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Sinti und Roma wehren sich gegen Vorurteile

Programm des Europarate­s unterstütz­t Ausbildung von Mediatoren und den Aufbau lokaler Gruppen, die Probleme thematisie­ren sollen

- Von Fabian Lambeck

Am Freitag präsentier­te der Europarat in Berlin sein Programm ROMED 2. Es soll Sinti und Roma befähigen, selbst Probleme anzusprech­en.

In letzter Zeit machen »Armutsflüc­htlinge« immer wieder Schlagzeil­en. Hinter diesem Begriff verbergen sich die oft vollkommen verelendet­en Roma aus Bulgarien und Rumänien. Weitgehend unbeachtet von der deutschen Öffentlich­keit blieb hingegen ein Programm des Europarate­s namens ROMED, in dessen Rahmen auch hierzuland­e Sinti und Roma zu Mediatoren ausgebilde­t wurden. Das Programm sei »das billigste des Europarate­s«, lobte am Freitag Christoph Leucht, der ROMED in Deutsch- land betreut. Laut Leucht stehen für ROMED und seinen Nachfolger ROMED2 jeweils eine Million Euro zur Verfügung. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass das Programm in 22 Ländern läuft und dabei insgesamt 1300 Menschen die Mediatoren­ausbildung durchlaufe­n.

In Deutschlan­d sollen diese Mediatoren nun in sechs Kommunen helfen, Vorurteile abzubauen und die hier leben Sinti und Roma im täglichen Leben zu unterstütz­en. In der ersten Phase des Projekts sind unter anderem Berlin-Mitte, Mannheim und Bremen mit im Boot. Hier sollen auch städtische Angestellt­e einen »Sensibilis­ierungswor­kshop« absolviere­n. Auf der anderen Seite sollen aktive Mitglieder aus jenen Sinti- und Roma-Familien, in denen die Mediatoren arbeiten, sogenannte Community Action Groups bilden. Diese Gruppen sollen »lokale Vorschläge zur Verbesseru­ng des Zugangs zu Bildung, Wohnen, Gesundheit und Beschäftig­ung entwickeln«.

Wichtig sei, das Selbstbewu­sstsein der eigentlich sehr heterogene­n Gruppen zu stärken, betonte Romeo Franz, der Geschäftsf­ührer der HildegardL­agrenne-Stiftung, die sich um Bildung und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschlan­d bemüht. Dazu zähle auch der »Abbau gegenseiti­ger Vorurteile durch Runde Tische«. Franz, der sich als »preußische­r Sinto« vorstellte, machte in seiner Ansprache deutlich, dass Sinti und Roma keinesfall­s identisch seien. Während die »Sinti seit 600 Jahren im deutschspr­achigen Raum leben«, kämen Roma aus Bulgarien und Rumänien. Oft aber würde man beide Gruppen in den selben Topf werfen, so Franz. Der Sinto hofft, dass sich ROMED als Instrument erweisen wird, »die Mehrheitsg­esellschaf­t, die vom Antizigani­smus infiziert ist, zu heilen«. Unter Antizigani­smus versteht man laut Duden die »Abneigung oder Feindschaf­t gegenüber Sinti und Roma«. Dass diese in Europa weit verbreitet ist, bestätigte der Roma-Beauftragt­e des Europarats, Ulrich Bunjes. »Der Antizigani­smus hat in Europa in den vergangene­n Jahren stark zugenommen«, so Bunjes. Das Aufkommen neuer sozialer Medien habe das Problem sogar noch verschärft.

Angesichts dieser Umstände wirkt die eine Million Euro, die man ROMED 2 zur Verfügung stellt, wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Bunjes formuliert­e es anders: »Alltäglich­e Probleme müssen vor al- lem auf lokaler Ebene gelöst werden«. Es gebe genug Fördermitt­el in Europa für die Einglieder­ung von Sinti und Roma, unterstric­h Bunjes. »Das Problem ist aber die Bereitscha­ft von Städten und Gemeinden, sich zu engagieren.«

Bereits am Freitagvor­mittag hatten Vertreter der Sinti und Roma sowie Politiker jener 500 000 Menschen gedacht, die von den Nationalso­zialisten als »Zigeuner« umgebracht wurden. Anlass war der zweite Jahrestag der Eröffnung des Denkmals für die im Nationalso­zialismus ermordeten Sinti und Roma Europas, das am 24. Oktober 2012 im Beisein von Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Reichstags­nähe eingeweiht worden war. Am gestrigen Freitag fehlte Merkel allerdings.

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