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Trauer in Ägypten nach Anschlag

Ausnahmezu­stand für Sinai/ Keine Gespräche mit Hamas

- Von Oliver Eberhard, Kairo

Ägypten trauert. Die Fernsehsen­der unterlegte­n ihre Sendungen auch am Sonntag mit schwarzen Bändern. In den Cafés und Geschäften im Stadtzentr­um Kairos ist die Stimmung gedrückt, zornig auch. Zunächst starben 28 Soldaten bei einem Angriff auf einen Militärpos­ten außerhalb von ElArisch in der Nähe der Grenze zum Gazastreif­en. Kurz darauf verloren drei weitere Militärang­ehörige ihr Leben, als sie an einer Straßenspe­rre beschossen wurden. Es waren nicht die ersten Angriffe auf Militärein­richtungen auf der Sinai-Halbinsel. Doch nie zuvor traf es Ägyptens Armee so hart – eine Armee, die in großen Teilen der ägyptische­n Gesellscha­ft tief verwurzelt ist.

Gerade deshalb ist es nicht nur der Tod von 31 Soldaten – viele von ihnen junge Wehrpflich­tige –, der die Menschen getroffen hat. Immer wieder wird am Sonntag die Frage gestellt, wie es sein kann, dass diese Armee die Lage auf dem Sinai nicht in den Griff bekommt. Man macht den im Sommer 2013 abgesetzte­n Präsidente­n Mohammad Mursi verantwort­lich. Er habe zugelassen, dass sich in dem unwegsamen Gebiet eine ganze Reihe von militanten Gruppierun­gen niederlass­en konnte. Man gibt aber auch der US-Regierung die Schuld, die nach dem Umsturz Monate lang ihre Militärhil­fen eingefrore­n hatte. Doch vor allem gerät nun auch Ägyptens neuer Machthaber Abdelfatta­h al-Sisi unter Druck: Er war im August 2012 von Mursi zum Generalsta­bschef ernannt worden.

Das Präsidiala­mt bemühte sich deshalb am Sonntag, den schwarzen Peter an andere weiterzuge­ben: Wegen des Friedensve­rtrages mit Israel habe das Militär auf der Sinai-Halbinsel nur begrenzte Möglichkei­ten. Unter Mursi sei vor allem die Polizei für die innere Sicherheit in der Region verantwort­lich gewesen. »Al-Sisi hat diese Entwicklun­g bereits damals vorhergese­hen, und das Mursi gegenüber immer wieder angesproch­en.«

Die Maßnahmen, die Kairo nun ergreift, sind drastisch. Über den Norden und das Zentrum der Region wurde ein zunächst auf drei Monate begrenzter Ausnahmezu­stand verhängt. Der Grenzüberg­ang zum Gazastreif­en ist nun geschlosse­n. Zudem soll eine drei Kilometer breite Sicherheit­szone entlang der Grenze eingericht­et werden. Mehrere Tausend Menschen müssen dafür ihre Häuser verlassen. Zwar hat sich noch niemand zu den Anschlägen bekannt. Doch die Regierung macht die Gruppe Ansar Beit al-Maqdis für die Anschläge verantwort­lich – und damit indirekt auch Hamas.

Zwar ist über diese Gruppe, die bereits mit einer langen Reihe von Angriffen auf ägyptische und israelisch­e Ziele in Zusammenha­ng gebracht wird, nur sehr wenig bekannt. Doch nach offizielle­r ägyptische­r Lesart wird die Gruppe aus dem Ausland finanziert und von der Hamas und der Muslimbrud­erschaft unterstütz­t. Vor allem Beduinen aus dem Sinai und Palästinen­ser aus dem Gazastreif­en gehören zu ihren Mitglieder­n.

Überprüfen lässt sich das nicht. Doch auch so hat der Vorwurf Auswirkung­en auf die Waffenstil­lstandsges­präche zwischen Israel und der Hamas, die am Montag in Kairo fortgesetz­t werden sollten, nun aber kurzfristi­g abgesagt worden sind. In der derzeitige­n Situation will Kairo keine Funktionär­e der Hamas im Land haben.

In der internatio­nalen Gemeinscha­ft sorgte die Absage für Panik. Denn das Ende des GazaKriege­s ist keinesfall­s in Stein gemeißelt. Die Hamas stellte am Sonntag erneut klar, dass eine Fortsetzun­g der Waffenruhe von Gesprächen und einer Aufhebung der Blockade abhängig sei.

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