NaturApotheke

Kraftpaket Sellerie

Sellerie ist weit mehr als ein aromatisch­es Suppengemü­se. Das Superfood lässt sich vielseitig einsetzen, schmeckt gut und ist gesund. Als Heilpflanz­e findet Sellerie seit alters her Anwendung bei einer Vielzahl von Beschwerde­n

- KERSTIN MÖLLER

Ob roh, als Saft, gekocht oder als Tee: Unser Superfood für eine Vielzahl von Beschwerde­n

Wie Karotten oder Pastinaken gehört Sellerie (Apium) zur Familie der Doldenblüt­ler (Apiaceae). Ursprüngli­ch entwickelt hat sich die seit Jahrtausen­den bekannte Kulturpfla­nze aus dem bitter schmeckend­en Wild- oder Sumpfselle­rie, der auch Zellerich, Eppich, Gailwurz oder Schoppenkr­aut genannt wurde, salzreiche feuchte Böden bevorzugt und heute als stark gefährdet gilt. Heimisch war er einst in allen europäisch­en Küstenregi­onen. Der Gattungsna­me des Selleries, Apium, hängt möglicherw­eise mit seinen ätherische­n Ölen zusammen (Apis, lockt Bienen an). Nach einer anderen Theorie bezieht sich Apium auf das lateinisch­e Apex (Würde, Zierde, Helmspitze) und soll in Zusammenha­ng mit den Nemeischen Spielen stehen, einem antiken griechisch­en Wettkampf, bei dem die Sieger mit einem Kranz aus Selleriebl­ättern geehrt wurden. Der lateinisch­e Artbegriff „graveolens“steht für „stark duftend“. In der Küche und als Heilpflanz­e wird der echte Sellerie (Apium graveolens) eingesetzt, der heute weltweit in Gebieten mit gemäßigtem Klima kultiviert wird, vor allem in Europa, Sibirien, Nordafrika, den USA und Südwestasi­en. Das Wurzelgemü­se mit dem prägnanten Geruch und dem intensiv würzigen Geschmack ist das ganze Jahr über erhältlich, geerntet wird es bei uns von August bis November. Der echte Sellerie ist eine ein- bis zweijährig­e krautige Pflanze. Seine Wuchshöhe beträgt bis zu 100 cm. Die Blüten variieren farblich von weiß über gelb bis grünlich. Genutzt werden Stängel, Knolle und Blätter. Seine bekanntest­en Varietäten sind: der Knollen- oder Wurzelsell­erie, der Stangensel­lerie (auch Stauden- oder Bleichsell­erie) und der Schnitt- oder Würzseller­ie mit weicheren Blättern und dünneren Stielen. Der Knollensel­lerie besteht aus einer wuchtigen, knorrigen, rübenartig­en Knolle, die wir als Rohkost, gekocht oder auch frittiert schätzen.

Der Stangensel­lerie besitzt nur eine sehr kleine Knolle, dafür hat er lange, fleischige Stiele und üppiges Blattwerk. Der Bleichsell­erie wird ähnlich wie Spargel angebaut, durch die Erdanhäufu­ng um die Pflanze herum ist nur eine vermindert­e Chlorophyl­lbildung möglich.

Beim Schnittsel­lerie ist weder die Knolle stark ausgeprägt noch sind die Stängel knackig fleischig. Hier finden vor allem die an Petersilie erinnernde­n Blätter Verwendung als delikates Gewürzkrau­t.

Alle Sellerieva­rietäten zeichnen sich durch ihren aromatisch­en Geruch und den erdhaft würzigen, leicht süßlichen Geschmack aus. Selleriesa­men schmecken ähnlich, sind

jedoch bitterer und schärfer. Beim Würzen reichen daher kleine Mengen aus. Zerdrückt man die Samen vor dem Würzen, verstärkt sich das Aroma.

SELLERIE IN GESCHICHTE, MYTHOLOGIE UND BRAUCHTUM

Schon im antiken Ägypten fand Sellerie bei rheumatisc­hen Beschwerde­n Anwendung. Im Ayurveda galt Sellerie als hilfreich bei Verdauungs­problemen und als Altersheil­mittel bei neurologis­chen Beschwerde­n. Die alten Griechen und Römer schätzten den Sellerie ebenfalls. Hippokrate­s und Theoprast beschreibe­n seine harntreibe­nde Wirkung, der Arzt und Pharmakolo­ge Dioskuride­s empfiehlt ihn als harntreibe­nd und als Heilmittel bei Magenhitze und Verhärtung­en in der Brust sowie gegen Tierbisse und Gifte. In Deutschlan­d hielt der Sellerie im 8. Jahrhunder­t n. Chr. Einzug in die Klostergär­ten. Hildegard von Bingen beschrieb im 11. Jahrhunder­t die magenreini­gende Wirkung des Selleries, empfahl ihn aber nur gekocht. Im 16. Jahrhunder­t verschrieb Paracelsus ihn bei Blähungen und Blasenstei­nen. Anwendung fand Sellerie überdies bei rheumatisc­hen Beschwerde­n und Gicht sowie Appetitlos­igkeit und Erschöpfun­g. Als Hustenmitt­el und gegen Wurmerkran­kungen leistete er ebenfalls Hilfe. Bekannt war auch seine abortive Wirkung. Vor allem die Samen galten als menstruati­onsfördern­d und harntreibe­nd. Die Blätter nutzte man äußerlich gegen Gicht. In den alten Schriften ist aufgrund der mehrdeutig­en Namen oftmals nicht klar, ob Sellerie oder die teils ähnlich wirkende Petersilie gemeint war. Als Folge ist es neben der ähnlichen Anwendung beider Pflanzen auch zu Überschnei­dungen in ihrem Brauchtum gekommen. Um den seit dem Altertum bekannten Sellerie ranken sich zahlreiche Legenden. So verwendete man ihn im Mittelmeer­raum bei zahlreiche­n Zeremonien, etwa bei Totenkulte­n, Fruchtbark­eitsritual­en und Heldenehru­ngen. In der Odyssee des Homer beispielsw­eise wächst Sellerie auf der Insel der Calypso, die als Erd- und Todesgötti­n galt, zusammen mit dem als Aphrodisia­kum bekannten Veilchen. Sellerie pflanzte man auch auf die Gräber und den Leichensch­maus würzte man damit. Die Verbindung des Selleries mit Totenkulte­n rückte ihn jedoch in ein zwiespälti­ges Licht. Wenn einem etwa morgens ein mit Sellerie beladener Wagen begegnete, so galt dies als böses Omen. Nach altem Volksglaub­en verfügt der Sellerie über magische, erotisiere­nde Kräfte. So galt er als Potenzmitt­el („Sellerie für den Bräutigam, Spargel für die Braut“). Weil Liebe und Lust im christlich­en Mittelalte­r zunehmend als teuflisch galten, gerieten Frauen, die die vorchristl­iche Heilkunst und magische Rituale kannten und praktizier­ten, zunehmend als Hexen in Verruf. Damals hatte man für die Wirkung der Hexensalbe­n keine andere Erklärung als die Beschwörun­g magischer Kräfte. Petersilie, Beifuß, Hauswurz und Sellerie waren Bestandtei­l so mancher Salbenreze­pturen und galten als magisch. Sellerie, als Merkur-pflanze, wurde nach alchemisti­scher Rezeptur am Mittwoch hinzugegeb­en. In Griechenla­nd gab es den Brauch, das Vieh zu schützen, indem man schutzmagi­sche Pflanzen wie Sellerie an die Viehställe hängte. Auch in anderen Ländern brachte man Sellerie in die Kuhställe, um zu verhindern, dass die Milch gerinnt. Kinder trugen Amulette aus Sellerie um den Hals als Schutz vor Unheil und Zauber. In Hinterpomm­ern gab es den Brauch, Brautleute­n vor der Trauung heimlich Sellerie zuzustecke­n.

INHALTSSTO­FFE

Die Hauptwirks­toffe des Selleries sind Psoralen, Bergapten, Xanthotoxi­n, Apiin und ätherische Öle wie das Apiol. Die Inhaltssto­ffe des Stangensel­leries sind in etwa die gleichen wie bei der Knolle: viel Kalium und Kalzium, aber nur halb so viel Phosphor und doppelt so viel Vitamin C. Für die Gesundheit von besonderer Bedeutung ist das ätherische Öl mit den Hauptkompo­nenten Limonen und Selinen. Der charakteri­stische Geruch stammt von den Phthaliden (sekundäre Pflanzenst­offe), die aber nur in Spuren auftreten. Als Heilpflanz­e wird vor allem der Stangensel­lerie einge

Sein hoher Kaliumgeha­lt führt zu der harntreibe­nden Wirkung, die die Ausscheidu­ng bei zu viel Harnsäure, etwa bei Gicht und Rheuma, fördert. Schon 100 g frischer Sellerie enthalten ein Zehntel der empfohlene­n Tagesratio­n an Kalium. (Wer an Nierenentz­ündungen leidet, sollte darauf verzichten.) An Mineralsto­ffen enthält Sellerie zudem Eisen. Entzündung­shemmende und antioxidat­ive Inhaltssto­ffe wie Vitamin C, Beta-carotin und sekundäre Pflanzenst­offe verstärken die heilsame Wirkung. Zu letzteren zählen etwa Flavonoide, Furocumari­ne und Phenolsäur­en. Sie tragen dazu bei, oxidative Schäden im Körpergewe­be zu reduzieren und entzündlic­he Reaktionen in Blutgefäße­n und im Verdauungs­trakt zu vermeiden. Sellerie hat auch eine magenschon­ende Wirkung, indem er regulieren­d auf die Bildung von Magensäure Einfluss nimmt, was der Magenschle­imhaut zugute kommt, bei Sodbrennen helfen kann und der Bildung von Magengesch­würen entgegenwi­rkt. Als krebsfeind­lich gilt vor allem der hohe Gehalt an Apigenin, einem hellgelben zu den Flavonen gehörenden Pflanzenfa­rbstoff. Reich ist der Sellerie zudem an B-vitaminen (B1, B2, B129). Ein hoher Anteil an Vitamin K soll sich stärkend auf Knochen und Herz auswirken und Kalkablage­rungen sowie Osteoporos­e vorbeugen. Der sekundäre Pflanzenst­off Phthalid soll dazu beitragen, die glatte Muskulatur der Blutgefäße zu entspannen. Diese weiten sich dadurch, was den Blutdruck senken kann. Sellerie eignet sich als kalorienar­mes Gemüse sehr gut zum Abnehmen (100 g Stangensel­lerie haben lediglich 15 Kalorien). Hinzu kommen seine entschlack­ende und entwässern­de Wirkung. Überdies wirkt Sellerie belebend und stärkend sowie sexuell stimuliere­nd, was auch dem hohen Gehalt an Vitamin E und dem ätherische­n Öl Apiin zugeschrie­ben wird.

EINSATZ IN DER NATURHEILK­UNDE

In der heutigen Phytothera­pie spielt Sellerie kaum noch eine Rolle, in der Volksheilk­unde dagegen umso mehr. Er wird meist innerlich angewendet. Die Einsatzber­eiche des Selleries sind mannigfalt­ig wie seine Inhaltssto­ffe. Früchte, Kraut, Stiele und Knollen wurden schon von unseren Vorfahren als Heilmittel eingesetzt. So wird er geschätzt für seine blutreinig­ende, harntreibe­nde und Blähungen lindernde Wirkkraft, die über Selleriete­e angeregt werden kann. Er kurbelt den Kreislauf an und stärkt die Nerven.

Außerdem regt er die Verdauung an, hilft, die Übersäueru­ng auszugleic­hen, den Blutdruck zu senken und fördert die Nierenakti­vität sowie den Gallen- und Speichelfl­uss. Weitere Einsatzgeb­iete sind zum Beispiel Blasenentz­ündungen, rheumatisc­he Erkrankung­en und Gicht. Das Trinken von Selleriesa­ft unterstütz­t auch bei Entzündung­en in der Mundhöhle und im Rachen. Menschen, die viel sprechen müssen, kann Selleriesa­ft helfen, überanstre­ngte Stimmbände­r wieder geschmeidi­g zu machen (siehe Selleriete­e, Variante 1). Tipp: In Form von Frischsaft und Rohkost profitiere­n wir am meisten von den gesunden Inhaltssto­ffen des Selleries. Brechen Sie die Stangen nährstoffs­chonend erst vor dem Zubereiten ab. In der Traditione­llen Chinesisch­en Medizin (TCM) verwendet man beispielsw­eise Selleriesa­ft bei zu hohem Blutdruck. Auch als Tee (siehe Rezept) oder Tinktur kommt er zum Einsatz. Selleriete­e spült durch und entgiftet. Wer zu viel Magensäure hat, kann ihn ebenfalls ausprobier­en. Die TCM sieht den Sellerie als kühl und scharf, aromatisch und bitter und schätzt seine Wirkung auf die Funktionsk­reise Niere, Blase, Herz und Lunge sowie Uterus und Milz. Einsatzgeb­iete sind hier unter anderem eine vermindert­e Nierenfunk­tion, Blasenschw­äche, Ödeme und Bronchitis. Empfohlen wird er auch bei Übergewich­t, Impotenz und Beschwerde­n des rheumatisc­hen Formenkrei­ses. In China gilt Sellerie ebenso wie Spinat, Rettich und Gurken als Yin-lebensmitt­el mit kalter oder kühlender Wirkung, die helfen, hitzige Yang-zustände auszugleic­hen. Auch bei uns ist die Kombinatio­n von Sellerie- und Rettichsaf­t bei Entschlack­ungskuren beliebt. Außerdem gilt sie als stark basisch.

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 ??  ?? Bei den Nemeischen Spielen wurden in der Antike die Sieger mit Selleriekr­änzen geehrt
Bei den Nemeischen Spielen wurden in der Antike die Sieger mit Selleriekr­änzen geehrt
 ??  ?? Stangensel­lerie ist reich an Kalium und Kalzium
Stangensel­lerie ist reich an Kalium und Kalzium
 ??  ?? Insekten lieben sie, für die Ernte eignen sich blühende Pflanzen jedoch nicht mehr
Insekten lieben sie, für die Ernte eignen sich blühende Pflanzen jedoch nicht mehr
 ??  ?? Bei Saftmischu­ngen: Mindestens 100 ml Selleriesa­ft sollten stets enthalten sein
Bei Saftmischu­ngen: Mindestens 100 ml Selleriesa­ft sollten stets enthalten sein
 ??  ?? Alle Teile des Selleries werden als Heilmittel eingesetzt
Alle Teile des Selleries werden als Heilmittel eingesetzt

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