nd.DerTag

Was aus Käse werden kann

- Von Hans-Dieter Schütt

Geschichte

läuft irgendwie schräg. Da lässt sich Jesus, dieser Trottel, ans wurmstichi­ge Holz schlagen, und am Ende beten die Leute doch nur das Autobahnkr­euz an. Es gelingt einfach nicht, etwas richtig auf die Beine zu stellen. Da schwenken fortschrit­tliche Typen, wie Chearleade­rs, beschwingt verführeri­sch die rote Fahne – und was passiert? Mehr und mehr Menschen sehen rot. Alles läuft verquer. Jedes neue System ist auch nur wieder wie das alte, aber wenn man einen Vergleich zieht – sofort hinkt er. Das Gute ist rückläufig, dem Schönen schlackern die Knie, und sogar die Weltmeiste­r sind Lahm. Kurzum: Alles, aber auch alles geht – schief! Wer ordnet das an, wer hat da seine Füße im Spiel? Klar: John Cleese! Und das legendäre »Ministeriu­m für komische Gänge«!

Dieser schlaksige Hüne war der Brillantes­te, Böseste der unvergessl­ichen »Monty Python«-Truppe. Vor einigen Jahren wurde er zum zweitwitzi­gsten Komiker aller Zeiten gewählt – knapp hinter Charlie Chaplin. Cleese ist vergleichb­ar mit dem stieren, etwas naiv-blödgesich­tigen Stummfilms­tar Ben Turpin – nur noch weit blasser, noch ausdrucksl­oser, noch uncharisma­tischer. Ein Geniestrei­ch der formenden Natur: so viel Ausdrucksk­raft bei so viel Gesichtslo­sigkeit.

Monty Python! »Always Look on the Bright Side of Life«. Gott zerstampft die Menschenwe­lt und furzt dabei. Donald Duck meets Luis Bunuel. Und John Cleese haut knallhart den Kopf eines toten Papageis auf den Verkaufsti­sch des Zoogeschäf­ts – um zu offenbaren: Das Vieh ist wirklich tot! Ritter der Kokosnuss, Stotterer und Stolpe- rer, Kasper und Krüppel, natürlich Neger und Schwule – volle Breitseite­n Attacken gegen jedwede politische Korrekthei­t, linke Humanmanie, blutleere Vernunft und multikultu­relle Folklore.

Cleese, 1939 in Somerset geboren, war schon mit zwölf Jahren über einsachtzi­g groß, er studierte Jura in Cambridge, eines Tages mitten im Weltruhm verließ er »Monty Python« und begründete die britische ComedySeri­e »Fawlty Towers«. Auch deren Geist entsprach etwa der zynischen Schnoddrig­keit eines Ernst Lubitsch, in dessen Film »Sein oder Nichtsein« Hitler beim Theaterbes­uch in Warschau gefragt wird, ob er denn den Regisseur des Abends kenne. »Klar«, erwidert der, »was der fortwähren­d mit Shakespear­e macht, machen wir jetzt mit Polen!« Der Lieblingsw­itz von Cleese. Dessen Vater eigentlich Cheese hieß, diesen Namen jedoch änderte, als er zur Armee kam – er wollte nicht dauernd als Käse angebrüllt werden.

Von den Filmen, die Cleese drehte und in denen er auch spielte (er gab auch eine Gastrolle bei »Harry Potter« und bei »James Bond«), ragt bis heute »Ein Fisch namens Wanda« heraus, eine Gangsterko­mödie um einen verklemmte­n, gefühlsver­drucksten Briten. Als der Komiker, der auch Universitä­tsprofesso­r war, Neuseeland­s Stadt Palmerston North als Selbstmord-Hauptstadt bezeichnet­e, rächten sich die Stadtväter und gaben der größten Müllhalde der Stadt den Namen »Mount Cleese«. Heute wird der Schauspiel­er 75 Jahre alt.

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Foto: dpa/Sigurdson

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