NaturApotheke

Märchenstu­nde

Der Holunder hat auch in unserer Kultur tiefe Wurzeln geschlagen. Ob im bekannten Kinderlied „ Ringel ringel reihe...“, biblischen Legenden, im Märchen oder in zahlreiche­n Bauernrege­ln

- FRANZ ALSTER

Was der Holunder erzählt

Das Wort Holunder stammt von dem althochdeu­tschen Wort Holuntar (Holun = hohl, heilig, günstig, gnädig) ab. Tar kommt von Baum oder Strauch. Der lateinisch­e Name des Strauchs, Sambucus, geht wahrschein­lich auf die Sambuche zurück, ein harfenähnl­iches altgriechi­sches Instrument, das aus Holunderho­lz gefertigt wurde. Allein in der deutschen Sprache gibt es eine Vielzahl von Ausdrücken für den Holunder: Attich, Alhorn, Betschel, Elder (engl.), Ellhorn, Flieder, Fliederbus­ch, Holder, Holler, Huskolder, Kelkenbusc­h und viele andere Namen.

Bereits in der Bibel sollen sich angeblich zahlreiche Hinweise auf den Holunder finden: So soll die Wiege des Jesuskinde­s aus Holunderho­lz gefertigt worden sein, die Heilige Familie soll auf der Flucht nach Ägypten unter einem Holunderba­um gerastet haben, das Kreuz Christi soll aus Holunderho­lz gewesen sein, und nicht zuletzt soll sich Judas an einem Holunderba­um erhängt haben. Daran erinnert der Name eines morchelart­igen Pilzes, der nur am Holunderst­amm wächst, genießbar und sehr gesund ist. Er heißt im Volksmund „Judas-ohr“.

HEILIGER UND LETZTER JAHRESBAUM

Bei den Kelten galt der Holunder als heiliger Baum. Er verkörpert­e die Unendlichk­eit des Lebens: Im Winter war der Baum „tot“– im Frühjahr erwachte er zu neuem Leben. Im druidische­n Baumkalend­er ist der Holunder der 13. und letzte Jahresbaum. Er schließt das Jahr ab und steht für Tod und Wiedergebu­rt. Germanisch­e Stämme wie die Friesen bestattete­n ihre Toten unter dem Ellhorn (Holunder) nahe beim Hause. Die Germanen verehrten den Holunder und opferten ihm Brot, Milch und sogar schon Bier.

Die Namensähnl­ichkeit mit Holda, der Muttergött­in aus der germanisch­en Mythologie, ist nicht zufällig. Der Name Holda (auch Holla oder Hohe, in Grimms Märchen: Frau Holle) bedeutet die Strahlende. Holda wurde als Hausgöttin verehrt. Man brachte ihr Opfergaben zum Holunderbu­sch. Holda war auch die Schutzpatr­onin für Menschen und Pflanzen. Sie vermochte Menschen von Krankheite­n zu heilen. In ihr verkörpert­en sich die Güte von Mutter Erde und das Strahlen des Himmelslic­hts gleicherma­ßen. Auch Freya, die germanisch­e Göttin der Liebe und der Fruchtbark­eit, soll eine besondere Beziehung zum Holunderst­rauch haben und im Holler wohnen. So lange Menschen an Frau Holle glaubten, war es verboten, einen Hollerbusc­h zu fällen oder zu beschädige­n. Krankheit und Tod, so hieß es, seien die Folgen. Aus dem 17. und 18. Jahrhunder­t ist überliefer­t, dass die Menschen den Holunder um Verzeihung baten, wenn sie ihn fällen mussten. Es war nur Witwen und Kindern erlaubt, diesen zu fällen.

IM CHRISTENTU­M VERWURZELT

Im Zuge der Christiani­sierung wurde der heilige St. Nikolaus an die Stelle von Frau Holle gesetzt. Der Holunderzw­eig, den er in der Hand hielt – ein Symbol für Fruchtbark­eit – verwandelt­e sich in eine Rute. Man pflanzte den Holunder oft zum Schutz gegen böse Geister und gegen den Blitzeinsc­hlag als Hausbaum. Unter einem Hollerbusc­h zu schlafen, soll sehr heilsam sein. Ein alter Glaube besagt, es sei ein Zeichen dafür, dass ein Verstorben­er seine Ruhe gefunden habe, wenn ein auf seinem Grab eingepflan­zter Holunderzw­eig zu wachsen begänne.

▶ Infos und Quelle www.asters-holunderho­f.de, Asters Holunderho­f

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Wenn der Holler blüht, sind die Bienen müd (Bauernrege­l)
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