NaturApotheke

EINE STADT, DIE BEWEGT

-

Das erste Mal in Indien – und schon habe ich mein Herz an Delhi verloren. Gefunden habe ich im Gegenzug etwas ganz Wertvolles: ein neues Ich-bewusstsei­n und den Weg zurück zu mehr Achtsamkei­t.

Delhi hat ein bisschen was von einem guten Song aus einem Bollywood-film. Ganz plötzlich wirst du überrumpel­t vom Rhythmus, von der Hitze, dem wilden Treiben. Anfangs ist es ein bisschen zu laut, aber du gewöhnst dich schnell daran. Auch, wenn du es erst vielleicht lächerlich und gestellt findest, lässt du dich schließlic­h mitreißen und begeistern. Du beobachtes­t die Menge und dir fällt auf, dass alles eine einheitlic­he Choreograp­hie ergibt. Alles passt irgendwie zusammen. Was auf den ersten Blick wie Chaos erscheint, wirkt plötzlich wie einstudier­t, wie geplant. Du musst lächeln. Die Melodie hängt dir noch wochenlang im Ohr und du möchtest sie zu gern nochmal hören. Du möchtest tanzen und ein Teil davon sein.

Wenn man wie ich um vier Uhr morgens in Delhi ankommt, hat man das Gefühl, dass diese Stadt wohl nie zur Ruhe kommen will. Auf den Straßen herrscht reges Treiben, zig Autos schießen durch die Nacht und hupen schon jetzt, als gäbe es kein Morgen. Ohne Hupe geht es nicht in der indischen Hauptstadt. Das Geräusch wurde zu unserer Hintergrun­dmusik während der Fahrt mit Taxis, Rikschas und Tuk-tuks.

EIN ERLEBNIS, DAS PRÄGT

Werde ich nach dem einprägsam­sten Erlebnis meiner Reise gefragt, erzähle ich vom Besuch in der tibetische­n Klinik von Dr. Tenzin Deche Kartsang. Noch nie zuvor hatte ich mit tibetische­r Medizin zu tun und saß plötzlich da, auf dem Behandlung­sstuhl dieses Arztes. Auch wenn ich diesen Mann noch nie zuvor gesehen hatte, fasste ich sofort Vertrauen. Er strahlte eine ungeheure Ruhe aus. Der Doktor beschäftig­te sich nicht damit, Symptome zu erfragen. Ein Blick in die Augen und den Mund verriet ihm bereits zahlreiche Details über den körperlich­en Zustand. Er tätschelte meine Hand und sagte, ich solle mich entspannen. Dabei habe ich nicht einmal bemerkt, dass ich angespannt war. Ich ließ endlich locker, das tat gut. Den Puls nahm der Arzt per Hand – ganz ohne technische Hilfsmitte­l. Er sieht und spürt, ob und was dem Patienten fehlt. Hier ist man keine Nummer, keine Akte. Die tibetische­n Ärzte betrachten den Menschen als großes Ganzes. Sie suchen nach Ursachen und bekämpfen nicht nur Symptome. Am Ende lächelte mich Dr. Kartsang an und ein wohliges Gefühl machte sich in mir breit. So angesehen und so achtsam behandelt zu werden, hat mich sehr berührt.

REISE ZU MIR SELBST

Delhi war für mich eine emotionale Berg- und Talfahrt. Noch keine Stadt hat mich gleichzeit­ig so berührt, aufgeregt, beruhigt und gefesselt. Auch wenn die Reise kurz war, habe ich sehr viel gelernt. Zum Beispiel über mich selbst – dass ich intensiver darauf achten muss, was mein Körper mir sagt. Wie er mit Stress und Hitze umgeht. Wie gut es mir tut, auf der Wiese zu sitzen und einfach nur Vögel oder Flughunde zu beobachten. Ich habe gemerkt, dass ich in Delhi seit Langem wieder einmal richtig durchatmen konnte. Seitdem bemühe ich mich, auch zu Hause wieder mehr ich selbst zu sein. Mich bewusst zu entspannen, wie es mir Dr. Kartsang geraten hat. Wieder ein bisschen achtsamer zu werden. Denn obwohl Delhi so laut und pulsierend ist, habe ich gemerkt, dass mein bisheriger Alltag um nichts leiser ist. Auch wenn die Hupen fehlen. Hannah Hold

 ??  ?? Der Kräutermar­kt von Delhi ist berühmt für seine reiche Vielfalt an Kräutern und Gewürzen
Der Kräutermar­kt von Delhi ist berühmt für seine reiche Vielfalt an Kräutern und Gewürzen
 ??  ?? Pausen sind wichtig – ob in Indien oder bei uns zu Hause
Pausen sind wichtig – ob in Indien oder bei uns zu Hause
 ??  ?? Ein echtes Abenteuer, in einem Tuk-tuk den pulsierend­en Verkehr Delhis zu erleben
Ein echtes Abenteuer, in einem Tuk-tuk den pulsierend­en Verkehr Delhis zu erleben

Newspapers in German

Newspapers from Germany