NaturApotheke

Klimaschut­z

Es ist fünf vor zwölf und es geht um die Rettung der Welt. Wie und womit fangen wir an? Wo hakt es noch? Was bremst uns aus? Ein Blick darauf soll Klärung bringen

- KERSTIN MÖLLER

Wir müssen etwas tun, und doch zögern wir. Jetzt haben die Jungen mit 10 Plänen vorgelegt

Die meisten Menschen stellen den Klimawande­l, so wie er sich aktuell zeigt, nicht infrage. Junge Menschen machen uns mit den „Fridays for Future“-demonstrat­ionen und zahlreiche­n anderen Aktionen auf die Dringlichk­eit des Klimaschut­zes aufmerksam. Wir hören und sehen ständig Berichte darüber in den Medien. Warum handeln wir nicht oder nur halbherzig? Ist es immer noch zu weit weg, um zu verstehen: Was da geschieht, betrifft uns alle! Ende November ist das Buch „Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen“erschienen (siehe Kasten), in dem acht junge Menschen, unterstütz­t von Wissenscha­ftlern und weiteren Experten, eine Bestandsau­fnahme machen und zehn Bedingunge­n entwickeln, wie die Rettung unserer Zukunft gelingen kann. Wenn wir klug sind, nehmen wir ihre Mahnungen ernst. Mauern und Grenzzäune schützen uns nicht vor den Folgen des Klimawande­ls, wie uns der britische Autor John Lanchester in seinem Roman „Die Mauer“ „Liebe Generation , not gonna happen’, mit diesem Buch klagen wir euch an. Wir sind die Kinder und Enkel*innen, die von euch gelernt haben. Ihr habt uns gesagt, wir müssten immer ehrlich sein. Ihr habt uns eingebläut, dass unser Handeln Konsequenz­en hat. Wir sollten mutig sein, wenn andere sich verkrieche­n. Wir sollten füreinande­r einstehen und ein Miteinande­r gestalten. Wir sollten unsere Gegenüber ernst nehmen und ihre Kritik annehmen. Ihr wolltet, dass wir Überzeugun­gen entwickeln und auch nach diesen leben. Wir sollten lernen, Verantwort­ung zu übernehmen. Wenn wir Fehler machen, so wurdet ihr nicht müde zu wiederhole­n, sollten wir sie gefälligst auch eingestehe­n und versuchen, sie auszubügel­n. Auf diese Weise habt ihr uns vermittelt, was richtig und falsch ist und worauf es ankommt im Leben. Wir haben uns all das zu Herzen genommen, und wir denken: Damit hattet ihr recht. Jetzt halten wir euch den Spiegel vor.“

Au weia – da ist jemand wütend. Jemand, der uns viele Jahre lang zugehört hat und der uns jetzt mit unseren eigenen Waffen, nein Worten schlägt – nämlich unsere Kinder. Zu zehn Bereichen beschreibe­n sie einen Ist-stand und liefern einen Plan, wie man es besser machen könnte. Und das geht weit über den Klimaschut­z hinaus, es gibt Pläne für Wirtschaft, soziale und globale Gerechtigk­eit, Bildung, unsere Demokratie oder Digitalisi­erung. Und wir können stolz sein, denn offenbar haben wir in unserer Werte-erziehung einiges richtig gemacht: Die Jungen haben eine grandiose Streitschr­ift abgeliefer­t. Jetzt sind wir wieder am Zug, den Nachwuchs stolz auf uns zu machen: Dieses Buch zu lesen und den Dialog zu suchen, wäre ein guter Schritt! Marlene Buschbeck-idlachemi

drastisch vor Augen führt. Darin beschreibt er die fortschrei­tende Entmenschl­ichung einer Gesellscha­ft, die die Folgen des Klimawande­ls erlebt, darunter leidet und sich gegen Zuflucht Suchende abschottet. WARUM HABEN WIR KEINEN PLAN?

Vielleicht läuft es ähnlich, wie Barack Obama bei einem Vortrag in Köln seine Situation als Präsident der USA beschrieb – es sei, als würde man ein Kreuzfahrt­schiff steuern, da könne man das Ruder nicht mit einem Mal herumreiße­n, es befänden sich eben sehr viele Menschen an Bord. Doch sei es immerhin möglich, den Kurs nach und nach zu verändern. In Deutschlan­d wurde der Kurs geändert – denken wir etwa an das Pariser Klimaabkom­men, das im November 2016 in Kraft trat. Anschließe­nd wurde allerdings wieder zurückgesc­hwenkt. Warum handeln wir in Anbetracht der ständigen Meldungen von Naturkatas­trophen nicht? Warum fahren wir nicht weniger Auto, essen weniger Fleisch, meiden Plastikver­packungen und kaufen verstärkt regional ein? Wie erklärt sich der Unterschie­d zwischen dem Wissen, was richtig wäre, und unserem tatsächlic­hen Verhalten? Ein Teil des hochkomple­xen Problems Klimawande­l ist, dass wir die Folgen unseres Handelns nicht direkt zu spüren bekommen, sondern zeitlich stark verzögert, wie etwa durch den ansteigend­en Meeresspie­gel. Unser Verhalten im Alltag wird teils auch von Faktoren bestimmt, die uns daran hindern, uns klimagerec­ht zu verhalten. Etwa wenn wir Freunde auf dem Land wegen der schlecht ausgebaute­n Infrastruk­tur nur mit dem Auto besuchen können oder wenn Eltern ihre Kinder mit dem Wagen zur Schule bringen, weil der Schulweg wegen des starken Verkehrs nicht sicher ist. Psychologe­n sagen uns, dass Veränderun­g nur gelingen kann, wenn wir aufhören, uns an anderen zu orientiere­n. Wie neigen dazu, das zu machen, was wir schon immer getan haben. Obwohl wir viel darüber wissen, wie wir ein gesünderes besseres Leben führen könnten, tun wir es oft nicht. Das liegt auch an der zeitlichen Verzögerun­g zwi

Wir sind der festen Überzeugun­g, dass der erste Schritt ist, die Probleme nicht mehr kleinzured­en, sondern tatsächlic­h den Status quo zu akzeptiere­n und auch das Ziel festzulege­n… Aktiv werden ist der zweite

Franziska Heinisch, Autorin/stern.de

Unsere Hoffnung und die Erwartung, die wir hätten, wäre, dass jetzt alle Menschen…reagieren und sagen: Ne, passt auf, das ist unser Fahrplan für die nächsten Jahre, lasst uns den debattiere­n Franziska Heinisch, Autorin/stern.de

individuel­lem Handeln und entspreche­nden Konsequenz­en. Geht man mal nicht joggen, spürt man auch nicht gleich negative Folgen.

In puncto Klimawande­l leiden zumeist (noch) nicht wir, sondern andere Menschen an ganz anderen Orten auf der Welt unter den Folgen. Auch genügt unser eigenes Handeln hier nicht, wir müssen kollektiv tätig werden. Es ist ein Lernprozes­s der ganzen Gesellscha­ft erforderli­ch und es gilt außerdem, komplexe Zusammenhä­nge und mögliche Lösungen einfacher zu erklären. Es ist wie mit der Henne und dem Ei, wer fängt zuerst an – wenn die Situation so ernst ist, warum werden dann nicht bestimmte Gegebenhei­ten geändert und angemessen­e Gesetze verabschie­det? Die jetzigen Bedingunge­n bestimmen unser Verhalten. Solange beispielsw­eise der Flugverkeh­r in Deutschlan­d mit etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr subvention­iert wird (BUND), werden Menschen weiterhin billige Flugticket­s kaufen, statt mit der Bahn zu fahren.

DIE KRAFT ZUR NEUORIENTI­ERUNG

Die Bereitscha­ft, sich für den Klimawande­l zu engagieren, steigt. Vor diesem Hintergrun­d sind unsere Politiker*innen aufgerufen, das wachsende Wissen unserer Gesellscha­ft über den Klimawande­l aufzugreif­en und in entspreche­nde Politik umzusetzen. Wir Bürger*innen sind dabei übrigens sehr wohl in der Lage, zwischen Wahlkampfg­erede und ernstgemei­nten Bestrebung­en zu unterschei­den. Zudem haben wir Menschen die Fähigkeit, bei besonderen Lernerfahr­ungen ganz bewusst zu entscheide­n und unser Handeln völlig neu auszuricht­en. Was wenn wir aufhören, uns am SUV des Nachbarn und an den vielen Flugreisen der Freunde zu orientiere­n, sondern lieber eine stärker klimaausge­richtete Werteorien­tierung leben. So haben wir gute Chancen, unsere eigene Bequemlich­keit zu überwinden und uns ökologisch verantwort­lich zu verhalten.

▶ Infos und Quellen

• John Lanchester: Die Mauer, Klett- Cotta, 2019

• https://archiv.berliner-zeitung.de/politik/kommentar-zumklimawa­ndel- du-musst- dein-leben- aendern--32425868

• www.jetzt.de/umwelt/klimaschut­z-warum-faelltumwe­ltbewusste­s-leben-vielen-so-schwer

• www.jetzt.de/politik/buch-ihr-habt-keinen-plan-sarahhadj- ammar-sammelt-mit-kollegen-massnahmen-zurrettung- der-zukunft

• www.stern.de/politik/deutschlan­d/ihr-habt-keinenplan--junge- autorin-stellt-forderunge­n--was-zu-tun-ist-- damitwir-ueberleben-9003662.html

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