Bildung auf Rädern
Thüringen: Die Nachfrage nach Fahrbiliotheken steigt, aber es gibt immer weniger
Einst gab es in Thüringen sieben Fahrbiliotheken, jetzt sind es nur noch zwei. Umso mehr freut man sich im Weimarer Land, dass ein neuer Bus in Dienst gestellt wurde.
Mit großen Augen stehen die Kinder der Grundschule Großschwabhausen zwischen den Bücherregalen der neuen rollenden Bibliothek im Kreis Weimarer Land. Schließlich sind sie die Ersten, die sich hier umschauen dürfen, die Begeisterung ist entsprechend groß. Der Raum ist hell und freundlich, Sitzsäcke vor den langen Buchreihen laden zum Schmökern ein. Von der Musikkassette bis zum Buch ist alles vorhanden. »Ausgeliehen wird heute bei Einweihung nichts, das könnt ihr machen, wenn der Bus wieder bei uns an der Schule steht«, ruft Schulleiterin Gabriele Grünes in das Gewusel – und erntet prompt einige enttäuschte Blicke.
Seit der erste Bücherbus 1993 im Weimarer Land seine Arbeit aufnahm ist Heike Schwalm als Mitarbeiterin an Bord. »Auch Erwachsene nehmen das Angebot sehr gerne an, von den 1100 aktiven Nutzern sind 600 Kinder bis 12 Jahren«, sagt sie. 74 Orte im Kreis und 81 Haltestellen werden jeden Monat angefahren, etwa 60 000 Medien wurden allein 2013 entliehen.
»Gerade für ältere Menschen und Jugendliche ist die Fahrbibliothek eine sehr wichtige Einrichtung«, berichtet Schwalm. Das Vorgängermodell des neuen Busses war nach 23 Jahren im Einsatz sichtlich mitgenommen. Um Ausfälle und hohe Reparaturkosten zu vermeiden, sei die Entscheidung für die Neuanschaffung gefallen, erklärt Landrat Hans-Helmut Münchberg. Etwa 400 000 Euro hat der neue Bus gekostet, je die Hälfte kamen vom Kreis und dem Kultusministerium.
Sie selbst sei oft überrascht, wie schnell Kinder von Büchern überzeugt werden, wenn man sich etwas Zeit für die Beratung oder zum Vorlesen nehme, erzählt Schwalm. Doch auch viele Erwachsene blieben dem Buch treu – und schätzten die Fahrbibliothek zudem als sozialen Treff- punkt für Gespräche unter Nachbarn. Generell steige die Zahl der Entleihungen stetig an – ganz anders, als man das in Zeiten von E-Books und dem Internet vielleicht vermuten würde. Was die Entleihungen angeht, sind längst tot geglaubte Medien bis heute der Renner: Neben VHS-Videos stehe die gute alte Musikkassette bis heute hoch im Kurs. »Viele haben Zuhause noch einen alten Kassettenrekorder stehen«, sagt Schwalm. »Anders als CDs, die viel zu leicht zerkratzen, sind die Musikkassetten einfach unverwüstlich.«
In Thüringen gibt es insgesamt nur noch zwei Fahrbibliotheken. Damit rangiert der Freistaat deutlich hinter anderen Bundesländern: Nur in Hamburg, Bremen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz sind weniger Busse unterwegs. Das war nicht immer so. Ursprünglich gab es einmal sieben mobile Bibliotheken. »Es ist eben die Frage, für welchen Weg man sich entscheidet«, sagt die Leiterin der Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken in Thüringen, Sabine Brunner. Viele Kommunen im Freistaat hätten auf die Einrichtung kleiner, dauerhafter Bibliotheken in den einzelnen Gemeinden gesetzt. »Das muss nicht zwingend schlechter sein, immerhin gibt es dann einen festen Punkt im Ort, der immer besucht werden kann. Mit dem Bus ist man aber deutlich flexibler.«
Deutlich kritischer sieht Heike Schwalm die Abschaffung der Busse zugunsten kleiner Gemeindebibliotheken: »Das kommt ganz darauf an, wie stark die Gemeinde ist. Gerade in Zeiten immer knapperer Kassen werden Bibliotheken schnell gestrichen.« Mancherorts müssten am Ende Freiwillige ehrenamtlich eine Bibliothek betreiben, damit die Menschen überhaupt mit Medien versorgt werden könnten.
Doch selbst in Orten, an denen es eigene Bibliotheken gebe, sagt Schwalm, herrsche Nachfrage nach der Fahrbibliothek. »In Berlstedt gibt es eine gut laufende Bibliothek, der Bus kommt trotzdem. Das ist einfach eine Bereicherung für die Menschen.« Damit noch mehr Nutzer erreicht werden, soll das Angebot der Fahrbibliothek 2015 im Weimarer Land auf einen weiteren Leserkreis ausgeweitet werden. »Wir wollen künftig Kinderkrippen und Kindergärten verstärkt anfahren«, sagt Schwalm. »Viele Eltern und Erzieher wissen gar nicht, dass wir auch Fühlbücher für die Kleinsten im Angebot haben.« Eine weitere positive Nachricht für Leseratten kommt aus Erfurt: Auch in Erfurt kann demnächst die Einweihung eines neuen Bücherbusses gefeiert werden.