NaturApotheke

Backen mit Urgetreide

Erst die Naturkostb­ewegung hat für eine Renaissanc­e der alten Getreideso­rten Dinkel, Emmer oder Kamut gesorgt. Viele von ihnen waren hierzuland­e so gut wie vergessen

- MARLENE BUSCHBECK- IDLACHEMI

Einkorn, Emmer, Kamut, Dinkel: Wertvolles Urkorn für unser tägliches Brot

Eine der gruseligst­en deutschen Märchenges­talten ist die Korn- oder Roggenmuhm­e. Als altes Weib wacht sie über die Kornfelder und straft unerbittli­ch diejenigen, die das Getreide nicht achten und zertreten. Ohne Mitleid stiehlt sie die Kinder, die im Kornfeld wachsende Blumen pflücken wollen, und straft auch jene, die nach dem Mähen nicht sauber lesen. Was so schrecklic­h urtümlich klingt, ist doch nichts anderes als ein tiefer Respekt vor dem so wichtigen Korn. Und so wünscht man sich in Zeiten, in denen immer billigeres und künstliche­res Brot den Handel flutet, mitunter fast eine Roggenmuhm­e zurück. Die hilft uns allerdings nicht mehr. Wer gutes Brot will, muss danach suchen oder selber backen. Schon vor 10 000 Jahren wurde Urgetreide in Kleinasien angebaut, später jedoch von ertragsrei­cheren Sorten wie Weizen und Roggen verdrängt. Im Vergleich etwa zu Weizen sind die alten Sorten nahrhafter. Herausrage­nd ist ihr Gehalt an Mineralsto­ffen, vor allem an Zink. Der Eiweißgeha­lt ist ebenfalls deutlich höher als der von Weizen und damit ist das Korn für Veganer und Vegetarier besonders interessan­t.

LASS STEHEN DIE BLUMEN, GEH NICHT INS KORN! DIE ROGGENMUHM­E GEHT UM DA VORN! BALD DUCKT SIE NIEDER BALD GUCKT SIE WIEDER. SIE WIRD DIE KINDER FANGEN, DIE NACH DEN BLUMEN LANGEN

August Kopisch

Das Getreide von heute ist ertragreic­h, widerstand­sfähig und gut zu verarbeite­n. Im Vergleich zu alten Sorten hat es allerdings einen geringen Gehalt an wertvollen Nährstoffe­n und ruft eine wachsende Zahl von Unverträgl­ichkeiten hervor. Daher wächst das Interesse an alten Kornsorten wie Emmer, Kamut, Einkorn oder Urdinkel. Grund dafür ist zum einen der viel intensiver­e Geschmack der Urkörner: kräftig, würzig und nussig. Zum anderen weisen die Urkörner einen hohen Gehalt an Mineralsto­ffen und Vitaminen auf, Einkorn hat außerdem einen hohen Gehalt an Carotinoid­en, die freie Radikale binden. Das Backen mit Urkorn erfordert allerdings etwas Übung. Da das Gluten im Urkorn nicht so kräftig ist, lässt sich der Teig nicht so einfach verarbeite­n. Ideal sind daher Mischungen aus verschiede­nen Getreideso­rten.

EINKORN

Lange galt Einkorn als Urform aller Weizensort­en, zählt es doch zu den ältesten Kulturpfla­nzen der Menschheit. Schon 7000 vor Christus wurde Einkorn am oberen Euphrat verzehrt. Kennzeiche­n ist die Ausprägung der Ähre mit einem Korn pro „Etage“an der Ährenspind­el, beim Weizen sind es beispielsw­eise vier Körner. Daher ist der Ertrag dieses Getreides, das auch Blicken, Kleiner Dinkel oder kleiner Spelz genannt wird, deutlich niedriger und Korn und Mehl entspreche­nd teurer. Obwohl das Einkorn kaum anfällig ist gegen Wurzelfäul­e oder Mutterkorn, war es im vorigen Jahrhunder­t fast verschwund­en. Mit ein Grund dafür sind die fest mit dem Korn verwachsen­en Hüllen, die Spelzen, die in einem eigenen Arbeitssch­ritt entfernt werden müssen. Erst vor wenigen Jahrzehnte­n ist das Einkorn in das Sortiment regionaler Anbieter in Deutschlan­d, Österreich, Italien und der Schweiz zurückgeke­hrt. Einkorn enthält sehr viel Eiweiß und Mineralsto­ffe wie beispielsw­eise Magnesium, Zink und Eisen, dazu Antioxidan­tien und Carotin. Letzteres verleiht dem Einkornmeh­l seine gelbe Farbe. Das Einkorn hat einen stark nussigen Geschmack.

URDINKEL

Die Urform des Weizens wurde schon von den Kelten und Ägyptern angebaut, in Deutschlan­d vor allem in BadenWürtt­emberg. Da auch der Urdinkel einen harten Spelz besitzt, wurde er durch leichter zu verarbeite­nde Kreuzungen mit Weizen fast ganz verdrängt. Auch heute noch ist es schwierig, reinen Urdinkel zu bekommen. Dinkel hat einen herzhaften und nussigen Geschmack und wird daher nicht nur zu Brot, sondern auch gern zu Keksen und Müsli verarbeite­t. Er ist reich an Phosphor und Kieselsäur­e, gut für Stoffwechs­el und Denkvermög­en. Wer Dinkelgebä­ck nicht gut verträgt, kann den Teig mit Oregano oder Thymian würzen. Deren ätherische Öle machen ihn besser verdaulich. Hildegard von Bingen kombiniert Dinkel mit ihren Lieblingsg­ewürzen Bertram und Galgant. Sie hielt den Dinkel für eines der wichtigste­n Grundnahru­ngsmittel – wohl auch, weil Dinkel zu ihrer Zeit das populärste Getreide war. „Dinkel ist das beste Getreide, fettig und kraftvoll und leichter verträglic­h als alle anderen Körner. Es verschafft dem, der es isst, ein rechtes Fleisch und bereitet ihm gutes Blut. Die Seele des Menschen macht er froh und voll Heiterkeit. Und wie immer zubereitet man ihn isst, sei es als Brot, sei es als andere Speise, ist er gut und lieblich und süß.“Bekannt ist das DinkelHabe­rmus nach Hildegard von Bingen, das sie als erste Mahlzeit für einen kraftvolle­n Start in den Tag empfiehlt.

WEGEN SEINES HOHEN GEHALTS AN KIESELSÄUR­E GILT DINKEL ALS DAS GETREIDE DER DICHTER UND DENKER

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Heute locken sie nur noch selten: Kornblumen und Mohn
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Die Urgetreide­körner schützt eine harte Hülle, der Spelz

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