Grüne denken über Urwahl nach
In Sachen Mitgliederentscheid war in Brandenburg die LINKE der Vorreiter
Eine Landesdelegiertenkonferenz der Grünen wählt in einem Neuruppiner Oberstufenzentrum einen neuen Vorsitzenden. Es gibt nur einen Bewerber.
Bei der Trennung von Amt und Mandat sind die Grünen besonders konsequent. Weil der Landesvorsitzende Benjamin Raschke und Vorständlerin Heide Schinowsky am 14. September in den Landtag eingezogen sind, geben sie ihre Parteiämter ab. Bei einer Landesdelegiertenkonferenz (LDK) an diesem Sonnabend werden die Nachfolger bestimmt.
Eine Bewerbung als neuer Landeschef hatte bis Freitag nur Clemens Rostock aus Hennigsdorf eingereicht, und Pressereferent Simon Zunk geht davon aus, dass sich nun in letzter Sekunde auch niemand anders mehr melden wird. Deshalb darf man davon ausgehen, dass Rostock der nächste Landesvorsitzende sein wird. Geboren 1984 in Eisenhütten- stadt, hat Clemens Rostock an den Universitäten in Potsdam und Münster Volkswirtschaftslehre und Regionalwissenschaften studiert. »Zwar können wir uns über die Wahlergebnisse freuen«, schreibt er in seiner Bewerbung, »sie zeigen aber auch, dass unsere Bäume nicht in den Himmel wachsen und noch viel zu tun bleibt.« Bei der Landtagswahl verbesserten sich die Grünen leicht von 5,7 auf 6,2 Prozent. Der Stimmenanteil reichte immerhin für ein sechstes Mandat.
Nach Ansicht von Rostock zeigten die letzten Urnengänge, »dass der kurzfristige Wahlkampf für den Erfolg eher zweitrangig ist und wir stattdessen vor allem dort stark sind, wo wir dauerhaft präsent sind«. Die Landespartei benötige mehr Ortsverbände, glaubt Rostock.
Nach einem langsamen, aber stetigen Zuwachs zählen die Grünen inzwischen mehr als 1000 Mitglieder und sind damit die einzige der etablierten Parteien im Bundesland, die unter dem Strich Zugewinne verbuchen kann. Um die Zahl 1000 richtig einzuordnen, muss man allerdings wissen, dass die LINKE rund 7000 Genossen stark ist und die FDP, die mit einem desaströsen Ergebnis von 1,5 Prozent aus dem Parlament geflogen ist, 1200 Mitglieder hat.
»Wir können mit der endlich erreichten Zahl von 1000 Grünen noch nicht zufrieden sein«, findet HeinzHerwig Mascher. »Ein wesentlicher Punkt, um Menschen für Politik und für Mitarbeit in einer Partei zu gewinnen, ist das Gefühl, etwas mitentscheiden und verändern zu können.« Auch aus diesem Grunde habe die Bundespartei zuletzt zwei Mitgliederentscheide durchgeführt.
Die märkischen Grünen überlegen, so etwas in Zukunft auch zu tun. Der Landesvorstand hat eine Arbeitsgruppe Urwahl eingesetzt. Sie soll sich mit Ideen für mehr innerparteiliche Demokratie befassen. Sie soll abklären, ob Urwahlen eingeführt werden sollten und auf welchem Wege sie am besten zu bewerkstelligen wären. Mascher möchte als einer von fünf Basisvertretern von der LDK in die Arbeitsgruppe entsandt werden. Er kann aber nicht in Neuruppin erscheinen, weil er als Landessprecher der Grünen Liga zu deren Mitgliederversammlung in Potsdam muss. Darum hat Mascher den Delegierten aufgeschrieben, welche Positionen er in der Arbeitsgruppe Urwahl vertreten würde. Nachzulesen ist eine mit der Datensicherheit begründete Skepsis gegenüber Mitgliederentscheiden per Internet, obwohl diese billiger wären als solche per Post. Mascher äußert auch rechtliche Bedenken.
»Ich erhoffe mir einiges von der Arbeitsgruppe zur innerparteilichen Demokratie«, lässt der designierte Landesvorsitzende Rostock wissen. Er spricht davon, dass die Grünen in Sachen Demokratie stets Vorreiter sein sollten. Vorreiter ist in Brandenburg aber die LINKE. Die führte im Oktober einen ersten Mitgliederentscheid durch, ließ so den Koalitionsvertrag mit der SPD bestätigen. 2009 war dies noch Parteitagsdelegierten vorbehalten gewesen.