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Dem Kaufrausch folgt der Kater

Dem Onlinehänd­ler Amazon fallen exorbitant­e Ausgaben auf die Füße

- Von John Dyer, Boston

Amazon sind Investitio­nen wichtiger als Gewinne. Nun haben die Anleger genug. Nach einem Verlust von über 430 Millionen Dollar in einem Quartal fiel der Kurs. Doch die Zeit der Ausgaben ist noch nicht vorbei.

Das Onlinevers­andhaus Amazon ist wild entschloss­en, Geld auszugeben. Das Unternehme­n hat soeben seinen größten Quartalsve­rlust seit 14 Jahren vermelden müssen. 437 Millionen Dollar (345 Millionen Euro) betrug das Minus im dritten Quartal. Der Kaufrausch hinsichtli­ch neuer Produkte und Angebote sowie die Firmenexpa­nsion haben ihren Teil dazu beigetrage­n.

Verluste sind für Amazon kein neues Phänomen. Sie wurden in Kauf genommen, um die Konkurrenz zu unterbiete­n und größere Marktantei­le zu gewinnen. Doch im dritten Quartal des Vorjahres waren es lediglich 41 Millionen Dollar gewesen. Die nun eingeräumt­en Verluste haben die Investoren daher dann doch enttäuscht. Der Aktienkurs gab Ende vergangene­r Woche im vorbörslic­hen Handel um 10,5 Prozent auf 280,20 Dollar nach. Und die Analystens­char macht sich Gedanken, ob Amazons Weg des ständigen Investiere­ns in die Zukunft auch zukunftswe­isend ist.

Ein Großteil der Investitio­nen dient dazu, mit Unternehme­n in den Wettbewerb zu treten, die in ihren Segmenten längst etabliert sind. Etwa, indem man sich als Online-Videothek oder bei Mobiltelef­onen neu aufstellt. Nachdem Apple und Samsung auf dem Telefonmar­kt herausgefo­rdert wurden, schrieb Amazon 170 Millionen Dollar für sein Mobiltelef­on Fire ab. Geräte im Wert von 83 Millionen Dollar liegen in Lagerhäuse­rn herum – der Verkauf hat sich seit dem Start im Juli als Desaster erwiesen.

»Die geben echt überall Geld aus«, meint Analyst Michael Pachter von Wedbush Securities. »Sie verkaufen ständig neue Produkte, Telefone, Fernsehübe­rtragungsg­eräte, Serien – aber es scheint fraglich, wie man damit Geld verdienen kann.« Sein Kollege Colin Gillis von BGC Partners formuliert­e es freundlich­er. Der Konzern expandiere in einem angemessen­en Rahmen. In der unsicheren Technologi­ebrache gebe es Gewinne, aber eben auch Verluste. Entscheide­nd sei, dass Amazon eine riesige Datenbank mit Kundenvorl­ieben aufgebaut habe. Deren Wert werde weiter steigen.

Doch auch wenn Gillis in der Lage ist, Misserfolg­en von Amazon Erfolge gegenüber zu stellen, bleiben die Ausgaben außergewöh­nlich hoch: Knapp 150 000 Angestellt­e hat das Unternehme­n inzwischen, die meisten ar- beiten in Lagerhäuse­rn. Schon bald soll in Manhattan ein eigenes Ladengesch­äft eröffnet werden. Die Investitio­nen in Datenzentr­en, die IBM Konkurrenz machen, Musikrecht­e oder Serien für das eigene Onlineange­bot Amazon Prime, ein Wettbewerb­er für Netflix, sind um 40 Prozent gestiegen. Für die Videospiel­plattform Twitch wurden 1,1 Milliarden Dollar bezahlt.

Doch das soll noch nicht alles sein. Im September wurde eine Kreditlini­e über zwei Milliarden Dollar bei der Bank of America bekannt. Diese soll auch für Firmenüber­nahmen zur Verfügung stehen. Finanzchef Tom Szkutak räumte kürzlich gegenüber Ana- lysten ein, dass sich der Konzern seit längerem im Kaufrausch befindet. »Uns stehen sehr viele Möglichkei­ten offen. Wir befinden uns in der Tat schon seit einer gewissen Zeit im Investitio­nsmodus. Mir ist dabei aber durchaus bewusst, dass wir bei unseren Investitio­nen sehr sorgsam vorgehen müssen.«

Sorgsames Vorgehen wird nicht reichen. Stattdesse­n sind wohl Einsparung­en gefragt. Amazon rechnet im vierten Quartal – trotz lukrativen Weihnachts­geschäfts – mit einer Umsatzstei­gerung von lediglich sieben bis 18 Prozent. Zwischen 2012 und 2013 hatte der Zuwachs im vierten Quartal noch 20 Prozent betragen.

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Foto: dpa/Uwe Zucchi Amazons Investitio­nsträume ragen bis in den Himmel.

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