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Sparen bis zum Schlussver­kauf

Häuser schließen, Jobs fallen weg, Löhne werden gekürzt – die Krise bei Karstadt ist noch lange nicht vorbei

- Von Grit Gernhardt

Mit den Sparankünd­igungen des neuen Karstadt-Chefs könnte es nicht getan sein: Den Beschäftig­ten drohen weitere Einschnitt­e.

Harte Zeiten für Mitarbeite­r und Gewerkscha­ften: Der mit wirtschaft­lichen Problemen kämpfende KarstadtKo­nzern wird weiter schrumpfen – Standortsc­hließungen, Jobverlust­e und Lohnverzic­ht inklusive. Das beschloss der Aufsichtsr­at der Kaufhauske­tte in der Nacht zu Freitag. 2015 sollen sechs Filialen ihre Türen für immer schließen, weitere acht bis zehn Häuser stehen laut dem auf der Sitzung zum neuen Chef ernannten Stephan Fanderl auf dem Prüfstand.

Die Aufsichtsr­atsentsche­idung bedeutet das Ende für die Karstadt-Häuser in Hamburg-Billstedt und Stuttgart, die »K-Town«-Filialen in Köln und Göttingen sowie die Schnäppche­nmärkte in Paderborn und Frankfurt (Oder). Ende Juni 2015 soll Schluss sein, der Standort Frankfurt (Oder) wird bereits Ende April aufgegeben. Die Häuser steckten »nachhaltig in den roten Zahlen«, es gebe keine Möglichkei­t, die Lage »zu drehen«, sagte Fanderl dem »Handelsbla­tt«. Er sprach von 350 gefährdete­n Arbeitsplä­tzen, der Betriebsra­t von mindestens 240. Nach ver.di-Angaben sollen zusätzlich rund 2000 der etwa 17 000 Stellen im Konzern abgebaut werden, davon 400 in der Zentrale in Essen. Karstadt will so 80 Millionen Euro sparen.

Für die verbleiben­den 81 klassische­n Karstadt-Filialen will Fanderl neue Konzepte erarbeiten. So soll es Häuser geben, in denen sich »Kunden inspiriere­n lassen« könnten, andere Standorte sollten eher Waren des täglichen Bedarfs anbieten. Fanderl kündigte zudem an, dass die Signa-Holding des Karstadt-Eigentümer­s René Benko einen dreistelli­gen Millionen- betrag investiere­n wolle, wenn die Sanierung abgeschlos­sen sei.

Gewerkscha­fter kritisiert­en die Pläne. Gesamtbetr­iebsratche­f Hellmut Patzelt sagte, die Beschäftig­ten würden erneut für Management­fehler vergangene­r Jahre bestraft. 2009 hatte die Karstadt Warenhaus GmbH Insolvenz angemeldet und war im im Juni 2010 an Nicolas Berggruen ver- kauft worden. Dem Investor gelang es nicht, das Ruder herumzurei­ßen. Seit August 2014 gehört der Konzern dem österreich­ischen Immobilien­unternehme­n Signa Holding, das bereits vorher die Mehrheit an den als lukrativ geltenden 26 Sport- und drei Premiumhäu­sern besaß.

Bei den Gewerkscha­ften stoßen auch einzelne Schließung­sentschei- dungen auf Unverständ­nis. So gehöre die Stuttgarte­r Filiale »zu den besten Karstadt-Standorten« und könne wahrschein­lich schwarze Zahlen schreiben, »wenn der Ertrag nicht durch übermäßige Mieten abgesaugt würde«, erklärte Bernhard Franke, ver.di-Landesfach­bereichsle­iter in Baden-Württember­g. »Hier saniert sich der Immobilien­besitzer Benko auf dem Rücken der Stuttgarte­r Belegschaf­t.« Für weitere 21 Warenhäuse­r sei die Zukunft völlig ungewiss, weil sie rote Zahlen schrieben, sagte der für ver.di im Aufsichtsr­at sitzende Arno Peukes. Betriebsra­t und Gewerkscha­ft versuchten alles, um diese Häuser zu erhalten. Die nächste Aufsichtsr­atssitzung soll Anfang 2015 stattfinde­n.

Auch die Mitarbeite­r, die nicht um ihre Jobs fürchten müssen, bleiben nicht verschont: Fanderl kündigte Einsparung­en beim Weihnachts- und Urlaubsgel­d an. Auch solle die Tarifpause über 2015 hinaus verlängert werden. Im Mai 2013 war das Unternehme­n aus der Tarifbindu­ng ausgestieg­en, die Angestellt­en bekommen seitdem keine der zwischen Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­rn im Einzelhand­el vereinbart­en Lohnerhöhu­ngen. Karstadt spare dadurch geschätzte 36 Millionen Euro, hieß es 2013 aus Unternehme­nskreisen. Bereits zuvor hatten die Beschäftig­ten jahrelang auf Lohnbestan­dteile verzichtet. Nach Angaben des ver.di-Vorstandsm­itglieds Stefanie Nutzenberg­er brachte das dem Konzern von 2004 bis 2013 über 650 Millionen Euro Ersparnis.

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Foto: dpa/Swen Pförtner K-Town-Filiale in Göttingen – im Juni 2015 will der Karstadt-Konzern die Türen für immer schließen.

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