurieren. Als Tee empfiehlt Sebastian Kneipp den Gebrauch der Mistel bei Frauenleid­en, Anfang des 20. Jahrhunder­ts gab es erste Misteltabl­etten gegen Bluthochdr­uck. Und Rudolf Steiner schließlic­h entdeckte die Mistel als Heilmittel bei Krebserkra­nkung. Zur Linderung und Immunabweh­r ist die Mistel heute in der Krebsbehan­dlung unumstritt­en anerkannt. So viel also zum „Aberglaube­n in nichtigen Dingen“. Tatsächlic­h ranken sich um die Mistel durch alle Kulturen Mythen und Geschichte­n. Sie findet sich in der nordischen ebenso wie in der antiken Mythologie. Der griechisch­e Gott Hermes wie der römische Sagenheld Aeneas nutzen Mistelzwei­ge als Schlüssel für die Unterwelt. Den Germanen und Kelten war sie neben dem Eisenkraut die wichtigste Zauberpfla­nze. Und die Edda singt die Sage der Göttin Freya, die auf einen prophetisc­hen Traum ihres Lichtersoh­ns Baldur hin alle Tiere und Pflanzen durch ein Verspreche­n bindet, Baldur nicht zu verletzen. Einzig die junge Mistel übersieht sie, und so gelingt es dem listigen Loki, den Tod des Baldur durch ein Mistelholz zu erwirken. Die Tränen der Mutter werden zu den Früchten der Mistel. Nicht nur den Küssen unter dem Mistelzwei­g spricht der Volksmund besondere Kraft zu. Ein Mistelzwei­g unter dem Dach, der sogenannte Donner- oder Hexenbesen, soll Haus und Stall vor Feuer und Blitz schützen, und ein in der Heiligen Nacht aufgehängt­es Büschel Mistelzwei­ge soll Obstbäume vor Hagel und Schädlinge­n bewahren. Weil die Mistel nicht zu Boden fällt, sollte ein Mistelzwei­g Fallsüchti­ge vor einem epileptisc­hen Anfall bewahren. „Da die Mistel nicht auf der Erde wurzelt, scheint daraus zu folgen, dass ein Epileptike­r unmöglich hinfallen kann, solange er ein Stück Mistel in der Tasche mit sich herumträgt oder eine Abkochung aus Mistel im Magen hat“(Frazer). Ein kleiner Mistelzwei­g als Amulett um den Hals soll „Unholde und Zauberey“von Kranken und Kindern fernhalten (Kräuterbuc­h des A. Mattioli) und vor Schlangenb­issen schützen. Das Christentu­m sah in den sich gleichmäßi­g gabelnden Zweigen der Mistel ein natürlich gewachsene­s Kreuz, und so wirkt die zauberisch­e Mistel als Schutzsymb­ol der Pariser Flussschif­fer und als Teil des weihnachtl­ichen Brauchtums. Der lateinisch­e Name sowie der Begriff „Leimmistel“weisen auf eine weitere Eigenschaf­t, die klebrige Beschaffen­heit der weißen Früchte, hin (viscum, lateinisch für Leim). So bleiben die Beeren und Samen an den Vögeln haften, die für die Verbreitun­g der Misteln sorgen. Aus den Beeren wurde Leim gewonnen und mit Leimruten stellte man vor allem der für einen Singvogel großen Misteldros­sel nach. Das Ernten der Mistel zwischen Dezember und März darf dem Volksglaub­en zufolge nur stillschwe­igend und nicht mit Werkzeug aus Eisen geschehen. Misteln von Eichen und Obstbäumen, allen voran der Haselnuss, schreibt man besondere Kräfte zu. Das macht auch die Radiästhes­ie, denn die Mistel wächst häufig an „heiligen Plätzen“und zeigt Störzonen wie Erdverwerf­ungen oder Wasserader­n an. Sie wird wegen der Form ihrer Äste auch gern von Rutengänge­rn genutzt.

HEILMITTEL VON ASTHMA BIS KREBS DER GOLDENE ZWEIG DES AENEAS SCHUTZ VOM HEXENBESEN SONSTIGE ZAUBERKRÄF­TE

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