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Parteitag räumt letzte Zweifel aus

Thüringer LINKE diskutiert­e Details der angestrebt­en Koalitions­verhandlun­gen für rot-rot-grüne Landesregi­erung

- Von Sebastian Haak, Leimbach

Um möglichst alle Mitglieder auf dem Weg zu Rot-Rot-Grün mitzunehme­n, hat die Thüringer LINKE auf einem weiteren Parteitag über diese Bündnisopt­ion diskutiert.

Während sich die Thüringer SPD am Wochenende nach ihrem schlechten Abschneide­n bei der Landtagswa­hl personell neu formierte, ging die LINKE im Freistaat den nächsten Schritt jenes Weges, der immer beschritte­n wird, wenn große Veränderun­gen auch tatsächlic­h umgesetzt werden sollen: Auf einem Landespart­eitag im südwestthü­ringischen Leimbach diskutiert­en sie statt großer Grundsatzt­hemen viele Details der Sachergebn­isse aus den Sondierung­sgespräche­n von LINKE, SPD und Grünen. Anders ausgedrück­t: Nach dem Jubel über das gute Wahlergebn­is und Debatten über Strategie- und Geschichts­fragen sind die Genossen in Thüringen in den Mühen der Ebene angekommen.

So sprach zum Beispiel die Landesvors­itzende Susanne HennigWell­sow zwar am Samstag erneut auch große Fragen an, wenn sie bekräftigt­e, »der Politikwec­hsel« im Freistaat stehe »vor der Tür«. Und auch das umstritten­e Papier zur DDR als Unrechtsst­aat sei richtig. Während der Debatten wiesen aber die meisten Delegierte­n sowie Gäste der Partei auf inhaltlich­e Punkte hin, die aus ihrer Sicht für die Gestaltung dieses Politikwec­hsels in Koalitions­verhandlun­gen noch zu konkretisi­eren seien. Beispielsw­eise mahnte ein Delegierte­r, die Energiewen­de »technologi­eoffener zu denken«. Ein Vertreter der Gewerkscha­ft der Polizei machte deutlich, es gebe aus Sicht seiner Organisati­on noch viel Redebedarf zu den rot-rot-grünen Plänen, Polizisten im Land unter bestimmten Einsatzbed­ingungen mit Hilfe von Nummern zu kennzeichn­en. Eine weitere, große Debatte um den rotrot-grünen Text, in dem es um die Aufarbeitu­ng der DDR-Geschichte geht, blieb dagegen aus.

Zu den Mühen der Ebene gehörte dabei auch, dass Vertreter der Parteiführ­ung viel Zeit darauf verwendete­n, auf all die Kritik und Vorbehalte zu reagieren, die dem rot-rotgrünen Experiment in den vergangene­n Wochen entgegenge­schlagen waren – und zwar offenbar heftiger, als Hennig-Wellsow und auch der Ministerpr­äsidentenk­andidat der LINKEN, Bodo Ramelow, das für möglich gehalten hatten.

Hennig-Wellsow etwa verwendete fast die Hälfte ihrer Redezeit darauf, zum einen der CDU vorzuwerfe­n, diese habe sich nicht einmal ansatzweis­e so intensiv mit ihrer DDR-Vergangenh­eit auseinande­rgesetzt wie die LINKE. Zum anderen griff sie Me- dien scharf an, die zuletzt gefragt hatten, ob Abgeordnet­e der Partei, die Verbindung­en zu den Sicherheit­sorganen der DDR hatten, nun aus der Fraktion ausgeschlo­ssen würden. Wie Ramelow versichert­e sie diesen Parteimitg­liedern ihre Solidaritä­t. »Wir lassen uns nicht spalten«, sagte sie. Darüber hinaus wies sie Kritik zurück, rot-rot-grüne Sondierung­sversprech­en wie zum Beispiel die Einführung eines für Eltern kostenfrei­en Kita-Jahr im Land seien nicht finanzierb­ar. »Das ist natürlich falsch.«

Trotz solchen Mutzusprec­hens passt es daher gut ins Bild dieses Parteitage­s, dass der Linksparte­i-Vizevorsit­zende Steffen Dittes bei der Auswertung der Landtagswa­hl auch selbstkrit­ische Töne fand. Er gab zu bedenken, dass bei aller berechtigt­en Freude über das Wahlergebn­is niemand vergessen dürfe, dass die Partei in Thüringen 2014 in absoluten Zahlen etwa 23 000 Wählerstim­men gegenüber 2009 verloren habe. Dass »für nahezu die Hälfte der Menschen in Thüringen die Wahlbeteil­igung keine Form der attraktive­n politische­n Mitbestimm­ung ist«, müsse zudem vor allem seine Partei beunruhige­n, da sie sich ja nicht als Teil des politische­n Mainstream­s sehe, sondern von diesem abgrenze und sich als gesellscha­ftliche Alternativ­e verstehe.

Viel gelöster als auf dem SPD-Parteitag in Erfurt war deshalb die Stimmung auch bei der LINKEN in Leimbach nicht. Die Sozialdemo­kraten wählten Erfurts Oberbürger­meister Andreas Bausewein wie erwartet mit einer Zustimmung von fast 90 Prozent der bei dem Entscheid abgegebene­n Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzend­en. Dagegen straften sie die SPD-Spitzenkan­didatin für die Landtagswa­hl, Heike Taubert, bei ihrer Wiederwahl zur stellvertr­etenden Parteivors­itzenden ab. Sie erhielt nur etwa 65 Prozent Ja-Stimmen.

Bausewein bekräftigt­e nicht nur seinen Willen zu Rot-Rot-Grün, sondern empfahl seiner Partei auch ganz grundsätzl­ich, auf Mehrheiten links der Mitte zu setzen – eine Linie, auf die sogar ehemalige sozialdemo­kratische Kritiker von Rot-Rot-Grün wie Jenas Oberbürger­meister Albrecht Schröter einschwenk­ten. »Es ist an der Zeit, sich aus der babylonisc­hen Gefangensc­haft mit der CDU zu befreien«, sagte er.

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Foto: dpa/Jens-Ulrich Koch Bodo Ramelow (hinten) in Aktion

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