Erinnerungskur
Eine Konferenz in Berlin
»Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System«, verhieß Michael Schumann auf dem Außerordentlichen Parteitag der SED/PDS. Das war ernst gemeint. Einige Signale indes, die seinerzeit die erneuerungswillige Partei aussandte, irritierten. Nicht nur der Besen, der an »Tschistka«, Stalins Säuberungen, erinnerte, auch die neuen Parteiausschlüsse, während zeitgleich Opfer staatlicher und parteilicher Willkür rehabilitiert und Parteimitgliedschaften, vielfach posthum, wiederherstellt wurden. Und höchst unflätig war, wie Rudolf Bahro auf dem Sonderparteitag in seiner Rede stetig unterbrochen (»Zur Sache«, »konkret«, »Vorschläge«), gar ausgebuhlt wurde. Da war noch viel altes Denken.
So dramatisch und turbulent wie vor 25 Jahren in der Berliner Werner-Seelenbinder-Halle ging es beim Auftakt einer Konferenz zur Erinnerung an die Geburt der PDS nicht zu, eher nachdenklich, mitunter heiter. Dagmar Enkelmann von der RosaLuxemburg-Stiftung nannte die Entscheidung wider Auflösung und Neugründung der Partei den »unbequemeren, aber ehrlicheren Weg«. Für Gregor Gysi war der vielfach artikulierte Wunsch nach Auflösung rechtlich problematisch, aber psychologisch interessant: »Die Genossen wollten lieber, dass die Partei sie verlässt, als umgekehrt.«
Roland Wötzel von den »Leipziger Sechs« wiederum berichtete, wie containerweise SEDMitgliedsbücher entsorgt wurden und viele »junge dynamische« Ex-Genossen Aufnahme in die ostdeutsche Sozialdemokratie erhofft hatten. Wolfgang Berghofer von der »Gruppe der 20« in Dresden bestätigte, dass er – medial wirksam – mit der gesamten Parteiführung der Elbmetropole zur SDP übertreten wollte. Dass deren Gründungsväter dies nicht gestatten, kommentierte Gysi als einen Fehler, unter dem die SPD noch heute leidet. Steffen Reiche, Mitbegründer der SDP, rechtfertigte die Nichtaufnahme von SEDlern: »Warum sind sie nicht im Oktober ’89 zu uns gekommen? Wir hätten sie mit offenen Armen empfangen.« Und: »Unsere Türen stehen noch offen.« Gelächter. Jetzt mag man nicht mehr. Die LINKE ist bundesweit eine nicht zu ignorierende Kraft, so Gysi stolz. Auch Bernd Rixinger ist »froh, dass es gekommen ist, wie es kam«. Das Land brauche eine Partei links der SPD, »weil diese keine antikapitalistische Partei mehr ist und soziale Gerechtigkeit erst wieder buchstabieren lernen muss«.
Gerechtigkeitshalber sei angemerkt, dass auch Peter-Michel Diestel (CDU) und Igor Maximytschew, Gesandter a. D., die Erinnerungskur beehrten und, sich neckend, mit lustigen Anekdoten bereicherten.