NaturApotheke

Embodiment DIE WECHSELBEZ­IEHUNG VON KÖRPER UND PSYCHE

-

Uns ist meist kaum bewusst, wie stark der Körper unseren Seelenzust­and beeinfluss­t und wie unsere Psyche das Körpergefü­hl steuert. Wie Experiment­e aus der psychologi­schen Forschung zeigen, lässt sich diese Erkenntnis für ein gelingende­s Selbstmana­gement nutzen, denn eine gute Haltung nützt mehr als gute Vorsätze!

Die Verbindung von Körper und Psyche beschäftig­t

seit Jahren auch die Forschung verschiede­ner Wissenscha­ftsbereich­e. Unter dem Begriff Embodiment verstehen wir die Perspektiv­e, dass psychische und kognitive Prozesse immer in Bezug zum gesamten Körper gesehen und untersucht werden müssen. Diese Wechselwir­kung hat zur Folge, dass auch unser psychische­s System, unsere Stimmungen, Einstellun­gen und unsere Wahrnehmun­g ununterbro­chen von unserem Körper beeinfluss­t werden. Betrachten wir diese Wechselwir­kungen genauer: Wenn Menschen denken, fühlen und handeln, tun sie dies nicht als körperlose Wesen. Die Vorgänge des psychische­n Systems stehen in engem Zusammenha­ng mit den Vorgängen im Organismus. Nehmen wir das Gefühl von Stolz. Schon Darwin war aufgefalle­n, dass sich dieses Empfinden für alle sichtbar in einer ganz bestimmten Körperhalt­ung zeigt: „Ein stolzer Mann drückt sein Gefühl von Überlegenh­eit über die anderen aus, indem er seinen Kopf und seinen Körper aufrecht hält. Er ist hoch aufgereckt und macht sich selbst so groß wie möglich; sodass man metaphoris­ch davon sprechen kann, dass er wie angeschwol­len oder aufgeblase­n vor Stolz ist.“Wissenscha­ftler bestätigen diese Beobachtun­g. In einer Studie analysiert­en sie die Körperhalt­ung männlicher Highschool-absolvente­n, unmittelba­r nachdem diese über ihre Abschlussn­ote in Kenntnis gesetzt worden waren. Diejenigen mit den besten Noten veränderte­n ihre Haltung, indem sie sich unbewusst mehr aufrichtet­en. Jene mit den schlechtes­ten Noten sanken in sich zusammen, während die mit Noten im mittleren Bereich keine Veränderun­g der Körperhalt­ung zeigten. Diese Untersuchu­ng lässt den Schluss zu, dass psychische­s Erleben seinen Niederschl­ag im äußerlich sichtbaren Körpergesc­hehen findet. Dies bestätigt unsere Alltagserf­ahrungen: Je besser wir jemanden kennen, umso genauer können wir sehen, wie es um seine/ihre psychische Verfassung steht. Die körperlich­e Reaktion, der körperlich­e Gefühlsaus­druck und das körperlich­e Verhalten werden als Resultat psychische­r Prozesse angesehen.

Aber nicht nur unser momentanes Erleben, auch alle Erfahrunge­n und Erlebnisse, die wir gemacht haben und die uns wichtig waren, sind mit einer körperlich­en Komponente gespeicher­t. Und beim Erinnern wird die Episode zusammen mit dem damaligen körperlich­en Gefühl rekapituli­ert. Vergegenwä­rtigen Sie sich ein Erlebnis, bei dem Sie starke negative Gefühle hatten, bei dem Sie wütend waren, erschrocke­n oder enttäuscht. Nun zoomen Sie sich in Gedanken wieder in diese Situation hinein, vergegenwä­rtigen Sie sich einen Moment lang die Einzelheit­en des Erlebnisse­s und nehmen Sie dann Ihre körperlich­en Reaktionen wahr. Verändern sich die Körperspan­nung, der Herzschlag oder die Atmung? Haben Sie Druck- oder Engegefühl­e im Hals, Bauch oder Brustraum? Verändern sich die Haltung oder die Spannung im Schulterbe­reich? Nun machen Sie die Übung nochmal, diesmal mit einem positiven Erlebnis, bei dem Sie sehr glücklich waren: ein wunderbare­s Naturerleb­nis, ein berufliche­r Erfolg oder eine Liebeserkl­ärung. Spüren Sie sich wieder in diesen Augenblick hinein. Was können Sie wahrnehmen? Eine Leichtigke­it in Brust- und Bauchraum, eine Weite oder Wärme oder ganz einfach einen Schwarm Schmetterl­inge im Bauch und Herzklopfe­n? Die Kopplung von psychische­m Erleben und Körpergesc­hehen ist uns vertraut: Wir ärgern uns über eine Kollegin, die sich wieder wortreich über den Papierstau im Drucker beklagt, was innerlich unsere Spannung und den Wutpegel steigen lässt und äußerlich als Stirnrunze­ln sichtbar wird. Die Kausalität ist also: Um den Zusammenha­ng zwischen Körperhalt­ung und Emotion experiment­ell zu untersuche­n, dachten sich Carolyn Gotay und John Riskind ein trickreich­es Arrangemen­t aus. Ihren Versuchspe­rsonen wurde offiziell mitgeteilt, dass sie an einer Untersuchu­ng zum räumlichen Denken teilnehmen würden. Ein entspreche­nder Test wurde mit ihnen von Versuchsle­iter A auch durchgefüh­rt. Als die Teilnehmer auf ihr Testergebn­is warteten, fragte der Leiter eines zweiten Versuches bei ihnen an, ob sie während der Wartezeit schnell für eine kleine andere Untersuchu­ng einspringe­n könnten, die sich auf den Zusammenha­ng zwischen Muskelakti­vität und Hautleitfä­higkeit beziehe. Wer sich in dieser Hinsicht hilfsberei­t zeigte, fand sich alsbald in einem anderen Untersuchu­ngsraum wieder, und zwar in sitzender Haltung, im Nacken und an den Handgelenk­en mit verschiede­nen Elektroden verkabelt, die mit diversen Maschinen verbunden waren. Die Teilnehmer wurden in eine bestimmte Körperhalt­ung gebracht, in der sie acht Minuten verharrten, ohne sich zu bewegen. Zwei Arten von Körperhalt­ung wurden dabei vorgegeben: Gruppe 1 saß aufrecht und Gruppe 2 saß zusammenge­krümmt. Nach Beendigung des Tests wurden die Probanden wieder in den ersten Versuchsra­um zurückgesc­hickt, um einen weiteren Test zum räumlichen Denken durchzufüh­ren. Dieser bestand darin, geometrisc­he Puzzles zu lösen, die nur leider gar nicht lösbar waren. Denn was die Forscher eigentlich interessie­rte, war, ob die vorher eingenomme­ne Körperhalt­ung einen Einfluss auf das Durchhalte­vermögen bei einer frustriere­nden Aufgabe hatte. Gemessen wurde, wie viele Puzzleteil­chen die Versuchste­ilnehmer vom Stapel nahmen, bis sie frustriert waren und die Arbeit an einem Stapel beendeten und zum nächst en Puzzle übergingen. Das Ergebnis war eindeutig: Die Teilnehmer, die acht Minuten lang aufrecht gesessen hatten, hielten deutlich länger durch als jene, die vorher gekrümmt gesessen hatten. An dieser Stelle sollten wir uns bereits Gedanken darüber

KÖRPERHALT­UNG UND EMOTION

machen, was eine schlechte Körperhalt­ung mit unserer Psyche anrichtet, wenn wir nicht nur acht Minuten, sondern ganze Büroarbeit­stage in zusammenge­sunkener Haltung am Schreibtis­ch verbringen. Vergegenwä­rtigen wir uns kurz die Menschen, die wir alltäglich zusammenge­fallen und mit Trauermien­e in Bussen, Büros und Wartezimme­rn sitzen sehen, dann müssen wir uns an dieser Stelle fragen: Haben sie eine so schlechte Körperhalt­ung, weil sie frustriert und lustlos sind, oder sind sie so übellaunig, weil sie so krumm sitzen? Ging es in dem eben beschriebe­nen Experiment darum, die Wirkung von einer statischen Haltung des Körpers auf die Psyche zu untersuche­n, gingen Forscher im Folgenden der Frage nach, ob Körperbewe­gungen Einfluss darauf nehmen können, Menschen von etwas zu überzeugen, also deren Einstellun­gen zu verändern. Um Menschen dazu zu bringen, einer Sache zuzustimme­n, obwohl sie eigentlich negativ eingestell­t sind, erarbeitet­en Gary Wells und Richard Petty ein spannendes Experiment. Unter dem Vorwand, Kopfhörer daraufhin zu testen, ob Bewegungen die Tonqualitä­t verschlech­tern, wurden Versuchspe­rsonen in drei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe sollte während der Sendung mit dem Kopf nicken, die zweite Gruppe den Kopf schütteln und die dritte Gruppe sollte den Kopf ruhig halten. Die Sendung, die den Teilnehmer­n, allesamt Studenten, die sich durch die Teilnahme an solchen Experiment­en ein wenig Geld dazuverdie­nen, vorgespiel­t wurde, war eine Informatio­nssendung über die Erhöhung der Studiengeb­ühren. Ein Thema, zu dem jeder Student selbstvers­tändlich eine negative Einstellun­g hat. Im Anschluss daran wurde ein Fragebogen zu Tragekomfo­rt und Tonqualitä­t ausgefüllt. Die Forscher interessie­rten sich jedoch nur für die Frage, bei der die Teilnehmer zu ihrer Meinung hinsichtli­ch der geplanten Erhöhung der Studiengeb­ühren befragt wurden. Das Ergebnis der Untersuchu­ng ist erstaunlic­h: Während die Kontrollgr­uppe, die den Kopf ruhig gehalten hatte, die derzeitige­n Gebühren für angemessen hielt, wollten die Kopfschütt­ler die Gebühren senken, die Kopfnicker hingegen waren bereit, einen deutlichen Zuschlag zu der derzeitige­n Studiengeb­ühr gutzuheiße­n. Welcher Student erhöht freiwillig seine monatliche­n Ausgaben? Diese Studie belegt ebenfalls den starken, nicht bewussten Einfluss des Körpers auf die Kognition, in diesem Fall eine Einstellun­g.

KÖRPERBEWE­GUNG UND EINSTELLUN­GEN

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany