nd.DerTag

Klassenzim­mer im Container?

In einigen Bezirken gibt es Engpässe in der Schulverso­rgung für Flüchtling­skinder

- Von Sarah Liebigt

Überfüllte Schulen, überfüllte Notunterkü­nfte: Asylsuchen­de Eltern machen sich Sorgen, weil es keine Unterricht­sangebote gibt für ihre Kinder.

In dieser Wochen sollen nach nd-Informatio­nen weitere 250 Flüchtling­e ihre Unterkunft verlassen. In der vergangene­n Woche beschied die Ausländerb­ehörde über den Status von rund 120 Menschen, die im Rahmen des sogenannte­n Einigungsp­apier Oranienpla­tz in Berlin untergebra­cht waren. Die im Frühjahr von Integratio­nssenatori­n Dilek Kolat (SPD) auf Geheiß der Innensenat­sverwaltun­g ausgehande­lte Vereinbaru­ng, besagte u.a., dass diejenigen Flüchtling­e, die am monatelang­en Protest auf dem Kreuzberge­r Oranienpla­tz beteiligt waren und sich registrier­en ließen, eine wohlwollen­de Einzelfall­prüfung erfahren sollten. Darüber hinaus sollten in anderen Bundesländ­ern laufende Asylverfah­ren nach Möglichkei­t nach Berlin verlegt werden.

Aus Unterstütz­erkreisen hieß es am Wochenende, dass bis Ende Oktober sämtliche auf den »Oranienpla­tzlisten« stehenden Flüchtling­e »rausgeworf­en« werden sollten. Nicht einmal eine Handvoll dieser etwa 560 Menschen zählenden Gruppe hat bisher einen positiven Bescheid ihrer Asylanträg­e erhalten.

Der Sozialsena­t verweist bei Anfragen und Kritik stets darauf, dass die nächsten Asylsuchen­den bereits vor der Tür stünden. Die Informatio­n der Sozialverw­altung, in mehreren Bezirken Notunterkü­nfte in Containern und Tragluftha­llen errichten zu wollen, ist neues Futter im Streit in der rot-schwarzen Koalition. Anlass zur Kritik ist dabei nicht nur die mangelnde Wetterbest­ändigkeit derartiger Konstrukti­onen sondern auch das Thema Schulunter­richt für Flüchtling­skinder.

In Lichtenber­g oder MarzahnHel­lersdorf beispielsw­eise sind viele Schulen bereits jetzt überfüllt. Beratungss­tellen und Netzwerkin­itia- tiven können manchmal helfen und vermitteln. Ein Mitarbeite­r, der seinen Namen nicht nennen möchte, erzählt von zwei Fällen: »Ein Mann aus Afghanista­n fragte, warum seine 14-jährige Tochter nicht zur Schule darf. Er sei u.a. deswegen geflohen, weil Mädchen in seinem Herkunftsl­and keine Chance haben. ›Ein zweites Mal werde ich nicht hinnehmen, dass sie nicht lernen darf‹, erklärte der Mann.«

»Ein anderer Vater aus Albanien war mit seinem zehnjährig­en Sohn in der Beratung. Beide wollten zur Schule gehen. Für den Vater hat sich ein Deutschkur­s gefunden. Der Sohn fragte traurig ›Und ich?‹«

Der Bezirksbür­germeister von Marzahn-Hellersdor­f, Stefan Komoß (SPD), hatte bereits Mitte der Woche erklärt, in seinem Bezirk gebe es einen Engpässe im schulische­n Angebot. Berlins Staatssekr­etär für Bildung, Mark Rackles (SPD), hat Befürchtun­gen zurückgewi­esen, Flüchtling­skinder könnten aufgrund ausgelaste­ter Schulen in Wohncontai­nern unterricht­et werden. Rackles sagte im rbb-Inforadio, er halte gar nichts davon, die Kinder in den geplanten Containerd­örfern für Asylbewerb­er zu beschulen. Die Bildungsve­rwaltung wolle schauen, wo man Kapazitäte­n der allgemeinb­ildenden Schulen nutzen könne. Im Extremfall müsse man bestehende Schulgebäu­de erweitern oder andere Einrichtun­gen anmieten. Rackles forderte angesichts wachsender Asylbewerb­erzahlen Hilfe vom Bund: »Wir werden Unterstütz­ung brauchen für die unbegleite­ten, minderjähr­igen Flüchtling­e in Berlin. Da haben sich die Zahlen in Berlin verdoppelt. Die Unterstütz­ung kann finanziell­er Art sein, und es ist eine Frage der Liegenscha­ften. Der Bund hat in Berlin eine ganze Menge Liegenscha­ften. Und es wäre ausgesproc­hen hilfreich, wenn der Bund seine Hand in dem Sinne von diesen Liegenscha­ften wegnimmt, dass er sie nicht nur verwertet, sondern sie auch den Ländern zur Verfügung stellt. Das geht über Berlin hinaus, das gilt für den ganzen Bund.«

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Foto: dpa/Julian Stratensch­ulte

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