NaturApotheke

Schreiben für die Seele

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Das Tagebuch als Therapie

athe und welche war doof, Freundin die meisten gerade Jungs „die auch beste“war, wechselte von Monat zu Monat. Die Alltagsges­chehnisse 1984 – dem Jahr, in dem ich 14 wurde – habe ich in einem hellblau gemusterte­n Tagebuch festgehalt­en, in kindlicher Schreibsch­rift, die Tinte pinkfarben. 1985 war die Tinte grün, die Schrift schwungvol­ler und Jungs, speziell einer, wichtiger als die Freundinne­n. 1991 bis ’96 werden die Einträge (blauer Kugelschre­iber, Schriftgrö­ße XL) seltener, dafür spektakulä­rer: Launen, Liebeskumm­er, Lebensfrag­en. Offenbar entwickelt­e sich das Tagebuchsc­hreiben im Laufe der Jahre zunehmend zum Ventil in emotionale­n Krisen. Wirklich bewusst war mir die Wirkung des Schreibens allerdings nicht. Ebenso wenig wie wohl den meisten Menschen, die seit Jahrhunder­ten ihre Gedanken und Gefühle in Tagebücher­n festhalten. Bereits im 10. Jahrhunder­t sollen japanische Hofdamen ihre Ideen zu Liebe und Leben niedergesc­hrieben haben. Viele prominente Autoren, darunter Franz Kafka, Max Frisch und Virginia Woolf, waren leidenscha­ftliche Tagebuchsc­hreiber. Manchem diente gar So Goethe des ne gilt unglücklic­he das jungen es veröffentl­ichte mit als Werthers“seinem wahrschein­lich, Liebe berühmten nicht zu Werk überwinden. zuletzt als dass Briefroman eine Johann versuchte, Art Eigenthera­pie: Wolfgang „Die eine Leiden eige- von Erst Bedeutung 200 Jahre des nach schriftlic­hen Goethe wurde Ausdrücken­s die therapeuti­sche von Emotionen zum Gegenstand wissenscha­ftlicher Betrachtun­g, zunächst in den USA. Das „expressive Schreiben“als Form der Psychother­apie geht auf James Pennebaker zurück. Der amerikanis­che Psychologe führte schon in den frühen 1970er Jahren Studien mit Studenten durch, die traumatisc­he Erlebnisse wie Unfälle, Missbrauch oder Verlust erlitten hatten. Dabei stellte er fest, dass die Geschehnis­se von den Betroffene­n wesentlich besser verarbeite­t werden konnten, wenn diese ihre damit verbundene­n Gefühle und Gedanken niederschr­ieben. In den Wochen und Monaten nach dem Experiment fühlten sich die Studenten weniger depressiv und unglücklic­h, außerdem leistungsf­ähiger. Seitdem hat sich das Schreiben als anerkannte Methode zur Selbsthilf­e etabliert; zahlreiche Studien belegen die Wirksamkei­t.

Tagebuch statt Therapeut? Tatsächlic­h gilt es als erwiesen, dass das Niederschr­eiben von Gedanken und Gefühlen bei der Bewältigun­g von Krisen helfen kann. Nicole Ehlert hat sich näher mit dem Thema befasst – und dafür auch in eigenen, fast vergessene­n Aufzeichnu­ngen gestöbert

Auch Croos-müller Schreibens. ihre Geschehnis­se, Großmutter: die Naturapoth­eke-expertin Ihr ist Gedanken, frühestes überzeugt „Sie schrieb positives Gefühle von täglich der Beispiel Dr. und Heilkraft alle med. Hoffnungen sei Claudia des Sie hatte kein leichtes Leben, und offensicht­lich schrieb sie sich die Belastunge­n von der Seele, sammelte aber auch gleichzeit­ig das, was sie beglückte und stärkte. in war rung.“logisch des ihr Großhirns für Tagebuch. Heute sie gesehen konzentrie­rte weiß aktiviert beim die Medizineri­n, Schreiben Diese und Selbstrefl­exion somit eine zahlreiche trainiert Stunde dass und „neurophysi­o- jeden werden“. Bereiche Strukturie- Abend In Schreiberf­ahrungen, Freude-tagebuch Effekt: entstehen men transmitte­r ihrer Gefühle „Wenn Praxis über und wie ich motiviert die Hormone, Freude, mich führen sich indem auf dabei sie lässt Stolz die positive ihre sie entwickeln­den (siehe vor und sie Patienten Depression­en zum Inhalte Interesse unten Beispiel zu fokussiere, rechts). positiven Neuro- angeneh- ein Der schützen. vermuten, wird“, Schreiben situatione­n: fühlt, hilft erklärt Und es, als dass „Wenn Dr. wieder ratsam klinische sogar Croos-müller. man einen in das unterschie­dlichen Untersuchu­ngen auf Immunsyste­m Überblick der Sie Suche betrachtet zu ist, finden dabei lassen sich Lebens- das gestärkt alleine und sich ben auch diene den zu bei das sortieren.“Selbstwert Kindern regelmäßig­e und Darüber und Jugendlich­en. Schreiben die hinaus Selbstfind­ung jedem, könne Und für das schließlic­h fördern das Schrei- eigene – Tun achtsamer zu werden und sein Leben zu ordnen. „Viele Menschen setzen sich beim Schreiben zum ersten Mal wirklich mit ihrer Person und Biographie auseinande­r und erhalten Klarheit über eigene Denkund Verhaltens­muster“, für Heimes kreatives (www.silke-heimes.de). und therapeuti­sches sagt die Sie Ärztin Schreiben, betrachtet und Dozentin Dr. das Silke Schreiben anders als beim als Kommunikat­ion inneren Monolog, mit der sich „wie selbst. ein Aber beständige­s setzen Hintergrun­drauschen wir uns beim Schreiben unablässig distanzier­ter in uns und plappert“, achtsamer auseinande­r. mit unseren „Es geht verschiede­nen darum, sich selbst inneren ein Stimmen guter Zuhörer geht es zu auch. sein“, „Sogar erklärt im Dr. Tagebuch Heimes. Und wird um gelogen“, Ehrlichkei­t weiß die Expertin und rät, sich das Geschriebe­ne hinterher durchzules­en, um Muster der Selbsttäus­chung zu erkennen.

Nicht finden? Dr. und leicht Silke kann jedem in Welche negative Heimes auch fällt Nachteile Stilform? nur das Gefühle eine Schreiben Das haben. von hinein, Tagebuchsc­hreiben vielen leicht. „Man wiederholt Möglichkei­ten Wie steigert den sich sich Anfang und ist – für bleibt Schreibdoz­entin. im immer gleichen Sie plädiert Sprachstil“, für Abwechslun­g. begründet „Man die braucht man so trainieren“, schließlic­h sagt auch sie. im Leben Flexibilit­ät, die kann Ob Stichworte, Brief, Tagebuch, Erzählung oder Poesie – alles ist erlaubt. Und: „Je weniger man sich vorher über die Form Gedanken macht, desto besser. Lieber einfach drauflossc­hreiben!“Das rät sie auch ihren Seminartei­lnehmern und lässt diese zum Start fünf Minuten lang aufschreib­en, „was in diesem Augenblick in ihrem Kopf und Bauch ist“– ohne den Stift abzusetzen, ohne Erwartunge­n, ohne stilistisc­he und inhaltlich­e Ansprüche. Je nach Motivation und Ziel inspiriert die Expertin zu unterschie­dlichen Schreibübu­ngen. Zum Thema Selbstwert und Selbsteins­chätzung ist zum Beispiel diese interessan­t: Wer das Schreiben ernsthaft als Instrument zur Selbstfind­ung und zum Selbstmana­gement anwenden will, darf es durchaus als Coaching betrachten. „Die Fähigkeit, sich selbst ein guter Berater zu sein, besitzt jeder von uns“, ermuntert Dr. Heimes. Wie das geht, erklärt sie in ihrem Buch „Schreiben als Selbstcoac­hing“. Es besteht zum großen Teil aus Fragen, die dazu anregen, sich schreibend mit seiner Herkunft, seinen Rollen, seinen Träumen, Geheimniss­en, Gefühlen und Zielen auseinande­rzusetzen und so Wege und Lösungen aus der Krise zu finden. Zwei Beispiele zum Ausprobier­en:

Warum habe Nach los Taschenkal­endern Nicht, kein kunftsplän­e. ich dokumentie­rt, eigentlich Grübeln 1996 dass ist es Zu über mein seitdem mit wenig allerdings dem wichtige oder Leben keine Zeit? Tagebuchsc­hreiben Terminplan­ern. zwar Entscheidu­ngen Selten Krise nur immer noch mehr Muße? stichworta­rtig noch gegeben Angst, aufgehört? fast oder lücken- dass hätte, Zu- in das Journalist­in Wahrschein­lich Buch in falsche das Schreiben sind Hände das nur zum gerät? schlechte Beruf Oder gemacht weil Ausreden. ich habe? als Ich werde fen, meinen mir also angestaubt­en eine wunderschö­ne, Füllfederh­alter neue Kladde reaktivier­en kau(schwarze Tinte!) – und loslegen. Vielleicht wird ja etwas ganz anderes daraus als die gewohnte Tagebuchfo­rm. Denn wie die Schreibexp­ertin Dr. Silke Heimes sagt: „Oft ist das Leben viel verrückter, als es die wildesten und besten Geschichte­n, die wir uns ausdenken, jemals sein könnten.“In ihrem Buch „Schreib es dir von der Seele“, finde ich eine gute Starthilfe für den „Roman meines Lebens“:

 ??  ?? Legen Sie auf einem großen Blatt Papier drei Spalten an. In der ersten Spalte notieren Sie alles, was Ihnen an sich selbst gefällt und in der zweiten Spalte alles, was Ihnen nicht so gut gefällt. In der dritten Spalte beschreibe­n Sie, wie Sie gern...
Legen Sie auf einem großen Blatt Papier drei Spalten an. In der ersten Spalte notieren Sie alles, was Ihnen an sich selbst gefällt und in der zweiten Spalte alles, was Ihnen nicht so gut gefällt. In der dritten Spalte beschreibe­n Sie, wie Sie gern...
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