Empörung in Sömmerda
Rassistischer Vorfall setzt Landrat unter Druck / »Willkür« von Behörde seit langem bekannt
Das Fernsehen hat den herablassenden Umgang einer Ausländerbehörde in Thüringen mit Flüchtlingen gezeigt. Offenbar gab es dort mehrere Vorfälle dieser Art.
Am 20. November zeigte die ARD in ihrer Sendung »Monitor« mit versteckter Kamera gefilmte Aufnahmen eines Besuchs eritreischer Flüchtlinge in der Ausländerbehörde im thüringischen Sömmerda. In dem Beitrag tritt der Sachgebietsleiter der Behörde äußerst aggressiv gegenüber einem der Flüchtlinge auf, bezeichnet diesen als zu »dumm«, um eine Waschmaschine zu bedienen und sagt am Ende drohend und mit einem Schlüsselanhänger herumwedelnd: »Wenn ihm das alles nicht passt, hat er die Möglichkeit, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.«
Der Beitrag löste eine Welle der Empörung in Sömmerda aus, in Folge derer Landrat Harald Henning (CDU) unter Druck geriet. Schließlich forderte er den Sachgebietsleiter und seinen Mitarbeiter zu einer schriftlichen Stellungnahme auf, nach dessen Erhalt er »arbeitsrechtliche und disziplinarische Schritte« einleiten will. Er werde das Team in der Ausländerbehörde personell mit einem Englisch sprechenden Mitarbeiter verstärken, so Henning gegenüber »nd«.
Wenige Tage nach dem Vorfall hat sich das »Bürgerbündnis für einen toleranten Landkreis Sömmerda« mit den zwölf eritreischen Flüchtlingen getroffen, die erst seit drei Monaten in Deutschland leben. »Wir haben mit den jungen Eritreern darüber gesprochen, wie sie persönlich die Situation erlebt haben«, erzählt Michael Rosenbusch, stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Die Flüchtlinge seien zunächst erstaunt und dann enttäuscht von der Behandlung des Behördenleiters und seines Mitarbeiters gewesen. Georg Claassen, Experte für Asylbewerberleistungsrecht und Flüchtlingsberatung, bezeichnete das Verhalten des Sachgebietsleiters als »offenen Rassismus«. »Die Probleme, die die Flüchtlinge haben, haben viel mit Verständigung zu tun und mit fehlendem Einfühlungsvermögen von Seiten der Behörde«, so Rosenbusch. Das Bürgerbündnis fordert, den Sachgebietsleiter zu versetzen oder zu entlassen.
Beim Bürgermeister Ralf Haboldt (LINKE), der aber nicht für die Flüchtlinge zuständig ist, gingen zahlreiche Beschwerden ein. Ein sächsisches Unternehmen entschied, sich aufgrund des Benehmens der Mitarbeiter der Ausländerbehörde nicht in Sömmerda niederzulassen. »Aufgrund der rassistischen Vorurteile und der herablassenden Art und Weise« forderte die Linksfraktion im thüringischen Landtag Henning zur sofortigen Absetzung des Sachgebietsleiters der Behörde auf.
»Willkür in der Ausländerbehörde Sömmerda ist seit langem bekannt«, kritisierte der Flüchtlingsrat Thüringen in einem Offenen Brief die erste Reaktion des Landrats, der sich ge- genüber der »Thüringer Allgemeinen« von dem Verhalten des Sachgebietsleiters und seines Kollegen »überrascht« zeigte. Bereits im März 2013 habe der Flüchtlingsrat den Landrat in einem Schreiben über »grobes Fehlverhalten, unmenschliche und erniedrigende Behandlung« durch den Sachgebietsleiter und Sachbearbeiter informiert. Die Ausländerbehörde Sömmerda treffe Entscheidungen sehr restriktiv und zu Ungunsten der Betroffenen. Ermessens- und Handlungsspielräume würden nicht positiv genutzt, behördliche Entscheidungen nicht transparent gemacht, sondern allenfalls mit einem mündlichen »Nein« abgelehnt.
Das Bürgerbündnis möchte die Flüchtlinge in Zukunft unterstützen und auf ein Umdenken im Umgang mit den Asylbewerbern auch innerhalb der Bevölkerung hinwirken. Die Schutzsuchenden äußerten gegenüber dem Bündnis drei Wünsche: An erster Stelle stehe der Wunsch, Deutsch zu lernen, damit sie sich selbst verständigen könnten. Außerdem fragten die Eritreer, die in drei Wohnungen leben, nach Besteck, Winterkleidung und einem Fernseher, damit sie sich über die Entwicklungen in ihrem Land informieren könnten. »Zugriff zum Internet haben sie nicht, weil sie auch keinen Computer haben. Sie dürfen ja nicht arbeiten, sie haben keinen Fernseher, also sitzen sie im Prinzip den ganzen Tag in der Wohnung herum«, erzählt Rosenbusch.
Nach dem Bericht sind zahlreiche Spenden bei der Bürgerinitiative eingegangen. »Weil wir die Flüchtlinge jetzt konkret unterstützen, haben wir in den letzten Tagen viele Hilfsangebote und Spenden bekommen«, berichtete die Vorsitzende des Bündnisses, Juliane Baumann. Es seien inzwischen mehrere Fernseher abgegeben worden, für die Finanzierung der Anschlüsse will sich das Bündnis mit dem Bürgermeister zusammen setzen. Auch bot ein Englischlehrer des örtlichen Gymnasiums an, die Flüchtlinge in Deutsch zu unterrichten.