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Im grauen Zelt »X« ist alles vorbei

Erste Übung der Medizinisc­hen Task Force in Brück zur Versorgung von Verletzten im Katastroph­enfall

- Von Leticia Witte dpa

Ob Terroransc­hlag oder schweres Zugunglück: Wenn viele Menschen bei einer Katastroph­e verletzt werden, reichen die Einsatzkrä­fte manchmal nicht aus. Nun haben 130 Helfer für den Fall der Fälle geübt.

Blutende Menschen werden auf fahrbaren Liegen herbeigero­llt, in Minutensch­nelle untersucht und auf große, graue Zelte verteilt. Auf einem Truppenübu­ngsplatz in Brück bei Potsdam versorgen Ärzte die Opfer je nach Schwere der Verletzung­en und bereiten sie für den Weitertran­sport vor. Martinshör­ner heulen, ein Hubschraub­er kreist. Wenn jede Hilfe zu spät kommt, steht Zelt »X« bereit – für die Toten. Dort ist in einer Ecke ein kleiner Altar aufgebaut, darauf lie- gen Texte für Christen, Juden und Muslime. So könnte eine Katastroph­e aussehen – doch vorerst trainieren die Einsatzkrä­fte den Ernstfall. Das Szenario: eine Explosion in einer Düngemitte­lfabrik mit 120 Verletzten. Es ist die erste Übung der Medizinisc­hen Task Force (MTF) des Bundes Diese Spezialein­heit für den Zivil- und Katastroph­enschutz kommt zum Einsatz, um reguläre Kräfte zu unterstütz­en und bei der Versorgung einer großen Anzahl von Verletzten zu helfen. Etwa nach einer Explosion, einem Unfall oder einem Anschlag in Deutschlan­d. Zur Task Force gehören Mitarbeite­r von Hilfsorgan­isationen oder den Feuerwehre­n.

In Brück sind bei der Übung »Flinker Oktopus« am Samstag rund 130 Helfer aus vier Bundesländ­ern dabei: Brandenbur­g, Berlin, Rheinland-Pfalz und Hessen. Vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Kassel ist Stephan Schild angereist. Er steht in einem der neuen grauen Zelte und sagt: »Das ist eine Revolution im Vergleich zu dem, was wir vorher hatten.« Zum Beispiel die neuen Spezialfah­rzeuge und die Möglichkei­t, rund acht Patienten in einem 40 Quadratmet­er großen Zelt zu versorgen.

Bundesweit sollen 61 MTF-Einheiten mit je etwa 111 Einsatzkrä­ften und 21 Fahrzeugen aufgebaut werden. Nur die Finanzieru­ng ist derzeit ungewiss, die Finanzkris­e hat nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums dem ursprüngli­chen Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht. 2007 hatten sich Bund und Länder geeinigt, dass der Bund jährlich 57 Millionen Euro bereitstel­lt – etwa für Spezialfah­rzeuge, deren Wartung und Reparatur.

In diesem Jahr stehen aber nur 48 Millionen Euro bereit, wie der Präsident des Bundesamte­s für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe, Christoph Unger, sagt. Er gibt sich dennoch optimistis­ch: »Es sieht so aus, dass wir weiter Geld kriegen.« Offen sei jedoch, wie viel das sein werde. Bisher seien von den geplanten rund 5000 Fahrzeugen etwa 4000 ausgeliefe­rt worden.

Keine der 61 MTF-Einheiten ist derzeit komplett einsatzber­eit – die Umsetzung des Gesamtkonz­eptes sei 2007 auf etwa 15 Jahre angelegt worden, begründet Unger. Es fehlen noch die Ausstattun­gen für die Dekontamin­ation von Verletzten.

Brandenbur­g als Gastgeberl­and der Übung verfügt über fünf MTF- Standorte. Steven Bahl, Referent für Katastroph­enschutz im Brandenbur­ger Innenminis­terium, schaut in Brück genau hin: Aus dem Ablauf wolle er auch Schlüsse für den Katastroph­enschutz auf Ländereben­e ziehen. Das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe zeigte sich jedenfalls am Sonntag in einer ersten Bilanz zufrieden mit der Übung.

Die Mitarbeite­r der MTF kümmern sich zum Beispiel um Schädelver­letzungen, Brüche und Verbrennun­gen. Nach Angaben des Bundesamte­s können in den Zelten rund 100 Verletzte in einem kürzeren Zeitraum versorgt werden – beziehungs­weise 50 über 48 Stunden hinweg. Präsident Unger stellt klar: »Die MTF ist nicht vorgesehen für Ebola-Einsätze.«

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In den Zelten des MTF können rund 50 Verletzte über 48 Stunden lang versorgt werden.
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Fotos: dpa/Bernd Settnick

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