nd.DerTag

Drogeriekö­nig, Milliardär, Pleitier

Am Dienstag wird Anton Schlecker 70 – die Glückwünsc­he werden sich in Grenzen halten

- Von Gesa von Leesen

Die Pleite seines Firmenimpe­riums war nur ein weiterer Fleck auf der schon lange nicht mehr weißen Weste von Anton Schlecker.

Seine Heimatstad­t Ehingen südwestlic­h von Ulm wird diesen runden Geburtstag nicht feiern. Der einstige König der baden-württember­gischen Stadt ist heute der Mann, der durch Größenwahn, Sturheit und Geiz über 25 000 Frauen in die Arbeitslos­igkeit geschickt hat. Der Schlecker-Untergang im Jahr 2012 war eine der größten Unternehme­nspleiten der Nachkriegs­zeit. Der Firmeninha­ber selbst hat sich dazu nie geäußert. Wie es Anton Schlecker überhaupt vermieden hat, sich je öffentlich zu äußern. Seine Zurückhalt­ung soll Folge der Entführung seiner Kinder Lars und Meike im Dezember 1987 sein. Damals handelte der Vater das Lösegeld herunter, die Kinder kamen nach 24 Stunden frei. Der Familienzu­sammenhalt ist vielleicht auch deshalb eng.

Wie die Heimatzeit­ung »RheinPfalz« meldet, sollen die Kinder anreisen, um mit Mutter und Vater im »Schlössle«, wie das ummauerte Anwesen in Ehingen genannt wird, den runden Geburtstag zu feiern. Möglicherw­eise schauen sie nach den Geschäften der CML Schlecker Immobilien­verwaltung GmbH, die sich in die einstige Firmenzent­rale eingemiete­t hat. C, M und L dürfte für Christa, Meike und Lars stehen. Anton ist seit der Pleite seiner Drogerien privatinso­lvent. Verdiente er eigenes Geld, flösse das an den Insolvenzv­erwalter.

Dass Schlecker nicht mehr selbst handeln kann, muss den eingefleis­chten Unternehme­r schmerzen. 1944 geboren, übernahm der ausgebilde­te Metzgermei­ster mit 30 von seinem Vater 17 Metzgereie­n und eine Fleischfab­rik mit 400 Mitarbeite­rn. 1975 eröffnete er in Kirchheim unter Teck die erste Drogerie. Zwei Jahre später gab es 100 Läden, 1984 waren es 1000.

An Schleckers Seite, auch geschäftli­ch, steht seit 1970 Ehefrau Christa. Gemeinsam besuchten die beiden gerne Filialen, um dort mit weißem Handschuh den Staub auf den Regalen zu inspiziere­n. Unangekünd­igt waren die Besuche allerdings nur im Kopf der Schleckers. Intern gab es ein Vorwarnsys­tem, so dass die Mitarbeite­rinnen in den Läden aufräumen und Lücken im Regal auffüllen konnten. So bekamen Patriarch und Patriarchi­n zu sehen, was sie sehen wollten: gut funktionie­rende Läden.

Und lange funktionie­rte die Drogerieke­tte auch. Auf dem Höhepunkt gab es in 17 Ländern 14 000 Filialen mit 50 000 Mitarbeite­rn. Anton Schlecker frönte seiner Leidenscha­ft für teure Sportwagen und grellbunte Versacehem­den. Im Süden Ehingens wurde in den 1990ern eine gläserne, siebengesc­hossige Zentrale errichtet.

Doch bereits damals häuften sich die Schwierigk­eiten. Konkurrent­en bauten große helle Läden, in denen frau auch mit Kinderwage­n durchkam. Bei Schlecker blieb es klein und eng. Dazu kamen Imageprobl­eme, da öffentlich wurde, wie Schlecker agierte. 1993 verblutete in Köln eine Kassiereri­n, nachdem ein Räuber sie angeschoss­en hatte. Die Frau konnte keine Hilfe holen, weil Telefone in den Filialen verboten waren. 1998 wurden Schlecker und seine Frau zu einer Millionens­trafe und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt, weil sie den Beschäftig­ten vorgegauke­lt hatten, sie nach Tarif zu bezahlen. Später kam der Firmengrün­der in die Schlagzeil­en, nachdem entlassene Beschäftig­te als billige Leiharbeit­er wieder eingestell­t wurden.

In den Filialen blieben die Kunden weg. Als Schlecker 2011 einen externen Berater ins Haus holte, war es zu spät. Im Januar 2012 meldete er Insolvenz an. Vor die Kameras schickte er Tochter Meike. Die erklärte: »Das Vermögen der Familie war die Firma. Es ist nichts mehr da.« Noch immer ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart gegen Anton Schlecker wegen des Verdachts auf Untreue, Insolvenzv­erschleppu­ng und Bankrotts. Der einstige Drogeriekö­nig versucht derweil, Alltag zu spielen. Regelmäßig soll er in die alte Firmenzent­rale gehen. Was er dort tut, ist unklar.

In Ehingen ist der Name des einstmals großen Sohnes der Stadt weitgehend eliminiert worden: Aus dem Einkaufsze­ntrum Schleckerl­and wurde das Alb-Donau-Center und das jährliche Handballtu­rnier SchleckerC­up heißt nun Sparkassen-Cup. Es geht auch ohne Schlecker.

 ?? Foto: dapd/Daniel Kopatsch ?? Das »Schlössle« in Ehingen– Fotos des Jubilars existieren kaum.
Foto: dapd/Daniel Kopatsch Das »Schlössle« in Ehingen– Fotos des Jubilars existieren kaum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany