Wahlkampf als Trauerarbeit
Die Witwe des Bürgermeisters in Burghaun will Rathauschefin werden – und so das Erbe ihres Mannes antreten
Ihr Mann ist zum Bürgermeister einer Gemeinde in Hessen gewählt, er stirbt aber vor Amtsantritt bei einem Motorradunfall. Die Witwe will seine Nachfolge – und steht am Sonntag zur Wahl.
Burghaun. So ein Fall ist selten in der deutschen Kommunalpolitik – und dazu brisant: Die Witwe eines tödlich verunglückten designierten Bürgermeisters will seine Amtsnachfolgerin im osthessischen Burghaun werden. Gabriele Atzler (44) von der CDU möchte nach dem Motorradunfall ihres Mannes Wolfgang (52) im Sommer dessen Erbe an der Ratshausspitze antreten. »Das ist mir eine Herzensangelegenheit«, sagt die als Schuldirektorin führungserfahrene Frau. Am Sonntag wird in der 6700Einwohner-Gemeinde nördlich von Fulda gewählt. Atzler konkurriert mit zwei Mitbewerbern. »Ich habe meinen Mann in der Politik lange begleitet und möchte nun aus seinem Schatten treten. Ich will dafür kämpfen, was er begonnen hat«, sagte sie.
An ihrer Kandidatur scheiden sich die Geister in Burghaun. Da gibt es Bewunderer, die vor dem Mut und Tatendrang respektvoll den Hut ziehen. Da gibt es Kritiker, die eher Befremden empfinden. Der Politikwissenschaftler und emeritierte Universitätsprofessor Ulrich Sarcinelli (Koblenz-Landau) ist ein vergleichbarer Fall wie der in Burghaun bun- desweit nicht bekannt. Der Fachmann für politische Kommunikation hält das Ganze für eine »pikante Konstellation«: »Da stellt sich die Frage nach dem Mitleidsbonus der Wähler für die Frau. Manch einer könnte unterstellen, dass die Kandidatur Teil der Trauerarbeit ist.« Zwar sei Atzler durch die Berichte über den tragischen Verlust bekannter bei Wählern. Aber zwangsläufig muss das kein Vorteil sein. Sarcinelli glaubt: Die Persönlichkeit, die sie verkörpere und den Wählern näherbringe, spiele die größte Rolle für ihren Erfolg oder Misserfolg. »Wichtig ist, ein eigenes Profil zu entwickeln.« Atzler nennt die Familien-, Finanz- und Energiepolitik als The- men. Auf einem Handzettel wirbt die Schulamtsdirektorin für einen »Kurswechsel mit Köpfchen«.
Für Atzlers Gegenkandidaten muss der Wahlkampf schwierig gewesen sein. Simon Sauerbier (36) – parteilos, aber von SPD und FDP unterstützt – versucht die heikle Konstellation auszublenden. »Ich konzentriere mich auf meinen eigenen Wahlkampf. Damit bin ich gut beschäftigt.« Atzler sei eine ganz normale Mitbewerberin. Der dritte Kandidat, der unabhängig angetretene Bastian Bayer (38), beobachtet: »Der Tod ihres Mannes spielt bei ihr immer eine Rolle.« Sie versuche womöglich diese Konstellation für sich zu nutzen, vermutet der Kommunalbeamte.