Stärkende Wurzeltees für kühle Herbsttage
Wer sich im Herbst in die Natur begibt, um nach tieferer Heilung für Körper, Geist und Seele zu suchen, muss sich niederknien, der Erde nahekommen und nach seinen Wurzeln graben
Die Wurzeln, die uns das ganze Jahr über verborgen sind und an die wir in all der Blüten- und Blätterpracht nicht mal denken, bewahren in sich ganz besondere Schätze. Sie leben in der Kühle und Dunkelheit des Bodens, in die wir uns meist nur begeben, wenn wir uns zu Grabe legen. Ruhe und Frieden haben sie dort, geschützt vor Wetter und den Aufregungen der oberen Welt. Ein leises Schlürfen mag den Hellhörigen dann und wann zu Ohren kommen, wenn sie sich in diese Welt vertiefen. Ein zartes Tropfen und beständige, kaum wahrnehmbare Verwandlung und Bewegung in der so fest erscheinenden Bodenwelt. Die Wurzel nimmt bei der Pflanze die Flüssigkeit auf und die Mineralstoffe der Erde, um sie zu speichern und, wenn gebraucht, in ihren oberirdischen Körper zu schicken. Obwohl sie in der Erde ruht, ist sie eng mit den Rhythmen von Sonne, Mond und Gestirnen verbunden. Sie nimmt die Einflüsse wahr, verarbeitet sie und lenkt aus dem Verborgenen das Wachstum der Pflanze.
RUHE FINDEN IN DER KÜHLE DER ERDE
Aus Sicht der anthroposophischen Medizin entspricht der Wurzel unser menschliches Sinnessystem. Hoch oben in
Luft und Wärme versuchen wir, einen kühlen Kopf zu bewahren, um unser Leben und alles Lebensnotwendige zu steuern. Wie gut tut es da, sich den Wurzeln wieder zuzuwenden und Ruhe und Kraft zu tanken.
SO ERHALTEN WIR DAS GLEICHGEWICHT
Wenn wir nun Wurzeln graben gehen, so ist es wichtig, sich zuvor bewusst zu machen, was uns die Pflanze da in Liebe gibt. Es bedeutet mehr, als ein paar Blätter oder Blüten zu nehmen – ist die Wurzel weg, stirbt die Pflanze ganz. Sie stirbt in unsere Hände hinein und schenkt uns ihr Leben
als Heilkraft. Diese Größe zu empfinden, lässt viele Menschen – wie auch mich früher – davor zurückschrecken, die eigenen Heilwurzeln zu graben. Dann doch lieber im Laden kaufen? Ich möchte zu Ersterem ermutigen! Denn die Dankbarkeit, die in unserem Herzen entsteht, wenn wir eine Pflanze mit offenem Herzen und ganzem Empfinden ernten, fließt zu ihr zurück. Sie fließt in das Feld der verbliebenen Pflanzen der gleichen Art und stärkt sie. Auf diese Weise geben wir etwas zurück und Mensch und Natur bleiben im Gleichgewicht. Wir können nicht davon ausgehen, dass die gekauften Wurzeln in Dankbarkeit und Liebe geerntet wurden – also raus auf Wald und Wiese und Hände dreckig machen!
DIE ÜBERDÜNGUNG SPRENGEN
Wenn wir aus der Tür treten, auf die Wiesen hinaus, dann stehen wir schon mitten auf einem der wichtigsten Heilmittel unserer modernen Welt. Dort, wo im Frühjahr tausende gelbe Blüten die Sonne widerspiegelten und kurz darauf unzählige Sternchen vom Wind weitergetragen wurden, dort konzentriert der Löwenzahn jetzt seine Kraft in den Wurzeln. Diese Kraft, die Beton und Steine sprengt und der gnadenlosen Überdüngung unserer Böden trotzt. Er kann mit der Verfettung umgehen, mit dem Überangebot an Nahrung, das vielen Menschen zu schaffen macht, wenn sie nicht nein sagen können. Unsere Leber muss mit all dem zurechtkommen: Wertloses von Wertvollem trennen beziehungsweise das Eine in das Andere verwandeln und speichern (mehr dazu siehe Naturapotheke 3/19, Seite 36ff). Zu viel Zucker führt zu Leberverfettung und zu Fettleibigkeit allgemein. Der Löwenzahn unterstützt die Leber in diesen anspruchsvollen Aufgaben und hilft ihr, dabei nicht müde zu werden. Er regt den Gallenfluss an, damit die Fette verdaut werden können. Menschen, die zu wenig Galle in ihren Verdauungssäften haben, leiden oft unter dauernden Blähungen und schwerem Gefühl im Bauch nach fettigen Speisen. Hier hilft es, vor und nach dem Essen eine halbe Tasse Löwenzahnwurzeltee zu trinken. Im Herbst speichert Löwenzahn neben Bitterstoffen, dem Galle- und Lebertonikum Cholin, Kalzium, Natrium und Schwefel auch Inulin (bis 40 %) in seiner Wurzel. Inulin unterstützt die Bauchspeicheldrüse und kann den Zuckerstoffwechsel günstig beeinflussen, was besonders Diabetikern hilft. Vor allem beim Typ 2 Diabetes, der oftmals durch Überfrachtung mit Nahrung entsteht, lohnt es sich, in frühen Stadien auf Heilpflanzen zu setzen und das Ruder herumzureißen!
SONNE IM BAUCH
Löwenzahn wirkt auch auf das Nervengeflecht in unserem Bauch. Hier werden nicht nur die vielen, an der Verdauung beteiligten Organe gelenkt, hier sitzen auch unser ahnendes Bauchgefühl, unser Selbstwert und die wohlige innere Wärme. So wie die Blüte des Löwenzahns sollte es hier, zwischen Bauchnabel und Rippendreieck, strahlen. Sieht es anders aus, lohnt sich eine Kur mit Löwenzahnwurzeltee, am besten aus selbst gegrabenen Wurzeln! Der Tee schmeckt bitter – aber keine Sorge, man gewöhnt sich daran, und bald will man es nicht mehr missen, denn wie der Volksmund sagt:
BITTER MACHT DAS HERZ FROH! … UND DEN BAUCH AUCH!
Neben der beschriebenen Wirkung stärkt der Löwenzahn außerdem unser Immunsystem und wirkt aufbauend bei Erschöpfungszuständen. Er hilft der Leber bei jeder Art von Erkrankung, auch zur Regeneration nach längerer Medikamententherapie. Darüber hinaus unterstützt er das Ausleiten von Nierensteinen und Nierengrieß, reinigt das Blut bei Rheuma und fördert die Blutneubildung. Als Schönheitsmittel hilft das Waschen mit Löwenzahntee bei Akne, Flechten und Hautausschlägen. Doch nicht nur als Tee, sondern auch als Kaffee hat die Wurzel ihren Reiz und als Zugabe im Kakao entfaltet sie eine ganz besondere, angenehme Note. Experimentieren lohnt sich!