Bund und Länder dealen mit Flüchtlingen
Für eine Milliarde Euro vergessen die Bundesländer ihre Kritik an neuen Asylgesetzen
Der Bund hilft den Ländern bei den Kosten für Flüchtlinge – die billigten dafür umstrittene Gesetze zu den Leistungen für Asylbewerber und zur Freizügigkeit.
Eine Milliarde Euro. Für diesen Preis hat sich der Bundesrat die Zustimmung zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom Bund abkaufen lassen. Am Freitag stimmte die Länderkammer nach langen Verhandlungen am Vortag dem Gesetz zu, obwohl sie zuvor weitreichende Änderungen verlangt und damit gedroht hatte, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Eigentlich hatten sich die Länder langfristige Finanzzusagen und eine dauerhafte Übernahme von Gesundheitskosten gewünscht. Nun bekommen sie in den nächsten beiden Jahren jeweils 500 Millionen Euro für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Die Hälfte der Summe müssen sie allerdings innerhalb von 20 Jahren zurückzahlen.
Mit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes wird nach mehr als zwei Jahren ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. 2012 hatte Karlsruhe die bis zu 40 Prozent unter dem Hartz-IV-Satz liegenden Leistungen für Asylbewerber als verfassungswidrig eingestuft. Mit der beschlossenen Regelung werden sie nun auf 352 Euro pro Monat angehoben. Damit liegt der Satz weiterhin unter den Hartz-IVLeistungen, die ab 2015 399 Euro pro Monat betragen.
Zu dem Bund-Länder-Deal gehört die Zustimmung zur Änderung des EU-Freizügigkeitsrechts, mit der angeblicher Sozialbetrug durch Zuwanderer aus der EU stärker geahndet werden soll. Künftig drohen Migranten, die falsche Angaben machen, Strafen bis hin zu Haft und befristeten Einreisesperren. »Die Beschlüsse liegen am unteren Ende dessen, was möglich und – vor allem – nötig gewesen wäre«, erklärten LINKE-Bundesgeschäftsführer Mat-
Eigentlich hatten die Länder langfristige Finanzzusagen und eine Übernahme von Gesundheitskosten gefordert.
thias Höhn und Vorstandsmitglied Katina Schubert am Freitag. Zwar brächten sie kleine Verbesserungen, doch »nichts davon ändert die Situation von Menschen auf der Flucht grundsätzlich zum Besseren. Nichts davon bringt uns einer ›Willkommenskultur‹ wirklich näher.«
Unterdessen könnte die Anfang November beschlossene Asylrechtsreform zu sicheren Herkunftsländern auf den Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts kommen. Das Verwaltungsgericht Münster stößt sich an der Einstufung Serbiens als »sicher«. (Az.: 4 L 867/14.A) Das Gericht habe dem Eilantrag einer serbischen Roma-Familie entsprochen und ihr vorläufigen Schutz vor Abschiebung gewährt, teilte ein Gerichtssprecher am Freitag mit. Es sei unklar, ob der Gesetzgeber das Vorhandensein politischer Verfolgung in Serbien ausreichend geprüft habe.
Die Asylanträge der Familie waren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt worden. Derzeit sprächen erhebliche Gründe dafür, dass die Entscheidungen des Bundesamts aufgehoben würden. Sollten sich die Zweifel im weiteren Verfahren nicht auflösen, will das Gericht diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen.