Herbstzeit
Die leuchtende Pracht der Laubbäume zieht vor dem Winter noch einmal unsere Aufmerksamkeit auf den Wald. Wir haben ihm in dieser Ausgabe viele Artikel gewidmet und hier gilt sie einem ganz besonderen Baum, der Eiche
Die deutsche Eiche, denken immer noch viele, und vereinnahmen den starken Baum gern als Sinnbild für deutsche Tugenden. Tatsächlich aber galt der langsam wachsende Baum mit seinem widerstandsfähigen und ebenso langsam verrottenden Holz schon im Altertum als heilig. 30 Menschen-generationen kann eine unbehindert wachsende Eiche während ihres Baumlebens an sich vorbeiziehen sehen. Solch ein Baum konnte nur den größten Göttern zugeordnet werden, den Blitze schleudernden Götterfürsten Zeus und Jupiter, dem keltischen Taranis und natürlich dem Hammer werfenden Donnergott Thor. Das griechische Orakel von Dodona, in dem drei Waldnymphen den Willen des Zeus aus dem Rauschen eines mächtigen Eichenhains erlauschten, war weltberühmt. Erst christliche Missionare kappten um 400 n. Chr. die berühmte „Eiche von Dodona", deren Holz der Mythologie zufolge im Schiff der Argonauten verbaut wurde, um die Wagemutigen auf ihrer Reise vor Gefahren zu warnen. In Rom galt die Eiche als Symbol des „Goldenen Zeitalters“, das allen, die Latein gelernt haben, zumindest noch mit dem Satz „Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo“des Dichters Ovid präsent sein dürfte (Als Erstes entstand das Goldene Zeitalter ohne Richter ...). Von Plinius, dem aufmerksamen römischen Geschichtsschreiber, wissen wir, dass Eichen auch im Kult der Kelten eine zentrale Rolle innehatten – oder wir haben es beim Lesen der ebenso kultigen Asterix-comic-hefte gelernt. Das griechische „drys“für Eiche findet sich im Namen der Dryaden (der Nymphen des heiligen Eichenhains), wie das keltische „duir“den Priestern, den Druiden, ihren Namen gegeben hat. Doch auch weibliche Göttinnen haben mit der Waldgöttin Mezitha und der indogermanischen Urmutter Ana ihre Präsenz in der Eiche – eine frühe Schöpfungsgeschichte lässt den ersten Menschen aus einer Eiche entspringen. Allen diesen Kulten war die Eiche heilig, mit ihrem Laub wurden Sieger, Seher und Sänger bekränzt. Sie zu schützen, war den Menschen ein Anliegen, sie zu fällen wurde schwer bestraft, ja oftmals war es sogar verboten, die heiligen Eichenhaine zu betreten. Wie weit haben wir uns heute davon entfernt!