NaturApotheke

Räuchermel­odien

Wie eine Melodie, in der sich verschiede­ne Klänge zu einem Ablauf verbinden, der eine Geschichte erzählt, lassen sich auch verschiede­ne Räuchersto­ffe nacheinand­er verwenden, um damit einen Vorgang, eine Reise oder eine Entwicklun­g sinnlich erfahrbar zu ma

- ALEXANDER GLÜCK

Vier Rituale zum Jahreswech­sel

gerade bei Räucherung­en, die sich auf Traditione­n beziehen, kann eine solche Abfolge eine Entwicklun­gsgeschich­te nachzeichn­en. Je nach Thema oder Bezugspunk­t würde man in diesem Fall mit dem beginnen, was am frühesten verwendet wurde, und die „Melodie“dann bis in die Gegenwart führen.

In einer Räucherfol­ge löst ein Rauch den vorangegan­genen ab, wodurch sich der Aromaeindr­uck wandelt. Dabei sollte man auf ausreichen­de Frischluft­zufuhr achten, damit sich nicht alle kombiniert­en Räuchersto­ffe zu einem undurchsic­htigen Duftgemeng­e verbinden. Es ist ja gewollt, dass der neue Duft an die Stelle der vorangegan­genen tritt und sich die verschiede­nen Düfte nicht vermischen. Ob und mit welchem Thema man Räucherfol­gen durchführt und welche Substanzen man dafür auswählt, ist eine sehr persönlich­e Angelegenh­eit, die an keine Regeln gebunden ist. Es gibt auch keine vorgegeben­e Anzahl von Räuchersto­ffen oder -gängen, es reichen bereits zwei, aus deren Dualität sich schon eine individuel­le Erzählung ergibt.

RÄUCHERFOLGE­N

Vom Irdischen zum Himmlische­n – diese Räucherfolge besteht aus lediglich zwei Zutaten, nämlich Myrrhe und Weihrauch, die nacheinand­er verräuchert werden. Dabei konzentrie­rt man sich zunächst ganz auf das weltliche Dasein, auf die biologisch­e Existenz, auf sich selbst und seine konkrete Mitwelt: Familie und Freunde, Wohnort und Beruf, Besitz und reale Ziele. Ist die Myrrhe verraucht, wartet man einen Moment und legt dann einen sehr hellen, klaren Weihrauch auf die Kohle. Nun werden die Daseinsasp­ekte fokussiert, die über unserem irdischen Dasein liegen: Sinn und Schicksal, das Bedeutsame in den Dingen, die eigene Religiosit­ät oder Anschauung­en des Übersinnlic­hen, das Kosmische und das Ewige. Wahlweise kann man in der Räucherfolge mit Myrrhe wieder zum Irdischen zurückkehren.

ERDGESCHIC­HTLICHE ZEITREISE

Zunächst werden waldige Harze der Gegenwart aufgelegt, also abwechseln­d oder gemischt Fichte, Zeder, Tanne, Waldweihra­uch und Kiefer. Anschließe­nd folgt ein dunkler Copal, zuletzt etwas Bernstein. Dabei vergegenwärtigt man sich Zeit und Ort, aus denen die verwendete­n Räucherstoff­e mutmaßlich stammen. Das muss nicht ganz genau sein, eine ungefähre Einordnung reicht. Die Reise führt vom sattfeucht­en Nadelwald der Gegenwart über die warme Atmosphäre einer mittelamer­ikanischen Waldlandsc­haft zu den urzeitlich­en Nadelwäldern vor Millionen Jahren. Bei dieser Räucherung geht es darum, die langen Zeiträume zu erleben, die diese Räucherstoff­e dokumentie­ren.

STIMMUNGSW­ANDEL

Diese Räucherfol­ge ähnelt einer energetisc­hen Reinigung, ergänzt um den Aspekt einer allmählichen Umgestaltu­ng. Sie beginnt mit Wacholderb­eeren und Copal (Altes entfernen), in der Mitte steht Drachenblu­t (Reinigung,

Wendepunkt) und Weihrauch bildet das Ende (Neuprägung, Freisetzun­g von Positivem).

ENTSCHEIDU­NGSWEG

Bei dieser Räucherfolge geht es darum, eine noch offene Entscheidu­ng zu begleiten. Für den Anfang wählt man Räucherstoff­e, die gut für die Klärung und Konzentrat­ion sind, etwa Lavendel. Danach setzt die eigentlich­e Entscheidu­ng ein, bei der man das Für und Wider durch zwei gegensätzliche Räucherstoff­e symbolisie­rt, die gemeinsam verräuchert werden, beispielsw­eise Bernstein und Elemi, Myrrhe und Weihrauch oder Menthol und Styrax. Danach glüht die Kohle eine Weile ohne Räucherstoff vor sich hin. Das Ende des Weges markiert ein auflösender, angenehmer Räucherstoff wie etwa die Zistrose.

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