Vitamine
Gesunde Abwehr, schöne Haut, scharfer Blick, feste Knochen – damit wir rundum fit bleiben, sind Vitamine das A & O. Aber bekommen wir durch unsere Ernährung ausreichend davon? Oder sind Pillen und Pülverchen ein Muss? Die Verunsicherung ist groß. Naturapo
Wie viel ist genug – und wann sind Nahrungsergänzungsmittel ratsam?
Den Apfel mit Schale essen und Gemüse nicht „totkochen“– lange Jahre waren das die Haupt-tipps, die es zu beachten galt, wenn man ausreichend mit Vitaminen versorgt sein wollte. Doch seit einigen Jahren scheint Deutschland zum Vitamin-mangelland zu werden. Ausgelaugte Böden, lange Transportwege, falsche Lagerung rauben wertvolle Nährstoffe, heißt es immer wieder. Auch unser Alltag mit viel Stress, wenig Schlaf und reichlich Fastfood soll ein echter Vitaminvampir sein. Kein Wunder, dass Nahrungsergänzungsmittel boomen. Rund 35 Prozent der Deutschen nehmen diese Präparate ein, meldet der Bundesverband der Verbraucherzentralen. 1,1 Milliarden Euro wurden allein 2015 damit umgesetzt. Besonders rasant stieg der Einsatz von frei verkäuflichen Mitteln mit Vitamin A und D (plus 28,8 Prozent). Ist das der richtige Weg? Oder genügt es vielleicht, den eigenen Speiseplan etwas bewusster zusammenzustellen? Antje Gahl, Diplom- Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, weiß Rat.
Wie ernst zu nehmen sind die Warnungen über ausgelaugte Böden, die man in regelmäßigen Abständen immer wieder hört? Grundsätzlich sind unsere Lebensmittel nicht nährstoffverarmt. Das zeigen zum Beispiel Vergleichsstudien aus den Jahren 1954 bis 2000. Es gibt natürliche Schwankungen, aber keine Hinweise auf einen Rückgang des Nährstoffgehalts. Richtig ist aber, dass Obst und Gemüse, das in der Saison geerntet wird, nährstoffreicher ist als solches, das außerhalb der Saison auf den Teller kommt und dann unter Umständen auch noch lange Transportwege hinter sich hat.
Das heißt, wer sich einigermaßen ausgewogen ernährt – Obst, Gemüse, Vollkorn – hat nichts zu befürchten? Normalerweise ist das richtig. Ausnahmen gibt es aber, zum Beispiel für Menschen mit chronischen Erkrankungen, Kinder und Jugendliche im Wachstum oder Schwangere. Eine weitere Ausnahme bildet das Vitamin D. Unseren Bedarf können wir hier nicht allein über die Nahrung decken. Der Körper bildet es aber mit Hilfe von Sonnenlicht selbst. Im Winter kann es zu einer Unterversorgung kommen. Auch Folat (Folsäure, Anm. d. Red.) gehörte lange zu den kritischen Nährstoffen, heute sind 80 Prozent der Bevölkerung gut damit versorgt.
Bei welchen Erkrankungen ist der Vitaminbedarf erhöht? Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt unter anderem verschiedene Magen-darm-erkrankungen, bei denen zum Beispiel das Vitamin B12 nicht aufgenommen werden kann. Auch Lebererkrankungen können eine Unterversorgung nach sich ziehen.
Gibt es typische Lebenssituationen, die ein Mehr an Vitaminen erfordern? Schwangere und Stillende haben zum Teil einen erhöhten Bedarf, etwa an Folat. Raucher sollten rund 40 Prozent mehr Vitamin C zu sich nehmen. Bei älteren Menschen ist es wichtig, dass Lebensmittel
eine besonders hohe Nährstoffdichte haben, weil sie insgesamt eher weniger essen. Ihnen fehlt häufig Vitamin B12. Das gilt auch für Menschen, die sich vegan ernähren.
Kann man dann auf eigene Faust einfach ein paar Vitamine einwerfen? Generell sollten Vitamine nicht auf Verdacht, sondern gezielt ergänzt werden. Das wird gemeinsam mit dem Hausarzt entschieden. Er weiß, welche Vitamine in welcher Dosierung angezeigt sind. Das ist auch deshalb wichtig, weil bei manchen Vitaminen – insbesondere bei den fettlöslichen A, D, E und K – durchaus die Gefahr einer Überdosierung besteht.
Gibt es eine Möglichkeit, den eigenen Vitaminbedarf genau zu ermitteln? Bei einigen Nährstoffen kann der Bedarf des einzelnen Menschen nicht aufs Mikrogramm genau bestimmt werden. Unsere Referenzwerte bieten aber eine gute Orientierung. Ein Mangel an Vitaminen lässt sich über ein Blutbild nachweisen, zum Beispiel beim Vitamin D. Aufschlussreich sind außerdem typische Symptome, die eine Unterversorgung mit sich bringen kann.
Wie sieht ein Speiseplan aus, der ausgewogen alle Vitamine liefert? Zunächst einmal: Gerade, was die Vitamine angeht, ist das kein Hexenwerk! Es kommt vor allem darauf an, nicht von morgens bis abends verarbeitete Lebensmittel zu sich zu nehmen, sondern frisches bzw. schonend gegartes Obst und Gemüse, eher Vollkorn als Weißmehlprodukte, Milchprodukte, gutes Pflanzenöl, zwei bis dreimal pro Woche Fleisch und einmal Fisch. Wichtig ist, abwechslungsreich zu essen, also nicht jeden Tag das Gleiche. Das ist machbar. Es ist übrigens nicht so entscheidend, jeden Tag auf die empfohlene Menge der einzelnen Nährstoffe zu kommen. Werden die Empfehlungen im Durchschnitt im Laufe einer Woche erreicht, ist das völlig ausreichend.
Was ist von Lebensmitteln zu halten, die extra mit Vitaminen angereichert werden, etwa Weingummi? Wenn Fruchtgummihersteller ihrem Produkt mit dem Hinweis auf extra Vitamin C ein gesundes Image geben möchten, halte ich das für schwierig. Süßigkeit bleibt Süßigkeit. Nicht zu vergessen: Vitamin C steckt natürlicherweise in so vielen Lebensmitteln, da ist es als Zusatz in Fruchtgummi oder auch in Säften nicht nötig.
Wenn ein Mangel besteht, etwa durch vegane Ernährung, wie gleicht man den am besten aus? Sind Kombipräparate besser als Einzelmittel? Veganern fehlt, wie gesagt, häufig das Vitamin B12. Auch eine Unterversorgung mit Eisen ist bei Menschen, die kein Fleisch essen, nicht selten. Wenn nachweislich ein Mangel besteht, weiß der Arzt am besten, welche Vitamine in welcher Menge und Kombination zugeführt werden sollten. Zu den einzelnen Präparaten kann dann der Apotheker ausführlich beraten.
Kann ein Vitamin C als Tablette oder Pulver genauso viel wie das Vitamin C aus der Orange? Im Prinzip schon. Den Unterschied aber macht die Kombination mit anderen Stoffen. Wissenschaftliche Studien belegen zum Beispiel, dass isoliert aufgenommene Nährstoffe wie ein Vitamin-e-präparat keine oder nur geringe Schutzeffekte aufweisen. Eine Nuss dagegen liefert nicht nur fettlösliches Vitamin E, sondern auch gleich das Fett dazu. Außerdem Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und vieles mehr. Es ist das Gesamtpaket, das die einzelnen Lebensmittel so wertvoll macht. Deshalb ist es sinnvoller, ausgewogen und abwechslungsreich zu essen, als regelmäßig Multivitaminpillen einzunehmen.
In der Saison geerntetes Gemüse – wie etwa Kohl im Winter – ist nährstoffreicher als importierte Ware
Frisch oder tiefgekühlt Tatsächlich hat Tiefkühlkost vor allem beim Vitamin-c-gehalt die Nase vorn. Gleich nach der Ernte werden zum Beispiel Erbsen oder Bohnen blanchiert und schockgefrostet. Dadurch wird der natürliche Abbau von Vitaminen stark verlangsamt. Bei Zimmertemperatur sinkt der Anteil an Vitamin C pro Tag um rund 20 Prozent.
Ware aus der Nähe Obst und Gemüse aus der Region haben deutlich kürzere Transportwege und sind in der Saison deshalb schneller beim Verbraucher. Dadurch gehen weniger Nährstoffe verloren.
Optimal lagern Obst und Gemüse sollten grundsätzlich nicht lange gelagert werden. Am meisten Nährstoffe bleiben bei guter Kühlung (beispielsweise im Kühlschrank) erhalten. Wer beim Einkauf noch nicht sicher ist, wann es den Blumenkohl oder die Möhren geben soll, ist mit Tk-ware besser beraten.
Schonende Zubereitung Frisches Gemüse und Obst am besten unter fließendem Wasser säubern. TK-GEmüse sollte nicht erst auftauen, sondern gefroren in Topf oder Pfanne landen. Das Garen mit Dünsteinsatz ist schonender als das Kochen in Wasser. Und: Je kürzer die Garzeit, desto mehr Vitamine bleiben erhalten – hier hat zum Beispiel der Wok die Nase vorn.
Die Sache mit der Schale Tatsächlich ist zum Beispiel der Vitamin-c-gehalt direkt unter der Schale am höchsten. Und nicht nur das spricht dafür, Äpfel, Birnen und Gurken ungeschält zu essen: In der Schale stecken viele sekundäre Pflanzenstoffe, darunter auch Farbstoffe, die den Körper zum Beispiel bei der Immunabwehr unterstützen.
Mengen-lehre Die Faustregel der DGE lautet „Fünf am Tag“– drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst sind ideal. Eine Portion ist dabei in etwa die Menge, die in die eigene Hand passt.
Nicht ohne Fett Um die Vitamine A, E, D und K zu verwerten, braucht der Körper Fett. Etwas Öl oder Butter am Gemüse genügt.
Für den Alltag: vitaminschonend einkaufen, lagern, garen