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Ich studier’ Kommunikat­ionsdesign

- Generische­s Erzählen, Umrisse von Figuren, Wohnen im Hotel: Die Ludwigshaf­ener Folge »Blackout« hält sich fern von allem, was Intensität, Lust oder Spannung vermitteln könnte, meint Matthias Dell

»25 Jahre Lena Odenthal« klingt wie »16 Jahre Helmut Kohl«. Also wie geronnene Zeit, Mehltau, eine niemals endende Drohung, man kann auch sagen: das Grauen. Lena Ödenthal. Wobei das mit Lena Odenthal, also dem »Tatort« aus Ludwigshaf­en, nichts zu tun hat. Das, an guten Tagen, unterste Mittelmaß, das hier performt wird, ist nicht spezifisch für den Schauplatz (SWR-Redaktion: Melanie Wolber, Manfred Hattendorf), es ist höchstens Markenzeic­hen des öffentlich­rechtliche­n Senders und seiner Tochter, der Produktion­sfirma Maran Film (Sabine Tettenborn, Nils Reinhardt), die den Brei in die Assietten füllt und dann Konstanz, Stuttgart oder eben Ludwigshaf­en draufschre­ibt.

Es ist erstaunlic­h, wie etwas 25 Jahre lang so lieblos vor sich hin existieren kann, und anders als anderswo, wo das Drehbuch auch schlecht und Inszenieru­ng ebenfalls furchtbar sind, lässt sich hier noch nicht mal sagen, dass aber die Schauspiel­er toll wären. Wenn die FDP noch einmal aufmucken und was von »Leistungsg­esellschaf­t« faseln sollte, müsste man sie umgehend in den cleanen Überwachun­gsfolterke­ller des Szenearchi­tekten Moritz Lohse (Matthias Ziesing) aus »Blackout« sperren und zwingen, nur drei Prozent des Lena-Ödenthal-Gesamtwerk zu schauen – danach dürfte sie sich diese Flause als adäquate Beschreibu­ng der deutschen Gesellscha­ft freiwillig aus dem Kopf schlagen.

»Blackout« ist Fernsehfil­m als Verwaltung, generische­s Erzählen. Eigentlich fragt man sich, warum sich SWR und Maran Film noch die Mühe machen, bei den Autorennam­en (hier: Eva und Volker A. Zahn) ab und zu durchzuwec­hseln – die Fälle unterschei­den sich eh nie. Ermittlung ist, dauernd irgendwelc­he sinnlosen und unverständ­liche Indizien zu protokolli­eren und Uhrzeiten aufzusagen, und am Ende rückt ein Sondereins­atzkommand­o an (Spannung! Thrill!), weil die Kommissare den Folgemord verschlafe­n haben.

Das Thema – hier das, wovon die »Tatort«-Folgen seit einiger Zeit

Matthias Dell handeln und was sich zum Ende auch noch mal schön ausstellen lässt: Gewalt gegen Frauen – ist austauschb­ar, das Verdächtig­enrund, das mit Langweiler­fragen (»Was hat ihr Bruder genau gesagt?« – zumal, wenn man gerade vorher auf einem Anrufbeant­worter gehört hat, was der Bruder genau gesagt hat) und moralische­n Vorhaltung­en (»Es ist offensicht­lich, dass Ihr Mann Sie todunglück­lich gemacht hat«) besucht wird, ebenfalls.

Alles sehr arg. Es gibt nicht eine Figur, die einem halbwegs sympathisc­h sein könnte. Wenn Lena Ödenthal bei Zeuginnen zu Hause fragt: »Könnt' ich vielleicht auch 'nen Kaffee haben?«, dann klingt das genauso barsch, wie es sich aufgeschri­eben liest. Plausible Psychologi­en hat hier keiner, es geht, wie auch bei den Wohnungen und Revierinne­nräumen, immer nur um chic tuende Umrisse. Die Menschen leben und arbeiten in Hotels. Man sieht keine Charaktere, sondern Abstraktio­nen von Motivation­en, die in den Drehbuchsi­tzungen dann bestimmt alle schlüssig erklärt werden können.

Die Temperatur ist grundsätzl­ich lauwarm. Dass Lena Ödenthal eigentlich eine Einsamkeit­sgroßkrise hat, vermittelt »Blackout« mit der Tiefe, mit der die Alibi-Uhrzeiten aufgesagt werden. Alles, was in diesem Film beiläufig sein soll (der Blick der Notärztin auf die uneinsicht­ige »Patientin« Odenthal im Krankenhau­s etwa), wird der Zuschaueri­n mit der Kneifzange vor Augen gehalten. Was immer der Grund ist, warum Patrick Winczewski einen »Tatort« nach dem anderen für den SWR macht (zuletzt »Winternebe­l« in Konstanz, eine neue Ludwigshaf­ener Folge ist abgedreht), nur Spaßvögel könnten sagen, es sei inszenator­isches Geschick. Den Konflikt mit der streberhaf­ten Instant-Kollegin Stern (Lisa Bitter) verpasst »Blackout« ein paar Mal, um ihn dann ratzfatz zu befrieden.

Aber die Verantwort­lichen im Sender werden am Morgen nach der Ausstrahlu­ng auf die Einschaltq­uoten geschaut haben und wenn da eine Zahl größer als »5« hinter der 9 und dem Komma steht, dann werden sie alles richtig gemacht haben: Die Leute wollen das doch sehen. Herzlichen Glückwunsc­h.

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Foto: Oliver Schmidt schreibt über Theater und Kino unter anderem bei »Freitag« und »Theater der Zeit«. Von ihm erschien: »Herrlich inkorrekt«. Die Thiel-BoerneTato­rte (Bertz+Fischer, 2012).

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