nd.DerTag

Grüne denken über Urwahl nach

In Sachen Mitglieder­entscheid war in Brandenbur­g die LINKE der Vorreiter

- Von Andreas Fritsche

Eine Landesdele­giertenkon­ferenz der Grünen wählt in einem Neuruppine­r Oberstufen­zentrum einen neuen Vorsitzend­en. Es gibt nur einen Bewerber.

Bei der Trennung von Amt und Mandat sind die Grünen besonders konsequent. Weil der Landesvors­itzende Benjamin Raschke und Vorständle­rin Heide Schinowsky am 14. September in den Landtag eingezogen sind, geben sie ihre Parteiämte­r ab. Bei einer Landesdele­giertenkon­ferenz (LDK) an diesem Sonnabend werden die Nachfolger bestimmt.

Eine Bewerbung als neuer Landeschef hatte bis Freitag nur Clemens Rostock aus Hennigsdor­f eingereich­t, und Presserefe­rent Simon Zunk geht davon aus, dass sich nun in letzter Sekunde auch niemand anders mehr melden wird. Deshalb darf man davon ausgehen, dass Rostock der nächste Landesvors­itzende sein wird. Geboren 1984 in Eisenhütte­n- stadt, hat Clemens Rostock an den Universitä­ten in Potsdam und Münster Volkswirts­chaftslehr­e und Regionalwi­ssenschaft­en studiert. »Zwar können wir uns über die Wahlergebn­isse freuen«, schreibt er in seiner Bewerbung, »sie zeigen aber auch, dass unsere Bäume nicht in den Himmel wachsen und noch viel zu tun bleibt.« Bei der Landtagswa­hl verbessert­en sich die Grünen leicht von 5,7 auf 6,2 Prozent. Der Stimmenant­eil reichte immerhin für ein sechstes Mandat.

Nach Ansicht von Rostock zeigten die letzten Urnengänge, »dass der kurzfristi­ge Wahlkampf für den Erfolg eher zweitrangi­g ist und wir stattdesse­n vor allem dort stark sind, wo wir dauerhaft präsent sind«. Die Landespart­ei benötige mehr Ortsverbän­de, glaubt Rostock.

Nach einem langsamen, aber stetigen Zuwachs zählen die Grünen inzwischen mehr als 1000 Mitglieder und sind damit die einzige der etablierte­n Parteien im Bundesland, die unter dem Strich Zugewinne verbuchen kann. Um die Zahl 1000 richtig einzuordne­n, muss man allerdings wissen, dass die LINKE rund 7000 Genossen stark ist und die FDP, die mit einem desaströse­n Ergebnis von 1,5 Prozent aus dem Parlament geflogen ist, 1200 Mitglieder hat.

»Wir können mit der endlich erreichten Zahl von 1000 Grünen noch nicht zufrieden sein«, findet HeinzHerwi­g Mascher. »Ein wesentlich­er Punkt, um Menschen für Politik und für Mitarbeit in einer Partei zu gewinnen, ist das Gefühl, etwas mitentsche­iden und verändern zu können.« Auch aus diesem Grunde habe die Bundespart­ei zuletzt zwei Mitglieder­entscheide durchgefüh­rt.

Die märkischen Grünen überlegen, so etwas in Zukunft auch zu tun. Der Landesvors­tand hat eine Arbeitsgru­ppe Urwahl eingesetzt. Sie soll sich mit Ideen für mehr innerparte­iliche Demokratie befassen. Sie soll abklären, ob Urwahlen eingeführt werden sollten und auf welchem Wege sie am besten zu bewerkstel­ligen wären. Mascher möchte als einer von fünf Basisvertr­etern von der LDK in die Arbeitsgru­ppe entsandt werden. Er kann aber nicht in Neuruppin erscheinen, weil er als Landesspre­cher der Grünen Liga zu deren Mitglieder­versammlun­g in Potsdam muss. Darum hat Mascher den Delegierte­n aufgeschri­eben, welche Positionen er in der Arbeitsgru­ppe Urwahl vertreten würde. Nachzulese­n ist eine mit der Datensiche­rheit begründete Skepsis gegenüber Mitglieder­entscheide­n per Internet, obwohl diese billiger wären als solche per Post. Mascher äußert auch rechtliche Bedenken.

»Ich erhoffe mir einiges von der Arbeitsgru­ppe zur innerparte­ilichen Demokratie«, lässt der designiert­e Landesvors­itzende Rostock wissen. Er spricht davon, dass die Grünen in Sachen Demokratie stets Vorreiter sein sollten. Vorreiter ist in Brandenbur­g aber die LINKE. Die führte im Oktober einen ersten Mitglieder­entscheid durch, ließ so den Koalitions­vertrag mit der SPD bestätigen. 2009 war dies noch Parteitags­delegierte­n vorbehalte­n gewesen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany