Zwiebel – DIE POWERKNOLLE
Auch wenn nicht jeder ihren scharfen Geschmack mag, die Zwiebel heilt, stärkt und schützt schon seit alters her
Tutanchamun war ein Zwiebelfan! Nun ja, mit Sicher
heit wissen wir das nicht. Bestätigt ist nur, dass in seinem Grab Zwiebelreste gefunden wurden. Denn die alten Ägypter glaubten, dass die Zwiebel Tote wieder zum Leben erwecken könne. Auf jeden Fall galt die Zwiebel als Synonym für Vitalität und Stärke. Beim Bau der ägyptischen Pyramiden wurden die Arbeiter mit Zwiebeln versorgt, um sie für die Schwerstarbeit fit zu machen. Und römische Gladiatoren sollen sich mit dem Saft der Zwiebel eingerieben haben, um ihre Muskeln zu stählen. In China soll sie schon vor mehr als 5000 Jahren angebaut worden sein und sogar in einem altbabylonischen Tontafel-kochbuch hat sie ihre Spuren hinterlassen. Kein Wunder, denn die Powerknolle ließ und lässt sich vielseitig verwenden und gut lagern. Zudem verleiht ihre leichte Schärfe Speisen das gewisse Etwas. Und das hat sich bis heute kaum geändert. Zwiebeln gehören weltweit zu den beliebtesten Gemüsesorten. Jeder Deutsche verzehrt etwa sieben Kilogramm Zwiebeln pro Jahr. Botanisch gesehen gehört sie zu den essbaren Liliengewächsen, den Alliaceae. Durch sorgfältige Auslese haben sich im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Arten entwickelt, die sich vor allem durch die Form und Farbe ihrer Knollen sowie durch ihre Größe unterscheiden. Was für uns eine Zwiebel ausmacht, ist aber eigentlich nur der Teil, der unter der Erde wächst. An der zu einer Scheibe verkürzten Sprossachse – auch als Zwiebelkuchen oder Zwiebelscheibe bezeichnet – setzen verdickte, fleischige Schuppenblätter, die sogenannten Zwiebelschuppen, an, die der Speicherung dienen. Wir kennen sie als Zwiebelschalen. Die Landwirtschaft säht ab Februar Zwiebelsamen aus oder steckt vorgezogene Steckzwiebeln ab März/april in die aufgelockerte Erde. Dabei bevorzugt die Zwiebel humosen lockeren Boden. Im ersten Jahr bilden sich nur Blätter, die im Herbst wieder absterben. Die Zwiebel zieht sich in den Boden zurück. Sie überwintert im Boden und treibt im Frühjahr erneut aus. Jetzt – im zweiten Jahr – bildet sie ihre Blüte aus: ein kugelförmiges Gebilde auf einem blattlosen, bis zu 80 Zentimeter langen Spross. Geerntet wird im Spätsommer. Wird die Zwiebel nicht geerntet, erscheinen ihre oberirdischen Organe als Pflanze auch im dritten Jahr wieder. Heute zählt die Zwiebel zum Powerfood. Im Mittelalter dagegen galt sie nicht unbedingt als großer Heilbringer. So schreibt Hildegard von Bingen in ihrem berühmten Werk „Physica“, in dem sie die Pflanzenwelt ihrer Zeit beschreibt: „Die Zwiebel hat keine rechte Wärme, sondern aggressive Feuchtigkeit. Sie ist roh gegessen ebenso giftig und schädlich wie der Saft unnützer Kräuter. Gekocht ist sie gesund zu essen, weil durch das Feuer die Schadstoffe in ihr vermindert sind.“Aufgrund ihrer Feuchtigkeit empfiehlt Hildegard von Bingen die Zwiebel daher nur bei Fieber und bei Gicht. Erst Paracelsus hebt die Zwiebel im 16. Jahrhundert auf ein Podest. Er hat den Satz geprägt: „Eine Zwiebel ist so viel wert wie eine ganze Apotheke.“Und die moderne Forschung hat seine Einschätzung inzwischen bestätigt. Die Zwiebel enthält nämlich schwefelhaltige Aminosäuren, darunter das Alliin, das uns so schön zum Weinen bringt, wenn wir eine Zwiebel schneiden. Beim Schneiden kommt das nicht flüchtige Alliin nämlich mit dem Enzym Alliinase in Kontakt, und es entsteht das lauchartig riechende, flüchtige Allicin, das so gern in den Augen beißt. Genau diese Schwefelverbindung wirkt antibakteriell und wird daher auch bei Erkältungskrankheiten in Form von Zwiebelsirup und bei Ohrenschmerzen als Zwiebelsäckchen eingesetzt. Bei festsitzendem Schleim in der Brust hat sich ein Brustwickel bewährt. Dazu die feingehackten Zwiebeln in einem umgedrehten Kochtopfdeckel über einem Wasserdampfbad auf 40 Grad erwärmen, in eine Mullbinde geben und eine halbe bis eine Stunde auf der Brust wirken lassen. Zwiebeln wirken außerdem antiasthmatisch. Man müsste allerdings schon 400 ml Zwiebelsaft pro Tag trinken, um die Dosis zu erreichen, die die Bronchialmuskulatur entspannt. Die schwefelhaltigen Wirkstoffe schützen zudem die Zellwände. Sie senken Blutdruck und Cholesterin und wirken so Gefäßverkalkung, Herzinfarkt oder Schlaganfall entgegen. Unterstützt wird die Wirkung noch durch das in den Zwiebeln enthaltene Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen und Vitamin C. Chinesische Forscher haben nachgewiesen, dass Zwiebelsaft mit viel Quercetin das Cholesterin senkt. Durch die Einnahme des Zwiebelsafts konnte sowohl das Ldl-cholesterin als auch das Gesamtcholesterin im Blut stark gesenkt werden. Das Diphenylamin aus der Zwiebel wirkt überdies stark blutzuckersenkend. Eine finnische Studie über 26 Jahre lässt vermuten, dass der tägliche Verzehr von fünf Gramm Zwiebeln zusammen mit einem Apfel bei Frauen tödliche Herzkrankheiten signifikant verringert. Gleichzeitig hemmen die Schwefelverbindungen die Blutgerinnung, sodass Zwiebeln ebenfalls Thrombosen vorbeugen können.
ALLE ZWEI JAHRE WIEDER HILDEGARD VON BINGEN: DIE ZWIEBEL HAT KEINE RECHTE WÄRME GEGEN HOHEN CHOLESTERINSPIEGEL UND HERZINFARKT
Obwohl die Zwiebel ein Speicherorgan ist, enthält die Knolle keine Kohlenhydrate, sondern Inulin. Inulin wird zusammengebaut aus Fruktanen. Und die wiederum setzen sich fast ausschließlich aus Fruchtzucker, also Fructose zusammen. Wird es im Boden zu trocken, sorgen die Fruktane dafür, dass die Zwiebel nicht vertrocknet. Hildegard von Bingen hat die Zwiebel genau aus diesem Grund den feuchten Pflanzen zugeordnet. Forscher der University of Oslo vermuten nun, dass genau diese Fruktane der eigentliche Verursacher von Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) sind. Definitiv sind sie in Form der rohen Zwiebel nur schwer bekömmlich, weil sie im Dünndarm schlecht resorbiert werden. Empfindliche Mägen reagieren mit Blähungen und Bauchschmerzen. Nur wer Fruktane gut verdauen kann, den kann die Zwiebel gegen Influenza-a-viren, also gegen die Grippe, schützen. In der Küche nimmt die würzige Zwiebel eine Spitzenstellung ein. Dabei spielt sie selten die Hauptrolle, sondern dient meist als Würzgrundlage, um Gerichten ein wenig feine Schärfe einzuhauchen. Und davon profitieren Gemüsegerichte, Eintöpfe und Suppen oder Risottos genauso wie Saucen, Salate oder Brotaufstriche. Während die gelben Zwiebeln besonders scharf schmecken, eignen sich die milden roten Zwiebeln auch sehr gut für Salate. In vielen südlichen Ländern wird die Zwiebel süß glasiert gedünstet. Zwiebelsaft macht Fleisch besonders zart. Vor allem auf dem Balkan, im Mittelmeerraum und im Nahen Osten wird Fleisch über Nacht in einer Zwiebelsaft-öl-gewürzmischung eingelegt. Die besondere Chemie der Zwiebel bricht die steifen Fleischfasern auf und macht sie geschmeidig. Probieren Sie es aus – vor allem vor der nächsten Grillparty lohnt sich dieses Experiment. In Deutschland wird der Spießbraten klassisch über Nacht mit Zwiebeln einbalsamiert. Was Fleisch zart macht, funktioniert übrigens auch bei Narben. Wer eine Narbe nach einer Operation regelmäßig mit einer Zwiebelextrakt-salbe einreibt, hat gute Chancen, dass die Narbe kaum sichtbar sein wird. Denn die Wirkstoffe der Zwiebel wirken kühlend und damit abschwellend, antibakteriell und entzündungshemmend. Selbst Schulmediziner nutzen den Zwiebelextrakt. Neun Wochen nach einer Operation wird empfohlen, die Salbe zweimal täglich in die Narbenregion einzumassieren. Zwiebeln können auch beim Abnehmen helfen. Zum einen weil sie mit 28 Kilokalorien pro 100 Gramm kaum Kalorien haben. Und zum anderen weil ihre Inhaltsstoffe den Aufbau von Cystein ermöglichen. Cystein ist einer der Bestandteile für Taurin. Und dieser Stoff sorgt dafür, dass in der Hirnanhangsdrüse bestimmte Hormone ausgeschüttet werden, die den Fettabbau beflügeln. Von der ägyptischen Knolle als Grabbeigabe über die aggressive Feuchtigkeit bei Hildegard von Bingen bis zum modernen Fatburner hat die Zwiebel eine lange Reise gemacht. Man könnte fast sagen, die Zwiebel bewirkt mit jeder ihrer sieben Schichten eine andere Wohltat im Körper. Sie heilt, sie stärkt, sie schützt. Sie schmeckt süß wie würzig, roh wie gekocht und ist auch noch günstig. Nur Tote ins Leben zurückholen, das schafft auch die Zwiebel nicht.
FRUKTANE– FLUCH UND SEGEN DIE ZWIEBEL IN DER KÜCHE ZWIEBEL ALS FATBURNER DIE ZWIEBELKRISE
St. Leonhardsquelle Mondquelle
Einer irischen Legende nach blieben dem Nichtsnutz
Jack O’lantern nach seinem Tod Himmel und Hölle verwehrt, sodass er auf ewig zwischen den Welten wandern muss. Aus Mitleid erhielt er vom Teufel ein Stückchen Kohle für seinen dunklen Weg, das er in eine ausgehöhlte Rübe steckte und fortan als Lampe mit sich trug. Tatsächlich war es in vielen europäischen Regionen lange Brauch, zu Allerheiligen aus Steckrüben wilde Gesichter zu schnitzen – als Schutz gegen böse Geister. Irische Einwanderer brachten den Brauch mit in die Neue Welt, schnitzten ihre Schutzgeister mangels Steckrüben jedoch aus Kürbissen. Heute hat der Kürbis die Steckrübe längst verdrängt: aus der Halloween-tradition und als Wintergemüse. Dabei war die Steckrübe lange eines der wichtigsten deutschen Wintergemüse. Sie wird ab September geerntet und ist mit ihrem hohen Gehalt an Traubenzucker ein ausgezeichneter Energielieferant. Dazu versorgt sie uns in der kalten Jahreszeit, in der frisches heimisches Obst und Gemüse knapp sind, mit den Mineralstoffen Kalzium, Magnesium und Kalium sowie mit den Vitaminen B1, B2 und C. Es gibt sie klein und rund oder kürbisgroß, von weißlich über gelb bis dunkelrosa, abhängig von der Sorte und der Menge an Beta-karotin in der Rübe. Während die weißen Sorten überwiegend als Tierfutter angebaut werden, eignen sich die aromatischen gelben Sorten hervorragend für Eintopfgerichte, Suppen und Püree – gerne auch mit Schwarzwurzeln.
Viele Deutsche verdankten ihr Überleben in den furchtbaren Hungerwintern nach dem Zweiten Weltkrieg der Steckrübe – und vergaßen das lebensrettende Gemüse in den Wohlstandsjahren prompt. Zu eng war die Erinnerung an die schlimme Zeit mit der Rübe verknüpft. Erst langsam erobert sich das Gemüse den Platz in unserer Speisekammer zurück. So wunderbare Sorten wie die Pommersche Kannenwrucke oder der Gelbe Apfel bleiben wohl mit dem Großteil der einstmals angebauten Vielfalt verloren, das heutige Angebot beschränkt sich auf einige wenige überlebende Sorten wie die Wilhelmsburger. Die Steckrübe ist kalorienarm und gekocht als Suppe oder Brei heilsam bei Magen-darm-erkrankungen. Je kleiner und praller die Rüben sind, desto feiner schmecken sie auch als Rohkost und ergeben einen vitaminreichen Wintersalat. Der Saft der ausgekochten Steckrübe soll sowohl bei Erkältungen helfen als auch bei Gelenkschmerzen. Da die Steckrübe ein stark basenhaltiges Gemüse ist, eignet sie sich als Schonkost, vor allem für jene, die häufig unter Sodbrennen leiden. Ob des hohen Zuckergehalts schmeckt Steckrübenbrei auch schon den Kleinsten, die der hohe Gehalt an Beta-karotin zusätzlich gegen Infektionen stärkt.
ALS SCHONKOST UND BABYNAHRUNG