Bienentod vor Gericht
Imkerverbände am EuGH-Prozess beteiligt
Pestizidhersteller klagen vor dem Europäischen Gerichtshof gegen ein Moratorium für ihre Produkte. Nun dürfen auch ihre Gegenspieler, die Imker, am Prozess teilnehmen.
Die Auswirkungen auf einzelne Bienen durch sogenannte Neonicotinoide sind mittlerweile belegt. Zwar fallen die Honigsammler nicht direkt vom Himmel, aber Orientierungslosigkeit und Kommunikationsschwierigkeiten haben eindeutig subletale, also nachfolgend tödliche Wirkung. Im Herbst vergangenen Jahres führte die Erkenntnis zu einem Moratorium der Pestizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Die Verwendung von gebeiztem Saatgut beim Anbau von Mais, Sonnenblumen, Raps und Baumwolle ist seitdem untersagt. Gespritzt werden darf das Pestizid jedoch uneingeschränkt bei Nutzpflanzen, die als nicht attraktiv für Bienen eingestuft wurden.
Als Reaktion auf das Moratorium zogen die Hersteller BASF, Bayer und Syngenta vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Sie zweifeln die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der EU-Kommission an. Um zu vermeiden, dass »Entscheidungen im Hinterzimmer getroffen werden«, so Thomas Radetzki vom Imkerverband Mellifera e.V, haben Imkerverbände beantragt, ebenfalls als Prozessbeteiligte zugelassen zu werden.
Vor wenigen Wochen kam die Zulassung für drei Verfahren vor dem EuGH. Jetzt sehen sich der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerverband und österreichische Berufsverbände 6000 Seiten Schriftsätzen und Gutachten gegenüber, davon sind einige Seiten unkenntlich gemacht. Nach Angaben des beauftragten Fachan- walts für Umweltrecht, Achim Willand, sind unter den fehlenden Unterlagen Korrespondenzen zwischen Saatgutkonzernen und EU-Kommission sowie verschiedene Studien. »Es kann nicht sein, dass Unternehmen Schriftstücke als relevant in den Prozess einbringen und dann nicht alle Prozessbeteiligten Zugang zu diesen bekommen«, so Willand. »Wir haben zunächst Fristverlängerung beantragt.« Ob diese gewährt wird, ist unklar. Verhandelt wird die Zuständigkeit der EU-Kommission. Die Frage sei, wer das Risiko trage, erklärt Willand und bestärkt die Auffassung der Kommission, dass das Vorsorgeprinzip in Europa das Moratorium notwenig gemacht habe.
In Europa berichten einzelne Imker bereits seit 1998 über plötzliches Völkersterben. Inzwischen haben Studien nachgewiesen, dass die Pestizide Bienen und andere Insekten wie Hummeln massiv schädigen. Die Industrie spricht von Einzelfällen und falscher Anwendung durch die Bauern. Tatsächlich gibt es bisher wenige Studien über die Auswirkungen auf ganze Bienenvölker.
Der Neurobiologe Randolf Menzel fordert mehr Zeit, um belastbare Ergebnisse zu erhalten. Neue Erkenntnisse verweisen darauf, dass die Bienenvölker zwar den Schaden durch Pestizidbelastung selber beheben können. Kämen andere Faktoren hinzu wie Milbenbefall, »dann kann die Pestizidbelastung der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt«, so Menzel. Andere Studien belegen die Auswirkungen auf Feldvögel, die schlicht nicht mehr genug Insekten als Nahrung finden. Der Wissenschaftler fordert deshalb eine Verlängerung des Moratoriums, das im Frühjahr 2015 von der Kommission überprüft wird.