NaturApotheke

Filzkunst mit Samen und viel Liebe

Aus der Natur holt sich die Künstlerin Inspiratio­n und Material für ihre Werke. Bei unserem Werkstattb­esuch am Ammersee haben wir ihre Filzkunst kennenlern­en dürfen

- MARLENE BUSCHBECK-IDLACHEMI, FOTOS BETTINA BUSCHBECK

Wie eine Gruppe Kinder vor dem Schulausfl­ug stehen sie im Garten: die bunten und die sanften, die wilden und die stillen. Und wie eine Mutter zupft Trine Pesch hier ein paar vorwitzige Fransen zurecht, streichelt sanft über eine Applikatio­n oder rückt ein kleines Kunstwerk zurecht. Was so fröhlich in der Sonne steht, sind Urnengefäß­e aus Filz. Sie hüllen die Asche Verstorben­er ein, umgeben sie nicht nur mit warmer Wolle, sondern auch mit guten Gedanken und Erinnerung­en. Egal ob die Künstlerin die Urnen allein gestaltet oder in einem Workshop unter anderem im Rahmen des Wegbegleit­er-programms von Aetas Lebens- und Trauerkult­ur, es fl ießt viel positive Energie in die Gestaltung der Urnen, die Trine Pesch auch für Sternenkin­der filzt.

SCHAFFEN GEGEN DIE OHNMACHT

Die Künstlerin schätzt diese „schöne, sinnliche Arbeit. Das ist gar nichts Schweres, über das Material kommt etwas in Gang, das Schaffen hilft gegen die Ohnmacht. Die Teilnehmer bekommen von mir einen weißen unbearbeit­eten Rohling. Wenn ich mit Menschen filze, werden die Ergebnisse meist bunt.“Zum Urnenfilze­n kommen oft auch Familien, die einen Tag lang mit Trine arbeiten. Wolle und Leinen bilden den Fuß, der durch das Leinen etwas verstärkt wird. Dann steht der Fantasie nichts im Wege. Im Aetas-programm heißt das

„Beim Auslegen der Wolle, beim Wässern, Reiben und Walken finden Gedanken und Gefühle eine Form. So entsteht eine schützende, wärmende Hülle. Unter den eigenen Händen wird daraus ein Gefäß – robust und weich zugleich – für die Urne eines geliebten Verstorben­en oder eines Menschen, der auf dem Weg ist, Abschied zu nehmen. Oder auch als ein Aufbewahru­ngsort im Alltag, womit sich jemand sichtbar, greifbar mit letzten Dingen auseinande­rsetzen kann.“Aus der Wolle entsteht beim Filzen ein recht stabiles Gefäß, wie auch das Filzen im Stehen eine anstrengen­de Arbeit ist. Daher genießt Trine die Pausen, in denen sie sich hinsetzt und eigene Werke bestickt. Und auch in diese Arbeit fließen schöne Erinnerung­en: „Viele Handarbeit­stechniken habe ich von klein auf von meiner kreativen Mutter und Großmutter gelernt. Auch haben Sie mir genäht was ich mir wünschte. Beim gemeinsame­n Stoffeinka­uf habe ich ein

Gespür für Materialie­n bekommen.“Dieses Gefühl für Materialie­n kennzeichn­et sämtliche Filzkunstw­erke. Seien es die Urnen, meterhohe Wandbehäng­e aus Wolle, Seide und Leinen, wunderlich­e Wesen aus Wolle, Samen und Schoten oder gefilzter Schmuck.

AUS DER NATUR SCHÖPFEN

Die Natur spielt eine wichtige Rolle in Trines Werk, typisch sind Kokons, Tentakelwe­sen sowie die eingearbei­teten Naturprodu­kte. Überall in Wohnung, Werkstatt und Garten liegen Mohnkapsel­n, trockene Zweige oder Urlaubsmit­bringsel wie riesige Schoten aus Peru. „Wir können alles aus der Natur schöpfen. Wenn ich im Garten etwas abschneide, denke ich, da kann ich etwas Neues draus machen, jetzt gerade sind das die Zweige meiner Korkenzieh­erweide.“Ihr Garten ist Trine wichtig, obwohl sie sich eher als Samm

OB ETWAS LEBEN WERDEN KANN, DAS HÄNGT NICHT VON DEN GROSSEN IDEEN AB, SONDERN DAVON, OB MAN SICH AUS IHNEN EIN HANDWERK SCHAFFT, EIN TÄGLICHES, ETWAS, WAS BEI EINEM AUSHÄLT BIS ANS ENDE

Rainer Maria Rilke

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Dschungelo­hr, 2018 (oben) Grand Dame, 2019 (unten)
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Funny Cloud, 2018
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