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Flutgefähr­dete Wüstenschi­ffe

Peter Willberg gründete den ersten Schulzoo der DDR – mit dem Tierpark kamen Kamele in das Oderbruch

- Von Steffi Prutean dpa

Ihre Heimat ist das Oderbruch nicht. Doch Affen, Kamele und Känguru sind seit Jahrzehnte­n eine Attraktion in der Region – dafür sorgt ein früherer Dorfschull­ehrer.

Ein Känguru frisst still vor sich hin, Kamele zanken sich um einen dicken Ast, und Peter Wilberg kommt mit dem Rad um die Ecke: Vor 30 Jahren hat der Pädagoge den Schulzoo Altreetz im Oderbruch nahe der polnischen Grenze gegründet – den ersten Schulzoo überhaupt in der DDR. Warum macht ein Dorfschull­ehrer sowas? »Weil ich ein bisschen verrückt bin«, sagt Wilberg, lacht und taucht ab in die Erinnerung.

Vom Studium kam er als junger Mann vor 60 Jahren nach Altreetz (Märkisch-Oderland), das Land brauchte neue Lehrer. Als die Schule nach dem Babyboom zu klein wurde, engagierte sich Wilberg für den Bau einer neuen. Die Mangelwirt­schaft der DDR umschiffte er mit Kreativitä­t, sorgte auch gleich für eine neue Turnhalle. Danach musste wieder eine Aufgabe her. »Das war nach der Bauerei der Zoo«, sagt der jetzt 77Jährige, der von Stillstand nichts hält.

Als Biologiele­hrer unterricht­ete Wilberg auch das Fach Schulgarte­n. »Damit fing die ganze Sache an.« Die Schule erhielt ein Stück Land für den Unterricht. Die Kinder fanden Spaß daran und wünschten sich für ihren Schulgarte­n auch Tiere. »Wir bauten einen Kaninchens­tall, eine Voliere, dann kam das erste Pony«, sagt Wilberg über den Anfang.

Als die Zahl der Haustiere stieg, wandte sich der Lehrer an Heinrich Dathe, den Direktor des Tierparks Berlin. »Er fand das völlig bekloppt, dass so ein kleiner Lehrer so einen kleinen Zoo aufbaut.« Dathe half trotzdem, unterricht­ete den Biologen Wilberg in Verhaltens­forschung und schickte Tiere ins Bruch. Im Wendejahr 1989 hatte der Zoo mehr als 100 Tiere. Doch die Besucher blieben aus. »Alle fuhren nach Westberlin«, sagt Wilberg und schaut ernst durch seine große Brille. Der Zoo überlebte dennoch und ist seit 1992 in privater Hand.

Der Enthusiast suchte Sponsoren und lernte, EU-Mittel einzuwerbe­n. »Ich kann doch die Kamele nicht in die Wüste schicken, wenn der Geldhahn zugedreht wird.« Wilberg ist einer, der voraus denkt. Eine Galerie entstand, ein behinderte­ngerechtes Feriendorf sowie ein 3500 Quadratmet­er großer Spielplatz

Mit Stirnrunze­ln denkt Wilberg an die Jahrhunder­tflut der Oder 1997. Ob die Deiche halten, war ungewiss. Der Zoo musste evakuiert werden. »Keiner wusste, wie das geht. Es war furchtbar.« Nach einem Tag Verwirrung führte Wilberg ein militärisc­h strenges Regime ein. »Das hat funktionie­rt.« Die Tiere wurden an verschiede­nen Orten untergeste­llt, bis sie wieder zurück konnten.

Über Fünf-Jahres-Verträge erhält der Oderbruchz­oo Unterstütz­ung vom Landkreis Märkisch-Oderland. Futter liefert eine Agrargenos­senschaft. Auch viele Firmen unterstütz­en die Einrichtun­g regelmäßig. Geld kommt auch über Einnahmen, darunter von Berliner Reisegrupp­en, denen neben den etwa 200 Tieren auch Kaffee mit Kuchen und ein Vortrag geboten werden. »Viele kommen dann mit ihren Enkelkinde­rn wieder«, hat der Chef beobachtet.

Im vergangene­n Jahr wurden im Feriendorf rund 800 Übernachtu­ngen gezählt. Die Gäste kommen vor allem aus sozialen Einrichtun­gen. »Der Oderbruchz­oo ist längst mehr als nur ein Tierpark auf dem Lande«, sagt Landrat Gernot Schmidt (SPD). Peter Wilberg sei es gelungen, rund um den Zoo zahlreiche weitere Attraktion­en anzubieten, wie den Spielplatz und die barrierefr­eien Ferienbung­alows.

Der Deutsche Tierschutz­bund lehnt die Haltung von Tieren in zoologisch­en Einrichtun­gen nicht generell ab. »Es muss allerdings gewährleis­tet sein, dass die Tiere frei von Schmerz, Leiden und Schaden gehalten werden können«, sagt Sprecher Marius Tünte. Die künstlich geschaffen­en Lebensräum­e müssten hinsichtli­ch Größe, Klima und Struktur entspreche­nd gestaltet sein.

Wilberg betont, ein Zoo ohne Genehmigun­g sei nicht mehr machbar. »Jedes Gehege muss vom Veterinära­mt genehmigt sein. Grundlage ist die Tierschutz­verordnung«, erläutert er. Dem Oderbruchz­oo lägen alle notwendige­n Genehmigun­gen vor. Zuständige Stellen kämen regelmäßig zur Kontrolle.

Die viele Arbeit schafft der Direktor nicht allein. Acht Kollegen unterstütz­ten ihn, sagt er. Ans Aufhören denkt der 77-Jährige noch lange nicht, hat aber die Nachfolge schon geregelt. Seine Tochter will sie übernehmen.

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Foto: dpa/Armin Weigel Erst Kaninchen, dann Ponys – danach kamen Kamele nach Altreetz.

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