Die Speise der Götter
Vom kostbaren Hochzeitsgeschenk bei den Mixteken über das gefeierte Ambrosia im Europa des 17. Jahrhunderts zum überzuckerten Massenprodukt. Diesen Abstieg hat der Kakao nicht verdient
Als der große Biologe Carl von Linné begann, die
Pflanzen einheitlich zu benennen und zu katalogisieren, musste er beim wissenschaftlichen Namen für den Kakao nicht lange überlegen: Theobroma – die Speise der Götter – nannte er ihn. Damit tun wir uns auch deutlich leichter als mit dem ursprünglich aztekischen Namen „cacahuacuahuitl“(Kakaobaum), von dem unsere Bezeichnung Kakao stammt. Für die Azteken war der Kakao ein Göttergeschenk aus den Händen des Gottes Queztalcoatl. Doch der Ruf des Kakao hat gelitten: unter unfairen Produktionsbedingungen, unter den überall erhältlichen, völlig überzuckerten Varianten von Fertigkakao, unter einem übermäßigen Schokoladenkonsum. Doch wie es zu jeder Bewegung eine Gegenbewegung gibt, öffnen immer mehr kleine und engagierte Schokoladenmanufakturen ihre Türen. Sie machen nicht nur mit eigenwilligen Schokoproduktionen auf sich aufmerksam, sondern produzieren meist „Bean to Bar“, also von der Bohne bis zum Riegel, und steuern die Produktion ihrer Produkte vom Anbau über die Ernte bis zur Verarbeitung. Sie achten dabei auf faire Anbaubedingungen und einen sorgfältigen Umgang mit dem Kakao und hebeln damit die größten Kritikpunkte an der aktuell erhältlichen Massenware Kakao aus. Von den 22 Arten des Kakaobaumes liefert nur eine, Theobroma cacao L., den uns vertrauten Kakao. Der Baum wird in seiner natürlichen Umgebung, dem Regenwald, rund zehn Meter hoch, für eine leichtere Ernte jedoch meist auf vier Meter Höhe gestutzt. Die immergrüne Pflanze aus der Familie der Malvengewächse benötigt gleichbleibende Temperaturen und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Ihre großen spitzen Blätter ähneln denen des Gummibaumes und wachsen alle acht Wochen nach. Die Blattstiele haben ein Gelenk, mit dem sie sich nach der Sonne ausrichten und wachsen wie die Früchte direkt am Stamm. Das ganze Jahr hindurch trägt die Kakaopflanze dichte Büschel kleiner weißer, gelber oder rosafarbener Blüten, die ersten Früchte reifen erst nach zwei bis acht Jahren. Ein Kakaobaum kann bis zu hundert Jahre alt werden. Aus einem Bruchteil der Blüten wachsen in fünf bis sechs Monaten bis zu 30 cm lange und 1 kg schwere Früchte, die sich unabhängig vom Reifegrad grün, gelb, orange bis purpurrot färben. In ihrem Inneren sitzen fünf Reihen mit 20 bis 60 weißlichen Bohnen eng aneinander, umgeben von einem weißlich schleimigen, süß schmeckenden Fruchtfleisch. Für die Kakaoproduktion werden die geernteten Früchte auf Blättern oder in Holzkisten zum Gären
DER BUNTE VOGEL DES REGENWALDES
Die Europäer konnten dem Heißgetränk zunächst nichts abgewinnen, auch weil die „xocolatl“mit dem pflanzlichen Farbstoff Achiote rot gefärbt wurde, und sie das dickflüssige rote Getränk an Blut erinnerte. Der Italiener Girolamo Benzoni, der Mitte des 16. Jahrhunderts fast 15 Jahre in der Neuen Welt lebte, schrieb über die Schokolade: „Sie schien eher ein Getränk für die Schweine zu sein als für die Menschheit.“ Erst als die Europäer begannen, Kakao mit dem ebenfalls im 16. Jahrhundert in größeren Mengen verfügbaren Zucker zu mischen, begann der Aufstieg des Getränks. Anfang des 17. Jahrhunderts begannen Patissiers, mit Kakao Konfekt zu erstellen, etwa mit Mandeln. Es dauerte jedoch weitere hundert Jahre, bis der Engländer Nicholas Sanders 1727 den ersten Kakao mit Milch anbot, ein Jahr später gründeten Fry & Sons im englischen Bristol die erste Schokoladenfabrik.
EHER FÜR SCHWEINE ALS MENSCHEN