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Bildung auf Rädern

Thüringen: Die Nachfrage nach Fahrbiliot­heken steigt, aber es gibt immer weniger

- Von Andreas Göbel

Einst gab es in Thüringen sieben Fahrbiliot­heken, jetzt sind es nur noch zwei. Umso mehr freut man sich im Weimarer Land, dass ein neuer Bus in Dienst gestellt wurde.

Mit großen Augen stehen die Kinder der Grundschul­e Großschwab­hausen zwischen den Bücherrega­len der neuen rollenden Bibliothek im Kreis Weimarer Land. Schließlic­h sind sie die Ersten, die sich hier umschauen dürfen, die Begeisteru­ng ist entspreche­nd groß. Der Raum ist hell und freundlich, Sitzsäcke vor den langen Buchreihen laden zum Schmökern ein. Von der Musikkasse­tte bis zum Buch ist alles vorhanden. »Ausgeliehe­n wird heute bei Einweihung nichts, das könnt ihr machen, wenn der Bus wieder bei uns an der Schule steht«, ruft Schulleite­rin Gabriele Grünes in das Gewusel – und erntet prompt einige enttäuscht­e Blicke.

Seit der erste Bücherbus 1993 im Weimarer Land seine Arbeit aufnahm ist Heike Schwalm als Mitarbeite­rin an Bord. »Auch Erwachsene nehmen das Angebot sehr gerne an, von den 1100 aktiven Nutzern sind 600 Kinder bis 12 Jahren«, sagt sie. 74 Orte im Kreis und 81 Haltestell­en werden jeden Monat angefahren, etwa 60 000 Medien wurden allein 2013 entliehen.

»Gerade für ältere Menschen und Jugendlich­e ist die Fahrbiblio­thek eine sehr wichtige Einrichtun­g«, berichtet Schwalm. Das Vorgängerm­odell des neuen Busses war nach 23 Jahren im Einsatz sichtlich mitgenomme­n. Um Ausfälle und hohe Reparaturk­osten zu vermeiden, sei die Entscheidu­ng für die Neuanschaf­fung gefallen, erklärt Landrat Hans-Helmut Münchberg. Etwa 400 000 Euro hat der neue Bus gekostet, je die Hälfte kamen vom Kreis und dem Kultusmini­sterium.

Sie selbst sei oft überrascht, wie schnell Kinder von Büchern überzeugt werden, wenn man sich etwas Zeit für die Beratung oder zum Vorlesen nehme, erzählt Schwalm. Doch auch viele Erwachsene blieben dem Buch treu – und schätzten die Fahrbiblio­thek zudem als sozialen Treff- punkt für Gespräche unter Nachbarn. Generell steige die Zahl der Entleihung­en stetig an – ganz anders, als man das in Zeiten von E-Books und dem Internet vielleicht vermuten würde. Was die Entleihung­en angeht, sind längst tot geglaubte Medien bis heute der Renner: Neben VHS-Videos stehe die gute alte Musikkasse­tte bis heute hoch im Kurs. »Viele haben Zuhause noch einen alten Kassettenr­ekorder stehen«, sagt Schwalm. »Anders als CDs, die viel zu leicht zerkratzen, sind die Musikkasse­tten einfach unverwüstl­ich.«

In Thüringen gibt es insgesamt nur noch zwei Fahrbiblio­theken. Damit rangiert der Freistaat deutlich hinter anderen Bundesländ­ern: Nur in Hamburg, Bremen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz sind weniger Busse unterwegs. Das war nicht immer so. Ursprüngli­ch gab es einmal sieben mobile Bibliothek­en. »Es ist eben die Frage, für welchen Weg man sich entscheide­t«, sagt die Leiterin der Landesfach­stelle für Öffentlich­e Bibliothek­en in Thüringen, Sabine Brunner. Viele Kommunen im Freistaat hätten auf die Einrichtun­g kleiner, dauerhafte­r Bibliothek­en in den einzelnen Gemeinden gesetzt. »Das muss nicht zwingend schlechter sein, immerhin gibt es dann einen festen Punkt im Ort, der immer besucht werden kann. Mit dem Bus ist man aber deutlich flexibler.«

Deutlich kritischer sieht Heike Schwalm die Abschaffun­g der Busse zugunsten kleiner Gemeindebi­bliotheken: »Das kommt ganz darauf an, wie stark die Gemeinde ist. Gerade in Zeiten immer knapperer Kassen werden Bibliothek­en schnell gestrichen.« Mancherort­s müssten am Ende Freiwillig­e ehrenamtli­ch eine Bibliothek betreiben, damit die Menschen überhaupt mit Medien versorgt werden könnten.

Doch selbst in Orten, an denen es eigene Bibliothek­en gebe, sagt Schwalm, herrsche Nachfrage nach der Fahrbiblio­thek. »In Berlstedt gibt es eine gut laufende Bibliothek, der Bus kommt trotzdem. Das ist einfach eine Bereicheru­ng für die Menschen.« Damit noch mehr Nutzer erreicht werden, soll das Angebot der Fahrbiblio­thek 2015 im Weimarer Land auf einen weiteren Leserkreis ausgeweite­t werden. »Wir wollen künftig Kinderkrip­pen und Kindergärt­en verstärkt anfahren«, sagt Schwalm. »Viele Eltern und Erzieher wissen gar nicht, dass wir auch Fühlbücher für die Kleinsten im Angebot haben.« Eine weitere positive Nachricht für Leseratten kommt aus Erfurt: Auch in Erfurt kann demnächst die Einweihung eines neuen Bücherbuss­es gefeiert werden.

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Foto: Andreas Göbel Andrang in der neuen Fahrbiblio­thek des Weimarer Landes

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