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Streng nach Tradition

Vielerorts sind muslimisch­e Bestattung­en möglich – doch Bayern bleibt bei der Sargpflich­t

- Von Simon Schramm, München dpa/nd

Immer mehr Muslime werden in Deutschlan­d beerdigt, doch eine Bestattung im Sarg ist bei ihnen unüblich. Inzwischen halten nur noch drei Bundesländ­er an der traditione­llen Sargpflich­t fest.

Nordrhein-Westfalen ist Vorreiter: Ein neues Gesetz ermöglicht es dort den muslimisch­en Gemeinscha­ften, eigene Friedhöfe zu errichten. Bundesweit ist das zwar noch ein Novum, aber immerhin gibt es auf vielen Friedhöfen in Deutschlan­d muslimisch­e Grabfelder und die meisten Bundesländ­er haben Ausnahmen geschaffen, die eine Beerdigung nach islamische­r Tradition möglich machen. So halten einzig drei Bundesländ­er noch an der Bestattung im Sarg fest, die im Islam unüblich ist: Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Dabei steigt auch in Bayern die Zahl der Muslime, die sich dort begraben lassen wollen. »Wir haben gerade wieder erweitert«, berichtet Günther Gebhardt von der Friedhofsv­erwaltung Nürnberg. Seit 1989 gibt es in Nürnberg eine eigene Abteilung für Muslime, derzeit sind dort 300 Gräber belegt, etwa 100 weitere Gräber sind noch frei. Auch einige andere bayerische Städte haben muslimisch­e Grabfelder auf ihren Friedhöfen angelegt, dort befindet sich in der Regel auch ein Gebäude für die im Islam gebräuchli­che Leichenwas­chung.

Die Felder liegen anders als herkömmlic­he: Ein Imam richtet die Gräber nach Südosten aus, gen Mekka. Das bayernweit erste muslimisch­e Feld entstand vor 50 Jahren auf dem Münchner Waldfriedh­of, rund 1200 entspreche­nde Gräber gibt es in der Stadt mittlerwei­le. In den 1960er Jahren folgten Ingolstadt und Forchheim und auch Orte wie Augsburg, Fürth, Hof oder Erlangen haben in den vergangene­n 20 Jahren entspreche­nde Areale angelegt.

»Es gibt wirklich immer mehr Muslime, die ihre Angehörige­n in Deutschlan­d beerdigen«, sagt Mohamed Oudrefi. Der 31 Jahre alte Münchner wurde in Mekka ausgebilde­t, bestattet seit fünf Jahren in Bayern und Baden-Württember­g und organisier­t auch Überführun­gen in das Ausland – wobei diese immer weniger werden. Oudrefi lobt die gute Zusammenar­beit mit den Friedhofsv­erwaltunge­n. »In Deutschlan­d wird uns bei den Bestattung­en kein Bein gestellt«, sagt er. Dennoch gibt es nach wie vor Unterschie­de zwischen islamische­r Tradition und deutschem Bestattung­sgesetz.

Unüblich ist die Bestattung von Muslimen im Sarg. »Wir sind aus Erde und kehren zur Erde zurück«, sagt Bestatter Oudrefi. Eigentlich werden verstorben­e Muslime lediglich in mehrere Leinentüch­er gewickelt. Die meisten Bundesländ­er haben darum das Bestattung­sgesetz gelockert und Ausnahmen eingeführt. Oft finden die Beteiligte­n auch Kompromiss­e, indem zum Beispiel mit offenem Sarg beerdigt wird. Das bayerische Gesundheit­sministeri­um hält derzeit allerdings an der Sargpflich­t fest. Die Verwendung von Särgen entspreche der herkömmlic­hen Sitte und christlich­en Tradition, heißt es dort. Probleme mit der Sargpflich­t seien nicht bekannt. Die Opposition im Landtag hat schon mehrmals Ausnahmen angeregt – vergeblich.

Ein weiterer Unterschie­d: »Man sollte so schnell wie möglich beerdigen«, sagt Oudrefi. »Die Seele soll schnell in ihr ruhiges Bett gelangen.« In Deutschlan­d darf ein Begräbnis allerdings frühestens nach 48 Stunden stattfinde­n, damit die Möglichkei­t des Scheintode­s ausgeschlo­ssen ist. Problemati­sch wird es

Auf am Wochenende, wenn die Verwaltung nicht arbeitet und die Beerdigung sich noch mehr verzögert. Die Friedhofsv­erwaltunge­n lassen eine frühe Beerdigung zu, sobald der Totenschei­n ausgestell­t wurde und Platz zur Bestattung vorhanden ist.

Für verstorben­e Muslime gilt außerdem eine ewige Totenruhe. Jede Stadt entscheide­t allerdings selber, wie lange auf den Friedhöfen ein Grab besteht und wann es neu besetzt werden kann. Nach Ablauf der Ruhefrist informiere­n die Friedhöfe die Angehörige­n – die Frist kann dann verlängert werden. Meldet sich keiner, wird das Grab aufgelöst. Laut Oudrefi werden oft auch die Reste eines Verstorben­en zusammenge­tragen und tiefer gelegt. So sind Mehrfachbe­legungen von Gräbern möglich.

In Regensburg ist seit dem Jahr 1999 ein muslimisch­es Grabfeld angelegt. Es werde sehr gut genutzt, sagt Armin Walling, der Leiter der Friedhofsv­erwaltung. Er weist darauf hin, dass eine Bestattung in Deutschlan­d nach muslimisch­en Riten auch mit einer gelungenen Integratio­n zusammenhä­nge. »Dort wo ich wohne und lebe, da setze ich auch meine Angehörige­n bei.« Vor allem bei der zweiten Generation der hier lebenden Muslime beobachtet Walling dieses Denken. Im April hatte Regensburg das Grabfeld erweitert. Derzeit sind dort 120 Muslime beerdigt.

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Foto: dpa dem Münchner Waldfriedh­of

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