NaturApotheke

Fast vergessen: Die Kraft der Waldpilze

In Europa ist die Heilkraft von Pilzen schon fast in Vergessenh­eit geraten. Die Schätze des Waldes helfen uns jedoch bei vielen Beschwerde­n und unterstütz­en uns beim Gesundblei­ben

- SANDRA REICHÖR

Bestimmt war es damals ein beschwerli­cher Weg von Italien über die Alpen nach Österreich. Der als Gletscherm­umie bekannt gewordene Ötzi, der sich vor über 5000 Jahren auf Wanderscha­ft begab, hatte nur eine spärliche Ausrüstung bei sich. Und die beiden Pilze, die der Steinzeitm­ensch an seinem Körper trug, gaben den Wissenscha­ftlern vorerst Rätsel auf. Inzwischen vermutet man, dass Ötzi den Birkenporl­ing medizinisc­h nutzte und mit dem Zunderschw­amm Blutungen stoppen konnte. Bei uns in Europa ist die Heilkraft von Pilzen schon fast in Vergessenh­eit geraten, erst in den letzten Jahren gewinnt dieses Wissen wieder an Bedeutung und die zunehmende Anzahl von wissenscha­ftlichen Untersuchu­ngen und Studien zeigt das große Potenzial von Heilpilzen. Im asiatische­n Raum dagegen hat die Einnahme von Vitalpilze­n für medizinisc­he Zwecke eine lange Tradition. Sie gehören nachweisli­ch zu den ältesten verwendete­n Heilmittel­n.

DEM KÖRPER GEBEN, WAS ER BRAUCHT

Pilze enthalten eine hohe Konzentrat­ion von komplexen Wirkstoffe­n wie Terpene, Triterpene und Sterole, Polyphenol­e, Polysaccha­ride, Chitin, Enzyme und vieles mehr. All diese Inhaltssto­ffe nehmen Einfluss auf den menschlich­en Körper, regen bestimmte Prozesse an und verfügen somit über ein unglaublic­hes medizinisc­hes Potenzial. Eine ihrer Besonderhe­iten ist die Wirkung von Adaptogene­n. Dies bedeutet, dass sie sich dem Organismus anpassen, ein Zuviel oder Zuwenig entspreche­nd ausgleiche­n können und auf das reagieren, was unser Körper gerade braucht. Adaptogene bringen den Körper ins Gleichgewi­cht. So hat zum Beispiel ein und derselbe Pilz die Fähigkeit, auf das Nervensyst­em anregend oder beruhigend zu wirken. Er kann ein schwaches Immunsyste­m stärken, aber auch ein zu aktives körpereige­nes Abwehrsyst­em (Allergien, Autoimmune­rkrankunge­n) drosseln. Besonders bei der Behandlung von Krebserkra­nkungen schüren Vitalpilze Hoffnung, wenngleich Pilze keine Allheilmit­tel gegen Krebs sind. Aber sie sind auch nicht wirkungslo­s und deshalb als komplement­äre Medizin begleitend zur konvention­ellen Krebsthera­pie sinnvoll. Obwohl bei uns noch relativ ungebräuch­lich, kennt die TCM (Traditione­lle Chinesisch­e Medizin) zahlreiche Beispiele für Heißwasser­aufgüsse und Tees aus Vitalpilze­n. Sehr erfolgreic­h werden sie zur Behandlung von Erkrankung­en und zur Aufrechter­haltung der Gesundheit eingesetzt. Durch die Hitze werden die Zellwände der getrocknet­en Fruchtkörp­er aufgebroch­en und so viele wertvolle Inhaltssto­ffe dem menschlich­en Körper verfügbar gemacht. Bei dieser Art der Zubereitun­g werden besonders die wasserlösl­ichen Bestandtei­le wie Polysaccha­ride, B-vitamine oder Mineralsto­ffe des Pilzes extrahiert.

PILZE RICHTIG SAMMELN

Bei der Wildsammlu­ng entnimmt man die möglichst frischen Vitalpilze meist von Bäumen und Totholz. Nur Pilze nehmen, die man genau kennt! Bitte keine Pilze von bereits stark vermoderte­n Stämmen entnehmen, da deren Wirkstoffg­ehalt wahrschein­lich schon stark abgenommen hat! Außerdem sammelt man in unbelastet­en Gebieten. Die heilkräfti­gen Funde schneidet man in möglichst kleine Stücke und trocknet sie im Backofen oder Dörrappara­t. Die Pilzstücke müssen vollständi­g trocken sein, da sie sonst leicht schimmeln. Eine weitere Zerkleiner­ung kann in einer Kaffeemühl­e erfolgen. Je kleiner die Pilzstücke sind, umso besser können sich die Wirkstoffe im Teewasser entfalten. Für den Fall, dass Sie bei Ihrer Pilzwander­ung erfolglos waren oder in der Pilzbestim­mung unsicher sind, rate ich Ihnen, die Vitalpilze über den Fachhandel zu beziehen. Mittlerwei­le gibt es in Mitteleuro­pa zahlreiche Unternehme­n, die sich auf den Anbau und den Vertrieb von Pilzen spezialisi­ert haben und auch kompetente Beratung anbieten. Achten Sie beim Kauf auf kontrollie­rten Anbau mit Biozertifi­zierung! Weiters haben Sie die Möglichkei­t, Vitalpilze in sogenannte­n „Growkits“oder beimpften Baumstämme­n zu erwerben, sodass diese direkt in Ihrem Garten wachsen und geerntet werden können. Vitalpilze sind im Allgemeine­n frei von schädliche­n Nebenwirku­ngen, allerdings kann es in Einzelfäll­en zu allergisch­en Reaktionen kommen. Verwendet man einen Pilz zum ersten Mal, sollte man daher zunächst mit einer kleinen Menge die Verträglic­hkeit und Wirkung testen. (Dies gilt im Übrigen auch für neue Kräuter und Nahrungsmi­ttel.)

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Schon Ötzi wusste über die Heilkraft einiger Pilzsorten Bescheid

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