Der »Felsenkeller« wird wachgeküsst
Traditionsreiches Leipziger Arbeiterlokal soll vor dem weiteren Verfall gerettet werden
Der »Felsenkeller« im Leipziger Westen war ein Traditionsort der Arbeiterklasse, die sich dort versammelte und feierte. Nach langem Siechtum soll das neobarocke Gebäude wiederbelebt werden.
Der Auftritt des prominenten Gastes versprach schon vorab, das Publikum in hellen Scharen anzulocken und von den Stühlen zu reißen. »Wir erwarten, dass die Arbeiterschaft die Veranstaltung in Massen besucht«, hieß es in der Presse. Und tatsächlich war der Saal voll, als Rosa Luxemburg am 27. Mai 2013 im Leipziger »Felsenkeller« ans Rednerpult trat und die weltpolitische Lage erklärt.
Mancher Satz lässt noch gut 100 Jahre später die Ohren klingeln. Es sei eine »alte Binsenwahrheit, dass, wo zwei oder drei kapitalistische Staaten die Köpfe zusammenstecken, es sich immer um die Haut eines vierten kapitalistischen Staates handelt«, sagte Luxemburg und warnte vor Rüstung. Die sei »fatale Konsequenz der kapitalistischen Entwicklung, und dieser Weg führt in den Abgrund«.
Es waren Auftritte wie die von Luxemburg, von Karl Liebknecht, Clara Zetkin und Ernst Thälmann, die den »Felsenkeller« im Leipziger Westen zu einem der populärsten Versammlungsorte der Arbeiter in der Stadt werden ließen. Allerdings politisierte das Proletariat nicht nur, es wollte auch das Leben genießen und feiern. Auch diesen Bedürfnissen konnte in dem im Stil des Neobarock errichteten und 1890 eingeweihten Gebäudekomplex gefrönt werden: Weil der Bauherr eine Brauerei war, gab es eine Schankwirtschaft und einen Biergarten, dazu den Saal, in dem neben Versammlungen auch Konzerte und Bälle stattfanden, und sogar ein »Felsenkellerlichtkino«. In dem Lokal an der Grenze zwischen den Ortsteilen Plagwitz und Lindenau steppte damals, so scheint es, tatsächlich der Bär.
Zuletzt war der Glanz der vergangenen Tage indes allenfalls noch zu ahnen. Die Türen unter dem prächtigen Eckturm mit der neobarocken Kuppel waren versperrt, die Fenster mit Platten verrammelt und mit Plakaten beklebt. Ein betrüblicher Anblick auch für viele Leipziger mittleren Alters, sagt Volker Külow, Kulturpolitiker und Stadtchef der LINKEN: Der »Felsenkeller« habe sich auch in den Jahren der DDR »als Kulturzentrum, Gaststätte und Vergnügungslokal enormer Beliebtheit erfreut«.
Allerdings war die Bausubstanz zunehmend hinfällig. Als die heutigen Eigentümer das Gebäude 1997 von der Treuhand kauften, waren das Mauerwerk von Schwamm befallen und die Technik marode. Zwar investierten die Besitzer mehr als eine halbe Million Euro. Ab 2012 jedoch wurden unter Hinweis auf unzureichende Brandschutztechnik keine Veranstaltungen mehr genehmigt. Das »Tor zum Karl-Heine-Boulevard« schien dem Siechtum verfallen zu sein. Für Aufsehen und Protest sorgten allenfalls noch Pläne, in dem historischen Gebäude einen Teppichmarkt anzusiedeln.
Kurz vor dem 125-jährigen Jubiläum des »Felsenkellers« indes könnte sich das Blatt wenden. Eine neu gegründete Betreibergesellschaft stellte kürzlich Pläne für eine Wiederbelebung vor. Bereits im Februar soll ein Ball mit dem Motto »Wachgeküsst« stattfinden. Möglich wurde das, weil zuletzt in den Brandschutz im Saal investiert worden war. Geplant sind in Zukunft Konzerte, Lesungen sowie Theater- und Varietéaufführungen; zudem soll das Haus für Tagungen und Firmenfeiern vermietet werden.
Die Einnahmen sollen in den weiteren Ausbau gesteckt werden, dessen Kosten auf fünf Millionen Euro beziffert werden. Ob dafür Fördergelder genutzt werden können, ist offen; Külow hatte im Juni in einem Brief an Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau für Unterstützung durch die Stadt geworben. Zunächst muss sich freilich zeigen, ob die Leipziger den »Felsenkeller« auch künftig wieder »in Massen besuchen« – auch wenn es sich um Konzerte statt um politische Versammlungen der Arbeiterklasse handelt. Dafür müsste auch diese aber ohnehin erst »wachgeküsst« werden.