Die Quitte – EINE ( FAST) VERGESSENE FRUCHT
Bis in die 1960er Jahre war die Quitte noch recht populär. Danach geriet sie in Vergessenheit. Inzwischen erlebt sie ein Comeback und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Zurecht, finden wir
Geht es um Quitten, huscht mir sogleich ein Lächeln
übers Gesicht, denn Quitten erinnern mich an meine Kindheit. Diese haarigen, harten, rundbauchigen Gesellen, die in mehrfacher Hinsicht so eigenwillig sind: schwer zu schneiden, mühsam zu entsaften, und wie lange das immer dauerte! Doch Herbst um Herbst wurde aller Unbill getrotzt, der große Topf zum Entsaften in der Küche aufgestellt, geduldig wurden die Früchte aus dem Garten abgerieben, geputzt, geschnitten, gekocht und passiert – die Prozedur schien ewig zu dauern –, aber dann standen sie da: die Flaschen mit dem goldenen, wunderbar aromatischen Saft, der herrlich als Schorle schmeckte oder zu feinem Quittengelee weiterverarbeitet wurde. Die Quitte (Cydonia oblonga) gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Seit viertausend Jahren wird sie als Obstbaum oder -strauch angepflanzt. „Quitte“, Althochdeutsch „qitina“oder „kutinna“, geht auf das lateinische „(malum) cydonium“(Quittenapfel oder Kydonischer Apfel) respektive das griechische „(melon) kydónion“zurück. Urprünglich war die wärmeliebende Quitte südlich des Kaukasus beheimatet. Von dort gelangte sie in die Türkei, den Iran, nach Turkmenistan, Syrien und Afghanistan. In Griechenland werden Quitten seit 600 vor Christus kultiviert, bei den Römern seit 200 v. Chr. Über Nordafrika erreichte die Quitte Portugal, wo sie bei der Namensgebung unserer Marmelade mitwirkte – das portugiesische Wort für Quitte heißt Marmelo. In Mitteleuropa finden sich erste Zeugnisse ihres Anbaus seit dem neunten Jahrhundert. Heute gibt es Quittenbäume auf allen fünf Kontinenten. Sie bevorzugen sonnige, luftige Standorte, wichtig ist stets ausreichender Abstand zu den Nachbarbäumen. Die Blütezeit beginnt später als die von Äpfeln und Birnen im Mai/juni. Ihre intensiv duftenden Blütenblätter sind weiß oder rosafarben und locken viele Bienen an. In ihrer Wildform werden sie nur wenige Zentimeter groß, kultiviert deutlich größer. Der pelzige Flaum schützt sie vor Sonnenstrahlung und Verdunstung. Entfernt man ihn, zeigt die Schale oft einen seidigen, leicht öligen Glanz, was von über 150 flüchtigen Verbindungen herrührt, die den Früchten diesen feinen Duft verleihen. Übrigens sollen Motten den Geruch von Quitten gar nicht mögen, weshalb manche Leute eine duftende Quitte zwischen die Wäschestücke legen. Hierzulande werden die Quitten spät im Herbst reif. Ihre goldgelbe Färbung verdankt die Quitte insbesondere dem Flavon Quercetin. Die Farbe des Fruchtfleisches reicht von Weiß bis zu Dunkelgelb, es kann sowohl saftig als auch trocken sein. Kühl und luftig gelagert, sind die Früchte bis zu einem halben Jahr haltbar. Wegen ihres starken Aromas empfiehlt es sich allerdings, Quitten getrennt von anderen Obstsorten aufzubewahren. Wie viele Sorten und Typen es tatsächlich gibt, wurde bislang noch nicht erfasst. Bei den Quitten findet sich eine erstaunliche Vielfalt an Fruchtformen, sodass die landläufige Aufteilung in Apfel- und Birnenquitten letztlich lediglich einen Teil der existierenden Sorten umfasst. Bisherige Schätzungen variieren von 200 bis 1000. Zudem gibt es Sorten, die sowohl apfel- als auch birnenförmige und eben einfach quittenförmige Früchte aufweisen. Apfelquitten gelten als aromatischer, sind wegen des härteren Fruchtfleisches aber schwieriger zu verarbeiten, Birnenquitten sind weicher und oft milder im Aroma. Zu den altbekannten Sorten zählen Quitten mit so wohlklingenden Namen wie Bereczki, Bourgeaut, Cydora, Konstantinopler, Riesenquitte von Leskovacz, Portugieser, Radonia, Rea’s Mammoth, Ronda und Wudonia. Aus Gärten und Grünanlagen sind auch die Zierquitten ( Japanische Quitten, Chaenomeles japonica) bekannt. Allerdings dürfte wohl den wenigsten bekannt sein, dass sich die Früchte dieser Sträucher ebenfalls verwenden lassen, um Saft zu gewinnen, Gelee zu kochen und Quittenbrot herzustellen. Zum Einmachen oder für Kompotte sind die Früchte der Zierquitten jedoch ungeeignet.
SCHUTZ DURCH PELZIGEN FLAUM QUITTENSORTEN
Nicht zuletzt wegen ihrer goldenen Farbe, dem stimmungsaufhellenden, intensiven Duft und ihrer üppigen, runden Form galten Quitten seit altersher als Symbol für Liebe, Glück, Fruchtbarkeit, Freude und Unvergänglichkeit. In der Mythologie findet sich die Quitte denn auch immer wieder in diesem Zusammenhang. So bewachte der Drache Ladon den Garten der Hesperiden, wo sich der Baum mit den goldenen Früchten befand, die ewige Jugend verliehen, und die Liebesgöttin Aphrodite hielt schließlich als Schönste im Göttinnenstreit eine Quitte in Händen. Im alten Rom stellte man Quitten in die Empfangsräume, damit die Gäste durch ihren Duft erfrischt wurden, und Brautpaare trugen Quittenkerne bei sich, um eine glückliche Ehe zu haben. So mancher Herrscher ließ einem anderen Fürsten Quitten als Gastgeschenk überbringen, um ihn wohlgesonnen zu stimmen. Bis ins 18. Jahrhundert herrschte der Glaube, dass das Verzehren von Quitten für schöne, kluge, geschickte und fleißige Kinder sorgen würde. Im England der viktorianischen Zeit schenkte ein Herr, der ernste Absichten hegte, der Dame seines Herzens eine Quitte oder Quittenkonfekt. Letzterem war übrigens auch Johann Wolfgang von Goethe sehr zugetan. Heute noch ist die Quitte fester Bestandteil der Hochzeitstafeln in südlichen und südosteuropäischen Ländern. Menschen aus diesen Ländern, die hier leben und arbeiten, haben dafür gesorgt, dass die Quitte auch bei uns wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erwachte. Die Quittensorten, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz beheimatet sind, eignen sich nicht für den Rohverzehr, weil sie hart und bitter sind. Es gibt jedoch auch Sorten wie beispielsweise die in der Türkei angepflanzte Shirin-quitte, die man roh essen kann. Bei den mitteleuropäischen Sorten muss vor der Verarbeitung der Früchte zunächst immer der bitterstoffreiche Flaum oder Pelz mithilfe eines rauen Tuchs entfernt werden. Die Quittenklassiker sind aus dem Saft hergestelltes Quittengelee und Quittenbrot. Während letzteres bei uns heutzutage eher selten geworden ist, erfreut es sich in Spanien und Portugal als Dulce de Membrillo, etwa zusammen mit Ziegenkäse, nach wie vor großer Beliebtheit. Vor allem morgens verzehrt, soll es magenstärkend sowie verdauungs- und appetitanregend wirken. Es gibt natürlich eine Unmenge an Kochrezepten mit Quitten – in Griechenland, der Türkei oder Marokko etwa werden sie geschält und in Stücke geschnitten wie Kartoffeln mit dem Bratenfleisch im Topf geschmort. Einfach köstlich! Dieser Ausspruch geht auf Hieronymus Bock (1534) zurück, doch schon seit der Antike wusste man um die heilenden Kräfte der Quitte. Zu Heilzwecken wurden neben der ganzen Frucht auch Blätter, Blüten, Samen und Holz verarbeitet. Aus dem vierten Jahrhundert vor Christus stammt eine Aufzeichnung von Hippokrates von Kos, die den Schleim, den Quittenkerne absondern, als Heilmittel gegen Husten und Halsentzündungen empfiehlt, da die Schleimstoffe den Schmerz lindern und die Gerbstoffe (Tannine) die Schleimhaut stärken. In der Volksheilkunde wird darauf hingewiesen, die Samen nur unzerkleinert zu sich zu nehmen, da sonst Blausäure aus Amygdalin frei werde. Da es sich dabei um Glykosid-amygdalin handle, seien jedoch bei maßvollem Verzehr keine negativen Auswirkungen zu befürchten. Auch bei Zedler (18. Jahrhundert) findet sich eine Anleitung zur Herstellung eines Schleims aus Quittenkernen, der Hustenreiz lindern und mild abführend wirken soll. Die Quittenkerne zuerst waschen, anschließend zum Trocknen auf Pergamentpapier ausbreiten. Über den Tag verteilt jeweils einige Kerne lutschen. Getrocknete Fruchtstücke sind ebenfalls eine Empfehlung bei Halsschmerzen und gegen Husten. In Wasser einge
QUITTEN IN MYTHOLOGIE UND KULTUR NUTZUNG ALS LEBENSMITTEL EINE APOTHEKE FÜR ARME LEUTE BEI HALSWEH UND HUSTEN: QUITTENKERNE GETROCKNETE FRUCHTSTÜCKE
weicht zum Essen oder Lutschen eignen sie sich als reines Naturprodukt auch für die kleinen Lieblinge. Der Saft der ganzen Früchte soll durch Schleim und Gerbstoffe bei leichten Entzündungen im Mund- und Rachenraum sowie bei Verdauungsstörungen und Blähungen helfen. Bei Frauenleiden, Schlafstörungen, Rheuma, Magenbeschwerden und Haarausfall wurde er auch verwendet. Legen Sie dazu die getrockneten Früchte so lange in frischem Wasser ein, bis dieses schleimig ist. Im Anschluss daran die Quitten bitte entfernen. Das Quittenwasser soll unverdünnt angewendet werden. Bei entzündetem Hals mehrmals täglich damit gurgeln. Ein Destillat aus frischen Quitten wird unter anderem bei Kopfschmerzen empfohlen. Zu diesem Zweck tränkt man einfach ein Tuch darin und legt es danach auf die Stirn. Die Naturheilkunde kennt darüber hinaus die Anwendung von Quittenöl bei übermäßigen Schweißausbrüchen, da dieses angenehm kühlend wirkt. Als zusätzliche Einsatzbereiche für das Quittenöl werden überdies Magen, Leber und Nerven empfohlen.
VIELSEITIG EINSETZBAR: QUITTENSAFT GURGELWASSER GEGEN HALSSCHMERZ FÜR DIE SINNE: QUITTENHYDROLAT