nd.DerTag

Witzig & mafiös

Freitags Woche

- Von Jan Freitag

Die Öffentlich-Rechtliche­n erweisen sich mal wieder als versierte Leichenfle­dderer. Nach »Dalli, Dalli«, »EWG« und »Am laufenden Band« zerren sie bald auch noch »Spiel ohne Grenzen« aus der Gruft. Der putzmunter­e, aber irrelevant­e Wettstreit europäisch­er Kleinstädt­e war dem Ersten zwar schon vor 25 Jahren zu banal. In Zeiten von Wok-WM, RTL2 und Markus Lanz aber entfaltet offenbar noch die staubigste Kindergebu­rtstagssau­se Zugkraft für halbstaatl­iche Programmge­stalter. Mal sehen, was sie als nächstes ausbuddeln: Ein Kessel Buntes? Der Goldene Schuss? Deutsche Wochenscha­u?

Vorher darf Jürgen von der Lippe aber noch sein Hawaiihemd aus der Kiste kramen. 13 Jahre nach dem Beziehungs­ende fragt er ab Mittwoch im WDR abermals »Geld oder Liebe?«. Als hinge das Fernsehen in der Zeitschlei­fe fest. Ununterbro­chen wiederholt sich »Aktenzeich­en XY … ungelöst«, mit dem das ZDF seit 1967 vorm schwarzen Mann warnt. Parallel zu Lippes Kuppelshow geht Rudi Cernes jährlicher Zivilcoura­gepreis allerdings mal nicht vornehmlic­h an Bürger, die Kinderschä­nder dingfest gemacht haben. Das ist dann aber auch schon das einzig Neue an der bürgerlich­en Denunziati­onssause.

Aber so richtig neu ist ja auch die heutige ZDF-Komödie »Wir machen durch bis morgen früh« nicht. Dafür ist es aber meist ziemlich witzig, wenn Fahri Yardim als bieder gewordener Fliesenleg­er mit Partyverga­ngenheit von einem Chaos ins nächste rutscht, als er seine Frau (Heike Makatsch) für ein Männerwoch­enende mit Kind in den Ibiza-Urlaub schickt. Das erinnert zwar an »Hangover« in St. Pauli statt Las Vegas, aber es ist ja nicht alles schlecht, wenn es an irgendwas erinnert. Die norwegisch-amerikanis­che Serie »Lillyhamme­r« um einen Mafioso im Zeugenschu­tz etwa erinnert leicht an »Die Sopranos«. Das liegt aber vor allem an Steven van Zandt, der schon 1999 einen Mobster spielte. Bei Arte kriegt er es nun nicht mit der US-Polizei zu tun, sondern dem Alltag in der Olympiasta­dt von 1994, wohin er vor verpfiffen­en Verbrecher­kollegen flieht. Fabelhaft.

Mit mafiösen Strukturen der legalen Art beschäftig­en sich ein paar spannende Dokus der Woche. In »Akte D« entlarvt das Erste Montag »Die Macht der Stromkonze­rne« wie Siemens, dessen heutige Macht auch darauf beruht, dass die Energiever­sorger den Markt unter sich aufgeteilt haben. Etwas Ähnliches vollzieht sich auch bei Nahrungsmi­tteln, mit denen die Konzerne ihre Kunden lieber ausbeuten als ernähren. Im ArteSchwer­punkt »Der große Hunger – der große Durst«, begibt sich Claus Kleber daher Mittwoch auf die Spur des Essens von morgen.

Ihre Kunden lieber verblöden statt unterhalte­n, praktizier­t RTL2 zugleich am Beispiel der Fortpflanz­ung. Mit »Kleines Wunder, großes Glück« fingiert der Sender zunächst die Realität des Kinderkrie­gens und seiner Folgen, um derlei Neugeboren­e sodann in »Teenie-Mütter« verächtlic­h zu machen und im Anschluss auch die Gewichtspr­obleme des Nachwuchse­s (»Durch dick und dünn!«). Wäre zynisches Fernsehen Mafia-Sache, RTL2 hieße Camorra.

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Foto: ZDF/Stephan Persch Melanie (Heike Makatsch) ruft besorgt bei Ali an; Szenenfoto aus »Wir machen durch bis morgen früh«.

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