NaturApotheke

Die Schönheit DES UNPERFEKTE­N

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Die Teezeremon­ie ist in Japan weit mehr als ein

komplizier­tes Ritual. Sie hat mit ihrer Philosophi­e Architektu­r, Keramik, Textilgest­altung und Kunst geprägt und große Meister und unterschie­dliche Schulen hervorgebr­acht. Sie alle eint das Streben nach Perfektion. Doch was ist Perfektion? Der makellos glatt gerechte Zen-garten, durch den die Teilnehmer der Teezeremon­ie zum Teehaus schreiten? Das fehlerlose Ausführen der erforderli­chen Handgriffe? Oder der wunderschö­ne wertvolle Teebecher? Nein, eben gerade nicht. Und so sah sich Okakura Kakuzõ in seinem eigens für Ausländer verfassten berühmten „ Book of Tea‟ veranlasst zu erklären, „ Perfection is everywhere if we only choose to recognise it. – Perfektion ist überall, wenn wir sie nur erkennen wollen.‟ Das ist auch der Kern von Wabi Sabi, der Kunst, im Schlichten und Unperfekte­n die wahre Perfektion zu erkennen. Über sie gibt es wunderbare Texte und Bücher zu lesen, etwa die klugen Einführung­en von Matthias Dietz und Leonard Koren. In nur wenigen Worten beschreibt Wabi Sabi die Geschichte, die Karin Ulrika Soinka auf ihrer Webseite zitiert: „ Sen no Rikyu wollte den Weg des Tees lernen und so suchte er den Tee-meister Takeno Joo auf. Joo befahl Rikyu, den Garten zu säubern und Rikyu machte sich sofort eifrig an die Arbeit. Er rechte den Garten, bis der Boden in perfekter Ordnung war. Als er fertig war, betrachtet­e er seine Arbeit. Dann schüttelte er den Kirschbaum, sodass ein paar Blüten wie zufällig zu Boden fielen. Der Tee-meister Joo nahm Rikyu in seine Schule auf.‟ Perfektion schüchtert ein, weckt Ehrfurcht und Bewunderun­g, aber keine Wärme. Anziehend wird doch erst, was einen kleinen Makel hat. Was uns auf den ersten Blick irritiert, fordert zu einem zweiten Blick auf und verzaubert uns beim dritten Hinsehen. So wie der leicht schiefe Teebecher oder die Blätter im sorgfältig gerechten Zen-garten. Der Weise erkennt das Perfekte im Unperfekte­n, der Narr versucht, das Unperfekte auf perfekte Weise zu inszeniere­n. Wie ein Stylist, der einem Fotomodell in stundenlan­ger Arbeit den idealen Undone-look wie soeben aufgestand­en zu verleihen versucht. Wer Wabi Sabi lebt, sucht die Schönheit im Schlichten und erkennt das Unperfekte als einmaliges Kennzeiche­n, das etwas Einzigarti­ges auszeichne­t: bei Teebechern und Gärten ebenso wie bei jedem von uns. In jeder Ausgabe beleuchten wir einen was er uns bringt

Wabi Sabi ist kein neuer Wohntrend, kein künstleris­ches Konzept und erst recht keine Anleitung, sondern eine alte japanische Denkweise. Wer sie auf Optik reduziert, hat nichts verstanden

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