ALTES LOSLASSEN
In ein paar Tagen ist Silvester. Wie schnell das Jahr ver
gangen ist! Für so vieles bleibt kaum Zeit und Raum. Das gilt erst recht für das unangenehme Thema der Altlasten, die sich während des Jahres angesammelt haben oder manchmal seit Jahren mitgeschleppt werden. Ob Situationen, die wir schlimm fanden und den Kontakt danach abbrachen, folgenreiche Missverständnisse, die sich nicht aufklären ließen, Unterlagen von Ausbildungen, in die wir ewig nicht hineingesehen haben, Kleidungsstücke, die wir Jahr um Jahr aufbewahren, ohne sie anzuziehen, die alte DVDSammlung, an der man immer noch so hängt und und ... Irgendwann vielleicht bestimmt – raubt uns nicht nur (Lebens-)raum, sondern auch mehr Energie, als wir denken. Denn all diese unvollendeten Projekte schleppen wir doch stets mit uns herum. Vielleicht hindern sie uns sogar daran, jetzt gleich eine gute Chance zu nutzen und ein neues Projekt anzupacken, weil uns einfällt, ach, ich muss ja vorher unbedingt noch XYZ tun – schon ist der Spaß dahin und der Gedanke an den Berg von Unerledigtem raubt uns Atem und Elan. Wie wäre es, sich zum Jahresende so eine Baustelle vorzunehmen, mit Ruhe, Aufmerksamkeit, Freundlichkeit. Vielleicht wäre es ja doch möglich, mit der einst guten Freundin über die Situation zu sprechen, die die Freundschaft auf Eis legte, oder mit dem Kollegen, der eine kränkende Bemerkung machte, die wir nie verziehen haben. Oder uns zu überlegen, warum wir an bestimmten Dingen so hängen, ohne sie zu benutzen. Denn tief in uns wissen wir, worum es geht. Und schließlich muss man etwas erstmal haben, bevor man es loslassen kann. Was wäre es also, das wir so gerne haben möchten? Wie ließe sich das in unser Leben bringen? Jetzt gleich ... Wäre mein Traum eine Reise nach Italien, könnte ich einen schönen Rosmarinstock erwerben oder in einem Café Cappuccino trinken – so würde ich meine Gedanken schon mal auf die Reise schicken ... Wenn es uns gelingt, das wirklich zu haben, was uns wichtig ist und was uns froh macht, brauchen wir vieles andere gar nicht mehr, das als Ersatz herhalten muss. So können wir Altlasten leichter verabschieden und Neues wagen. Machen wir also einen ersten Schritt in diese Richtung und erinnern wir uns an besonders schöne Situationen, die wir mit der einstigen Freundin erlebt haben, an berufliche Erfolge, die wir mit dem Kollegen feierten, an die leidenschaftliche Überzeugung, mit der wir eine Ausbildung meisterten, an das Glücksgefühl, das wir beim Tragen bestimmter Kleidungsstücke empfanden oder an die Begeisterung, mit der wir vor Zeiten diese DVDS geschaut haben. Indem wir auf diese Weise wertschätzend innehalten, statt dem ewig fordernden Müssen nachzujagen, entsteht Präsenz, Wohlgefühl, Gelassenheit. Wir lassen uns einfach mal in Ruhe, in Ruhe sein ... genießen wir es. Wenn wir satt sind und beseelt von dieser Lebensfülle, kommt der nächste Schritt, das nächste Wagnis, vielleicht leichter als gedacht ...
Die vielen guten Vorsätze zum Jahreswechsel verpuffen allzu oft. Wie wäre es, einfach einige Altlasten aufzuräumen? Möglicherweise bewirkt das viel mehr, als wir denken