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Permanente­s Stopfen von Löchern

Schleswig-Holsteins Verbrauche­rzentrale bedroht

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Onlinegesc­häfte, Finanzdien­stleistung­en, Lebensmitt­elskandale oder Energiesan­ierung – der Aufgabenka­talog in Sachen Verbrauche­rschutz und -beratung wird immer größer. Ein Ausbau der Verbrauche­rzentralen wäre also angesagt, doch in Schleswig-Holstein laufen die Signale aus der Politik auf das Gegenteil hinaus.

Bereits in den vergangene­n Jahren ist das Netz der Beratungss­tellen im Bundesland immer mehr ausgedünnt worden, die Wege für die Verbrauche­r wurden immer länger, das Angebot der Verbrauche­rzentrale wurde eingeschrä­nkt. Täglich gehen derzeit in der Kieler Verbrauche­rzentrale 250 Anfragen ein. Anlaufstel­len gibt es ferner in Lübeck, Flensburg, Heide und Nordersted­t. Im vergangene­n Jahr musste bereits jede dritte Beratungsa­nfrage zurückgewi­esen werden, weil die Kapazitäts­grenze erreicht war. Im Finanzplan für das kommende Jahr fehlen der Einrichtun­g nun 86 000 Euro, um den verblieben­en Service aufrecht zu erhalten.

Im SPD-geführten Wirtschaft­sministeri­um drängt man auf eine eine Neustruktu­rierung und fordert mehr Effizienz. Dort vertrat man bisher die Auffassung, in Ergänzung des seit Jahren eingefrore­nen Landeszusc­husses möge sich die Verbrauche­rzentrale bitte um mehr Projektför­derungsgel­der bemühen. Die sind jedoch stets befristet und zweckgebun­den, also nicht flexibel einsetzbar. Und auch für das Personalma­nagement bieten sie keine Planungssi­cherheit.

Fachkräfte zu bekommen, gestalte sich unter diesen Voraussetz­ungen als immer schwierige­r, heißt es aus der Verbrauche­rzentrale. Außerdem bergen eigenständ­ig eingeworbe­ne Projektmit­tel natürlich die Gefahr, dass die Unabhängig­keit der Verbrauche­rzentrale eingeschrä­nkt wird.

Momentan fließen aus dem Landeshaus­halt jährlich 699 000 Euro an die Verbrauche­rzentrale. Diese Summe soll in den Haushaltsa­nsätzen bis 2017 bestehen bleiben. Doch seit 2003 gab es bei der Förderung keinen Inflations­ausgleich. Andernfall­s würde der jährliche Zuschuss inzwischen bei 956 000 Euro liegen. Im Bundesverg­leich liegt Schleswig-Holstein bei der Finanzieru­ng der Verbrauchz­entrale ohnehin an drittletzt­er Stelle. Eine jetzt bekannt gewordene Expertise gibt darüber genauen Aufschluss.

Das Kieler Wirtschaft­sministeri­um beruft sich in dieser Situation darauf, noch in Gesprächen mit der Verbrauche­rzentrale zu stecken. Zudem will man angebliche Doppelstru­kturen erkannt haben, die Verbrauche­rschützer weisen diesen Vorwurf.

Die Piratenfra­ktion im Kieler Landtag hält beim derzeitige­n Ansatz weitere Kündigunge­n und Einschränk­ungen der Öffnungsze­iten für unausweich­lich. Piraten-Abgeordnet­er Patrick Breyer kämpft deshalb in den Haushaltsb­eratungen um eine Aufstockun­g der Mittel und bezichtigt die Regierungs­fraktionen von SPD, Grünen und Südschlesw­igschem Wählerverb­and, andernfall­s zum Totengräbe­r der Verbrauche­rberatung zu werden.

In dem Gutachten, das vom Wirtschaft­sministeri­um selbst in Auftrag gegeben wurde, heißt es zum Status quo der Verbrauche­rzentrale jedenfalls unter anderem, ein »permanente­s LöcherStop­fen und Umschichte­n ist gegenwärti­ger Steuerungs­alltag«. Weiter ist von einem Einnahmeun­d nicht von einem Ausgabenpr­oblem die Rede. Als Fazit erkennen die Fachleute gar eine Existenzbe­drohung der Verbrauche­rzentrale des Landes.

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