Dem Kaufrausch folgt der Kater
Dem Onlinehändler Amazon fallen exorbitante Ausgaben auf die Füße
Amazon sind Investitionen wichtiger als Gewinne. Nun haben die Anleger genug. Nach einem Verlust von über 430 Millionen Dollar in einem Quartal fiel der Kurs. Doch die Zeit der Ausgaben ist noch nicht vorbei.
Das Onlineversandhaus Amazon ist wild entschlossen, Geld auszugeben. Das Unternehmen hat soeben seinen größten Quartalsverlust seit 14 Jahren vermelden müssen. 437 Millionen Dollar (345 Millionen Euro) betrug das Minus im dritten Quartal. Der Kaufrausch hinsichtlich neuer Produkte und Angebote sowie die Firmenexpansion haben ihren Teil dazu beigetragen.
Verluste sind für Amazon kein neues Phänomen. Sie wurden in Kauf genommen, um die Konkurrenz zu unterbieten und größere Marktanteile zu gewinnen. Doch im dritten Quartal des Vorjahres waren es lediglich 41 Millionen Dollar gewesen. Die nun eingeräumten Verluste haben die Investoren daher dann doch enttäuscht. Der Aktienkurs gab Ende vergangener Woche im vorbörslichen Handel um 10,5 Prozent auf 280,20 Dollar nach. Und die Analystenschar macht sich Gedanken, ob Amazons Weg des ständigen Investierens in die Zukunft auch zukunftsweisend ist.
Ein Großteil der Investitionen dient dazu, mit Unternehmen in den Wettbewerb zu treten, die in ihren Segmenten längst etabliert sind. Etwa, indem man sich als Online-Videothek oder bei Mobiltelefonen neu aufstellt. Nachdem Apple und Samsung auf dem Telefonmarkt herausgefordert wurden, schrieb Amazon 170 Millionen Dollar für sein Mobiltelefon Fire ab. Geräte im Wert von 83 Millionen Dollar liegen in Lagerhäusern herum – der Verkauf hat sich seit dem Start im Juli als Desaster erwiesen.
»Die geben echt überall Geld aus«, meint Analyst Michael Pachter von Wedbush Securities. »Sie verkaufen ständig neue Produkte, Telefone, Fernsehübertragungsgeräte, Serien – aber es scheint fraglich, wie man damit Geld verdienen kann.« Sein Kollege Colin Gillis von BGC Partners formulierte es freundlicher. Der Konzern expandiere in einem angemessenen Rahmen. In der unsicheren Technologiebrache gebe es Gewinne, aber eben auch Verluste. Entscheidend sei, dass Amazon eine riesige Datenbank mit Kundenvorlieben aufgebaut habe. Deren Wert werde weiter steigen.
Doch auch wenn Gillis in der Lage ist, Misserfolgen von Amazon Erfolge gegenüber zu stellen, bleiben die Ausgaben außergewöhnlich hoch: Knapp 150 000 Angestellte hat das Unternehmen inzwischen, die meisten ar- beiten in Lagerhäusern. Schon bald soll in Manhattan ein eigenes Ladengeschäft eröffnet werden. Die Investitionen in Datenzentren, die IBM Konkurrenz machen, Musikrechte oder Serien für das eigene Onlineangebot Amazon Prime, ein Wettbewerber für Netflix, sind um 40 Prozent gestiegen. Für die Videospielplattform Twitch wurden 1,1 Milliarden Dollar bezahlt.
Doch das soll noch nicht alles sein. Im September wurde eine Kreditlinie über zwei Milliarden Dollar bei der Bank of America bekannt. Diese soll auch für Firmenübernahmen zur Verfügung stehen. Finanzchef Tom Szkutak räumte kürzlich gegenüber Ana- lysten ein, dass sich der Konzern seit längerem im Kaufrausch befindet. »Uns stehen sehr viele Möglichkeiten offen. Wir befinden uns in der Tat schon seit einer gewissen Zeit im Investitionsmodus. Mir ist dabei aber durchaus bewusst, dass wir bei unseren Investitionen sehr sorgsam vorgehen müssen.«
Sorgsames Vorgehen wird nicht reichen. Stattdessen sind wohl Einsparungen gefragt. Amazon rechnet im vierten Quartal – trotz lukrativen Weihnachtsgeschäfts – mit einer Umsatzsteigerung von lediglich sieben bis 18 Prozent. Zwischen 2012 und 2013 hatte der Zuwachs im vierten Quartal noch 20 Prozent betragen.