Klimaschutz
Es ist fünf vor zwölf und es geht um die Rettung der Welt. Wie und womit fangen wir an? Wo hakt es noch? Was bremst uns aus? Ein Blick darauf soll Klärung bringen
Wir müssen etwas tun, und doch zögern wir. Jetzt haben die Jungen mit 10 Plänen vorgelegt
Die meisten Menschen stellen den Klimawandel, so wie er sich aktuell zeigt, nicht infrage. Junge Menschen machen uns mit den „Fridays for Future“-demonstrationen und zahlreichen anderen Aktionen auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes aufmerksam. Wir hören und sehen ständig Berichte darüber in den Medien. Warum handeln wir nicht oder nur halbherzig? Ist es immer noch zu weit weg, um zu verstehen: Was da geschieht, betrifft uns alle! Ende November ist das Buch „Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen“erschienen (siehe Kasten), in dem acht junge Menschen, unterstützt von Wissenschaftlern und weiteren Experten, eine Bestandsaufnahme machen und zehn Bedingungen entwickeln, wie die Rettung unserer Zukunft gelingen kann. Wenn wir klug sind, nehmen wir ihre Mahnungen ernst. Mauern und Grenzzäune schützen uns nicht vor den Folgen des Klimawandels, wie uns der britische Autor John Lanchester in seinem Roman „Die Mauer“ „Liebe Generation , not gonna happen’, mit diesem Buch klagen wir euch an. Wir sind die Kinder und Enkel*innen, die von euch gelernt haben. Ihr habt uns gesagt, wir müssten immer ehrlich sein. Ihr habt uns eingebläut, dass unser Handeln Konsequenzen hat. Wir sollten mutig sein, wenn andere sich verkriechen. Wir sollten füreinander einstehen und ein Miteinander gestalten. Wir sollten unsere Gegenüber ernst nehmen und ihre Kritik annehmen. Ihr wolltet, dass wir Überzeugungen entwickeln und auch nach diesen leben. Wir sollten lernen, Verantwortung zu übernehmen. Wenn wir Fehler machen, so wurdet ihr nicht müde zu wiederholen, sollten wir sie gefälligst auch eingestehen und versuchen, sie auszubügeln. Auf diese Weise habt ihr uns vermittelt, was richtig und falsch ist und worauf es ankommt im Leben. Wir haben uns all das zu Herzen genommen, und wir denken: Damit hattet ihr recht. Jetzt halten wir euch den Spiegel vor.“
Au weia – da ist jemand wütend. Jemand, der uns viele Jahre lang zugehört hat und der uns jetzt mit unseren eigenen Waffen, nein Worten schlägt – nämlich unsere Kinder. Zu zehn Bereichen beschreiben sie einen Ist-stand und liefern einen Plan, wie man es besser machen könnte. Und das geht weit über den Klimaschutz hinaus, es gibt Pläne für Wirtschaft, soziale und globale Gerechtigkeit, Bildung, unsere Demokratie oder Digitalisierung. Und wir können stolz sein, denn offenbar haben wir in unserer Werte-erziehung einiges richtig gemacht: Die Jungen haben eine grandiose Streitschrift abgeliefert. Jetzt sind wir wieder am Zug, den Nachwuchs stolz auf uns zu machen: Dieses Buch zu lesen und den Dialog zu suchen, wäre ein guter Schritt! Marlene Buschbeck-idlachemi
drastisch vor Augen führt. Darin beschreibt er die fortschreitende Entmenschlichung einer Gesellschaft, die die Folgen des Klimawandels erlebt, darunter leidet und sich gegen Zuflucht Suchende abschottet. WARUM HABEN WIR KEINEN PLAN?
Vielleicht läuft es ähnlich, wie Barack Obama bei einem Vortrag in Köln seine Situation als Präsident der USA beschrieb – es sei, als würde man ein Kreuzfahrtschiff steuern, da könne man das Ruder nicht mit einem Mal herumreißen, es befänden sich eben sehr viele Menschen an Bord. Doch sei es immerhin möglich, den Kurs nach und nach zu verändern. In Deutschland wurde der Kurs geändert – denken wir etwa an das Pariser Klimaabkommen, das im November 2016 in Kraft trat. Anschließend wurde allerdings wieder zurückgeschwenkt. Warum handeln wir in Anbetracht der ständigen Meldungen von Naturkatastrophen nicht? Warum fahren wir nicht weniger Auto, essen weniger Fleisch, meiden Plastikverpackungen und kaufen verstärkt regional ein? Wie erklärt sich der Unterschied zwischen dem Wissen, was richtig wäre, und unserem tatsächlichen Verhalten? Ein Teil des hochkomplexen Problems Klimawandel ist, dass wir die Folgen unseres Handelns nicht direkt zu spüren bekommen, sondern zeitlich stark verzögert, wie etwa durch den ansteigenden Meeresspiegel. Unser Verhalten im Alltag wird teils auch von Faktoren bestimmt, die uns daran hindern, uns klimagerecht zu verhalten. Etwa wenn wir Freunde auf dem Land wegen der schlecht ausgebauten Infrastruktur nur mit dem Auto besuchen können oder wenn Eltern ihre Kinder mit dem Wagen zur Schule bringen, weil der Schulweg wegen des starken Verkehrs nicht sicher ist. Psychologen sagen uns, dass Veränderung nur gelingen kann, wenn wir aufhören, uns an anderen zu orientieren. Wie neigen dazu, das zu machen, was wir schon immer getan haben. Obwohl wir viel darüber wissen, wie wir ein gesünderes besseres Leben führen könnten, tun wir es oft nicht. Das liegt auch an der zeitlichen Verzögerung zwi
Wir sind der festen Überzeugung, dass der erste Schritt ist, die Probleme nicht mehr kleinzureden, sondern tatsächlich den Status quo zu akzeptieren und auch das Ziel festzulegen… Aktiv werden ist der zweite
Franziska Heinisch, Autorin/stern.de
Unsere Hoffnung und die Erwartung, die wir hätten, wäre, dass jetzt alle Menschen…reagieren und sagen: Ne, passt auf, das ist unser Fahrplan für die nächsten Jahre, lasst uns den debattieren Franziska Heinisch, Autorin/stern.de
individuellem Handeln und entsprechenden Konsequenzen. Geht man mal nicht joggen, spürt man auch nicht gleich negative Folgen.
In puncto Klimawandel leiden zumeist (noch) nicht wir, sondern andere Menschen an ganz anderen Orten auf der Welt unter den Folgen. Auch genügt unser eigenes Handeln hier nicht, wir müssen kollektiv tätig werden. Es ist ein Lernprozess der ganzen Gesellschaft erforderlich und es gilt außerdem, komplexe Zusammenhänge und mögliche Lösungen einfacher zu erklären. Es ist wie mit der Henne und dem Ei, wer fängt zuerst an – wenn die Situation so ernst ist, warum werden dann nicht bestimmte Gegebenheiten geändert und angemessene Gesetze verabschiedet? Die jetzigen Bedingungen bestimmen unser Verhalten. Solange beispielsweise der Flugverkehr in Deutschland mit etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr subventioniert wird (BUND), werden Menschen weiterhin billige Flugtickets kaufen, statt mit der Bahn zu fahren.
DIE KRAFT ZUR NEUORIENTIERUNG
Die Bereitschaft, sich für den Klimawandel zu engagieren, steigt. Vor diesem Hintergrund sind unsere Politiker*innen aufgerufen, das wachsende Wissen unserer Gesellschaft über den Klimawandel aufzugreifen und in entsprechende Politik umzusetzen. Wir Bürger*innen sind dabei übrigens sehr wohl in der Lage, zwischen Wahlkampfgerede und ernstgemeinten Bestrebungen zu unterscheiden. Zudem haben wir Menschen die Fähigkeit, bei besonderen Lernerfahrungen ganz bewusst zu entscheiden und unser Handeln völlig neu auszurichten. Was wenn wir aufhören, uns am SUV des Nachbarn und an den vielen Flugreisen der Freunde zu orientieren, sondern lieber eine stärker klimaausgerichtete Werteorientierung leben. So haben wir gute Chancen, unsere eigene Bequemlichkeit zu überwinden und uns ökologisch verantwortlich zu verhalten.
▶ Infos und Quellen
• John Lanchester: Die Mauer, Klett- Cotta, 2019
• https://archiv.berliner-zeitung.de/politik/kommentar-zumklimawandel- du-musst- dein-leben- aendern--32425868
• www.jetzt.de/umwelt/klimaschutz-warum-faelltumweltbewusstes-leben-vielen-so-schwer
• www.jetzt.de/politik/buch-ihr-habt-keinen-plan-sarahhadj- ammar-sammelt-mit-kollegen-massnahmen-zurrettung- der-zukunft
• www.stern.de/politik/deutschland/ihr-habt-keinenplan--junge- autorin-stellt-forderungen--was-zu-tun-ist-- damitwir-ueberleben-9003662.html