Opfer für die schwarze Null
Die Bundesregierung strebt für 2015 einen ausgeglichenen Haushalt an. Investitionen bleiben auf der Strecke
Wegen niedriger Zinsen sind die Zeiten für öffentliche Investitionen besonders günstig. Trotzdem hält sich die Große Koalition zurück.
Finanzminister Wolfgang Schäuble ist offenbar davon überzeugt, dass er kurz davor ist, eine historische Leistung zu vollbringen. Am Freitag sagte der CDU-Politiker bei der Abschlussrunde zum Haushalt im Bundestag pathetisch, der schwarz-rote Etat ohne Neuverschuldung für das kommende Jahr sei »mehr als ein bedeutsames Ereignis, es ist eine Verpflichtung für die Zukunft«. Die große Mehrheit der Abgeordneten stimmte für den Etat 2015. Besonders in der Union wurde dieser überschwänglich gelobt. Der CSU-Politiker Bartholomäus Kalb sprach von einem »neuen Haushaltszeitalter«.
Doch durch den Haushalt entstehen auch Probleme. Aus Sicht der Linksfraktion werden zwar keine neuen Schulden bei den Banken, aber bei den Sozialkassen gemacht. So bekommt der Gesundheitsfonds zweieinhalb Milliarden Euro weniger. Als Folge wollen viele gesetzliche Krankenkassen die Beiträge erhöhen. Zudem werden einige Maßnahmen aus der Rentenversicherung finanziert. Dort wird künftig Geld fehlen.
Die Grünen wiesen darauf hin, dass die Bundesregierung von den histo- risch niedrigen Zinsen profitiert. Dadurch spare sie 1,33 Milliarden Euro an Zinsausgaben. Zudem würden Rückzahlungen der EU in Höhe von 2,2 Milliarden Euro den Haushalt entlasten. Ebenso wie die LINKE sind die Grünen dafür, dass die guten Umstände aufgrund niedriger Zinsen stärker für Investitionen genutzt werden. Dabei geht es etwa um die Infrastruktur und die Energiewende.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, dass Schäuble diesen Forderungen etwas entgegenkommt. Er kündigte an, dass es trotz etwas schwächeren Steuereinnahmen gewisse Spielräume für zusätzliche Investitionen gebe. Die Regierung will in den Jahren 2016, 2017 und 2018 insgesamt zehn Milliarden Euro extra lockermachen. Das Geld soll wahrscheinlich in Projekte für Digitales, Straßen und den Klimaschutz fließen. Allerdings wird trotz dieser Pläne die Investitionsquote weiter sinken. Diese sinkt im aktuellen Finanzplan von 10,1 Prozent im Jahr 2014 auf 8,3 Prozent im Jahr 2018. Mit den versprochenen zehn Milliarden Euro zusätzlicher Investitionen, die Schäuble verkündet hat, sinkt die Quote auf 9,3 Prozent. »Es bleibt ein Tropfen auf dem heißen Stein und trotz dringendem Handlungsbedarf ist im aktuellen Haushalt von den zehn Milliarden Euro nichts zu sehen«, heißt es in einer Mitteilung der Grünen-Bundestagsfraktion. Eine solide Gegenfinanzierung sei Schäuble bisher schuldig geblieben.
Nicht nur die Opposition ist mit dem Etat unzufrieden. Auch einige SPD-Politiker hatten im Oktober vorsichtig bemängelt, dass die Haushaltspolitik keine adäquate Reaktion auf die Konjunkturflaute sei. Der Bund solle stattdessen mehr Geld in die Hand nehmen. Im Bundestag gab es allerdings keine Gegenstimme aus der Koalition. Schäuble verlässt sich mit seinem Haushalt auf eine gute konjunkturelle Entwicklung sowie Steuermehreinnahmen, obwohl sich derzeit etwa die Sanktionspolitik gegen Russland negativ auf den deutschen Export auswirkt. Wenn sich diese Erwartungen nicht erfüllen sollten, könnte ein Nachtragsetat nötig werden. Dazu sah sich auch die letzte Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gezwungen, die von 2005 bis 2009 im Amt war. Um gegen die Wirtschaftskrise vorzugehen, musste der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Jahr 2009 so viele neue Schulden aufnehmen wie keiner seiner Amtsvorgänger.