Gold, Weihrauch, Myrrhe
GOLD, WEIHRAUCH UND MYRRHE
Reisen Sie mit uns und entdecken Sie die Heilkraft der Gaben aus dem Morgenland
Lange hat man die Geschenke der heiligen drei Könige symbolisch gedeutet, als Zeichen ihrer Referenz für das Jesuskind. Tatsächlich aber haben die Weisen aus dem Morgenland drei Gaben mit großer Heilkraft gebracht
Zu den Zeiten von Bethlehems Stall waren auch Weihrauch und Myrrhen so kostbar wie Gold, sodass ihr Gebrauch als Heilmittel zwar bekannt, aber nur wenigen vorbehalten war. Daher wurden die Gaben lange als Zeichen der Verehrung gedeutet, und ihr praktischer Nutzen geriet mit wenigen Ausnahmen in Vergessenheit. Eine davon ist der Weihrauch, der in katholischen Kirchen nicht nur mit seinem Duft für die rechte Stimmung sorgt, sondern auch für die Reinigung der Luft.
Die große Legendensammlung des Mittelalters, die Gesta Romanorum, sieht gleich mehrere Allegorien zu den drei Gaben: „Gold bezeichnet den einem König gebührenden Weisheitsschatz, der Weihrauch das ergebungsvolle Opfer und Gebet, die Myrrhe die reinhaltende Kraft der Selbstbeherrschung. Mit der Zahl Drei wurde auch an Noah und seine drei Söhne Sem, Ham und Jafet erinnert, die in ihrer Dreizahl für die gesamte Menschheit standen, denn sie wurden zu den Stammvätern der semitischen, der afrikanischen und der indogermanischen Völker. Und so wurden die drei Magier zu Repräsentanten der drei damals bekannten Erdteile: Asien, Afrika und Europa.“Tatsächlich heißt es im Matthäus-evangelium nur: „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter, da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.“Erst die nachfolgende Geschichtsschreibung verpasste den drei Geschenken drei königliche Überbringer.
GÖTTLICHES GOLD – DAS GESCHENK DES HIMMELS
Gold als Zeichen des Göttlichen hat eine lange Tradition durch alle Kulturen und Religionen: das Gold der Pharaonen, der Inka und Azteken, das goldene Kalb in der Bibel, der heilige Gral – der Legende nach eine goldene Trinkschale – und nicht zuletzt, das Gold in Märchen und Sagen. Gold ist das himmlische Feuer, die Sonne. Und tatsächlich haben die alten Mythen vom Himmelgold einen wahren Kern: Das Edelmetall entsteht bei der Explosion gewaltiger Neutronensterne, das auf der Erde vorhandene Gold stammt also aus dem Weltall und versank zunächst im Erdinnern. Von dort kommt es auf unterschiedlichen Wegen ans Licht. Im alten Ägypten sahen die Pharaonen sich als Söhne des Sonnengottes und kehrten nach ihrem Tod zur Sonne zurück. Auch im Christentum ist das Gold Zeichen des Göttlichen. In der Bildsprache des Mittelalters unterscheiden der goldene Strahlenkranz, die Aureole, oder ein goldener Hintergrund Heilige von Sterblichen – die Ikonenmalerei bedient sich bis heute dieser Symbolik.
GOLD FÜR DIE VORSORGE UND ZUR HEILUNG
Nicht nur in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird Gold seit Jahrtausenden als tonisierendes und anregendes Heilmittel geschätzt. Die Charaka Samhita (ayurvedische Schriftsammlung) empfiehlt das Trinken von mit einem Goldstück gekochtem heißem Wasser, um die Leistungsfähigkeit des Gehirns anzuregen, zur Stärkung des Herzens, gegen Entzündungen der Gelenke und für ein starkes Immunsystem. In China wurden Goldstücke oder Goldschmuck mit dem Essen mitgekocht oder goldene Akupunkturnadeln gesetzt, die das Qi und den Energiefluss verstärken sollten. Paracelsus hingegen lobt die entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung von Gold. Für Hildegard von Bingen ist das Gold warm wie die Sonne. In ihrer Goldkur empfiehlt sie es beispielsweise gegen Magenbeschwerden und Gicht und als Prävention oder Kur einmal jährlich: „Ein Mensch der von der Gicht befallen ist, koche Gold so lange, bis es völlig rein ist. Dann zermahle er es zu Pulver, nehme eine Handvoll Mehl, knete dies mit Wasser und gebe zum
Teig ein wenig von dem Goldpulver, im Gewicht eines Obulus. Wenn er am Morgen nüchtern ißt, und am Tag darauf ebenfalls nüchtern ißt, vertreibt es die Gicht für ein ganzes Jahr. Das Gold liegt zwei Monate in seinem Magen. Aber es macht den Magen nicht bitter. Es erzeugt auch keinen Eiter, sondern es reinigt ihn ohne Gefahr, wenn er kalt und schleimig ist. Wenn ein Gesunder dies tut, erhält er damit seine Gesundheit, ein Kranker gewinnt sie.“(Physica, De Metallis). Die Homöopathie setzt Gold als Aurum metallicum unter anderem bei schweren Depressionen, Herzerkrankungen und hohem Bluthochdruck ein sowie – überwiegend bei Frauen – bei Geschlechtskrankheiten. In der Spagyrik soll es die Lebenskraft, den Kreislauf und das Immunsystem stärken.
SCHWINGUNG, VERDÜNNUNG ODER VEGETABILISIERUNG
Die Anwendung und Gewinnung von Gold als Heilmittel ist sehr unterschiedlich. Neben der Einnahme, wie sie Hildegard empfiehlt, kann der Körper das Gold auch absorbieren. So schreibt Martin Vitt in seinem Buch „Gold als Medizin“: „Gerade Ringe, die eng anliegen, führen dem Träger kleinste Goldmengen zu. Oftmals, wenn ein Mensch mit hohem Fieber im Bett liegt, holt sich der Organismus seine ‚Ration‘ an Gold. Dann ist nach dem Abklingen des Fiebers am Ringfinger ein schwarzer Rand sichtbar, welcher von beigemischten Metallen herrührt, welche in der Ringlegierung enthalten sind. Auch beim Trinken aus Bechern mit Goldrand, früher in adeligen Kreisen und gutbetuchten Familien weit verbreitet, kommen die Schleimhäute mit den Molekülen von Gold in Berührung.“Die Anthroposophie setzt auf Verfahren wie die Metallspiegelherstellung, eine Art der Destillation, oder auf die Vegetabilisierung, bei der Pflanzen über drei Vegetationsperioden hinweg das Metall aus mit einer speziellen Metallzubereitung gedüngter Erde aufnehmen. Das Ergebnis dieses Prozesses sind etwa Urtinkturen. Auch in der Natur reichert sich Gold in winzigen Mengen an, überwiegend in der durchwurzelten Erdschicht. Von dort nehmen es Tiere, Pflanzen und auch der Mensch auf. Homöopathische Gold-globuli enthalten je nach Potenz kein Gold, sondern sollen die Gold-typischen Schwingungen transportieren. Am populärsten ist kolloidales Gold als Flüssigkeit mit winzigen Goldpartikeln. Auch wenn es als Nahrungsergänzungsmittel frei verkauft wird, sollte Gold nicht ohne Rücksprache mit einem Arzt oder Heilpraktiker eingenommen werden. Wer kein Metall aufnehmen möchte, kann auf Aurum homöopathisch in entsprechender Potenz ausweichen.
WEIHRAUCH UND MYRRHE – RAUCH GEWORDENE GEBETE
Beide Gaben sind das Harz unterschiedlicher Pflanzen aus der Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae). Weihrauchbäume sind spärlich belaubte, knorrige Bäume und Sträucher, die auch unter extremen klimatischen Bedingungen wachsen. Sie bevorzugen trockene, kalksteinhaltige, felsige Böden und haben lange flache Wurzeln, um das wenige Regenwasser, das in solchen Gegenden fällt, aufnehmen zu können. Unter guten Bedingungen können sie bis zu acht Meter groß werden. Die Bäume wachsen meist einzeln, wild, in wüstenartigen und einsamen Gegenden. Bis heute ist es fast unmöglich, Weihrauchbäume zu züchten. Der stark verzweigte Baum hat eine papierähnliche Rinde, gefiederte Blätter und kleine, sternförmige, blassgelbe Blüten. Je nach Herkunft unterscheidet man indischen Weihrauch (Boswellia serrata), Weihrauch aus Somalia, Oman und Jemen (Boswellia sacra oder carterii) oder aus Ostafrika und Äthiopien (Boswellia papyrifera). Für medizinische Anwendungen wird meist der indische Weihrauch genutzt und auch die Weisen hatten wohl Boswellia serrata im Gepäck.
EINZIGARTIG: DIE BOSWELLIASÄUREN
Seine Heilkraft verdankt der Weihrauch den enthaltenen Schleimstoffen, ätherischen Ölen sowie Harz- und Boswelliasäuren, die nur in Weihrauch, wenn auch je nach Art in unterschiedlicher Konzentration und Zusammensetzung
vorhanden sind. Auch wenn Weihrauch seit Jahrhunderten für seine entzündungshemmende Wirkung bekannt war – die Beduinen in Südarabien beispielsweise kauten Weihrauchharz für gesunde Zähne und Zahnfleisch oder während einer Schwangerschaft – begann man, die genaue Wirkung erst in jüngerer Zeit wissenschaftlich zu erforschen. Offenbar stärken die Boswelliasäuren Immunfunktionen und senken die Entzündungsmarker, indem sie die Produktion des Entzündungen hervorrufenden Zytokin stören, die Wechselwirkungen zwischen weißen Blutkörperchen und T-zellen regulieren und die Produktion von Antikörpern wie dem Immunglobulin G steuern. Erforscht ist die unterstützende Wirksamkeit des Weihrauches bislang bei rheumatischer Arthrose, bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, bei Asthma, Fibroadenomen (gutartigen Bindegewebsknoten in der Brust), bei Diabetes und chronischen Nierenerkrankungen. Wie Kurkuma kann Weihrauch als Kapsel geschluckt nur schlecht vom Körper aufgenommen werden. In der Folge sind hohe Dosierungen notwendig. Besseren Erfolg versprechen neue Mizellenpräparate.
DER BAUM BLUTET FÜR DEN DUFT
Gewonnen wird das Duftharz Weihrauch, das Olibanum, indem man die Baumrinde einritzt. Ein Baum kann mehrmals im Jahr eingeritzt werden, schonender
ist es jedoch, die Rinde abzuschälen. Die Ausbeute einer ersten Ernte besteht meist nur aus kleinen dunklen Harzperlen, die hochwertigen großen und hellen Tropfen gibt der Baum erst bei nachfolgenden Ernten ab. Ein Baum kann bis zu 20 Kilo Harz liefern, benötigt aber spätestens nach drei Jahren einige Jahre Pause. Das Harz muss zwei bis drei Wochen trocknen, bevor man es als Räucherware verbrennen kann. Je nach Sorte und Herkunft unterscheidet sich Weihrauch nicht nur in der Farbe – zwischen hellgelb über orange bis dunkelbraun – sondern auch im Duft. Wegen der roten Farbe galt das Harz lange als Blut des Weihrauchbaumes.
SCHÖNHEITSMITTEL UND GESCHMACKSVERSTÄRKER
Auch die Myrrhe (Commiphora myrrha) stammt aus den trockenen und heißen Gebieten Afrikas und Arabiens. Sie wächst in Somalia, Äthiopien, dem Jemen und im Sudan,
einige Arten finden sich auch auf Madagaskar und in Vorderindien. Die wehrhaften Büsche oder Bäumchen sind mit spitzen Stacheln versehen, dazwischen wachsen kleine, gedrehte Blätter und Rispen mit hellen Blüten, aus denen später rote Beeren reifen. Geerntet wird der in der Luft zu gelb-rötlichem Harz eingetrocknete Saft ähnlich wie beim Weihrauch. Im Gegensatz zum Weihrauch lässt sich Myrrhe auch hierzulande züchten und ist in europäischen Klostergärten zu finden, etwa der Benediktiner-abtei Evesham in Südengland.
BITTER UND DESINFIZIEREND
Die Myrrhe gehört zu den ältesten bekannten medizinisch und kultisch verwendeten Pflanzen. Myrrhenharz schmeckt sehr bitter – nicht umsonst stammt der Name vom arabischen „murr“(bitter). Myrrhe wirkt desinfizierend, zusammenziehend und fördert die Wundheilung, denn das Harz soll die Rinde der Bäume bei Verletzungen schützen. Gleichzeitig bewirken die Inhaltsstoffe, dass sich das Gewebe zusammenzieht, und verhindern das Wachsen von Pilzsporen und bestimmten Bakterien. Tinkturen mit Myrrhe helfen gut bei Entzündungen im Mund, Rachen und am Zahnfleisch. Die Volksmedizin nutzt Myrrhe bei leichten Darmerkrankungen, Husten und Heiserkeit. Dazu mischte man das Harz mit etwas Honig und nahm es ein oder löste es in heißem Wasser, um zu inhalieren. Sogar als Heilmittel gegen die Pest sollte die Myrrhe helfen, der Arzt Avicenna mischte aus ihrem Harz, Safran und Aloe seine Pestpillen. Heute wird Myrrhe auch bei chronischen Darmerkrankungen gegeben. Forschungen an der Universitätleipzig zeigen, dass das Harz eine krampflösende Wirkung hat. Hinzu kommt ein hoher Anteil von Bitter- und Gerbstoffen, die ebenfalls beruhigend auf die Verdauung wirken. Verstärken lässt sich die Wirkung durch Kamille und Aktivkohle.
DIE TRÄNEN DER KÖNIGSTOCHTER
Wie der Weihrauch wird das Harz der Myrrhe verräuchert, sein Duft ist etwas herber und holziger. Im sumerischen Gilgamesch-epos bedankt sich Utanapischti mit einem Rauchopfer aus Zeder, Süßholz und Myrrhe für seine Rettung vor der Sintflut. Die Ägypter opferten dem Sonnengott Ra morgens mit Weihrauch und mittags mit Myrrhe. Die griechische Mythologie kennt die Myrrhe als Smyrna. Smyrna verliebte sich in ihren Vater und verführte ihn. Sobald dieser seine Tochter erkannte, wollte er sie töten. Die Götter erhörten Smyrnas Bitte um Rettung und verwandelten sie in einen Baum. So lebt sie zwar bis heute weiter, vergießt aber bittere Tränen – das Harz der Myrrhe. In der Antike war Myrrhe trotz ihres bitteren Geschmacks als kosmetisches und medizinisches Heilmittel sehr beliebt. Man verwendete das pulverisierte Harz als Aphrodisiakum, Deodorant, Parfum oder Insektenmittel etwa gegen Flöhe. Bis heute ist Myrrhe vielen Parfums als Duftverstärker beigemischt. Hippokrates von Kos lobt das Harz als zusammenziehendes, austrocknendes Wundmittel und nutzt es gegen Geschwüre und zur Wundheilung. Der Jesus vor seiner Kreuzigung angebotene Wein war mit Myrrhe versetzt. Dies sollte eigentlich den Geschmack des Weines verstärken, führte jedoch zu einer betäubenden Wirkung.
RÄUCHERWARE FÜR DIE TOTEN
Myrrhe diente zur Einbalsamierung und war wichtiger Bestandteil des heiligen Salböls. Der Duft des verbrennenden Weihrauchs wird und wurde in vielen Religionen zu kultischen Handlungen verwendet, macht er doch die „Gegenwart Gottes für den Menschen sinnlich erfahrbar“, wie Dr. Bettina Winkler schreibt. Die bittere Myrrhe steht eher für das Opfer und die Aufopferung, als Gabe der Weisen gibt sie einen ersten Hinweis auf Jesu Tod. Beide Räucherharze finden sich in Bestattungsriten: bei der Mumifizierung im Alten Ägypten bis zur Todesliturgie im katholischen Gottesdienst, im Islam, im Judentum oder im Buddhismus.
DER WEG DES WEIHRAUCHS
Dass Weihrauch und Myrrhe überhaupt ihren Weg nach Europa fanden, war einem weiteren Besucher der weihnachtlichen Krippe zu verdanken: dem Kamel. Nur diese genügsamen Tiere waren in der Lage, das kostbare Duftharz über die vielfach verzweigte Weihrauchstraße zu transportieren. Bis heute lassen sich die Wege der Weihrauchstraße – neben der Seidenstraße der wichtigste Handelsweg der Antike – auf der arabischen Halbinsel erkennen. Der omanische Weihrauch-hafen Al Baleed mauserte sich so vom Fischerdorf zum wichtigsten Umschlagplatz für Seide, Gewürze, Räucherwerk, aber auch Pferde, die im Tausch gegen Weihrauch nach Indien exportiert wurden. Über das Mittelmeer gelangte die kostbare Ware nach Venedig und bis nach Nord- und Mitteleuropa. In unseren Krippen und weihnachtlichen Traditionen hat er dort einen festen Platz gefunden. Noch heute wird in katholischen Regionen am 6. Januar mit Weihrauchduft geräuchert und gereinigt und die Haustür des gesegneten Hauses mit den Buchstaben „C * M * B“sowie der Jahreszahl in Kreide geweiht.